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Sport: Und jetzt Präsident

Rolf Kutzmutz hat im vergangenen Jahr seine Politik-Karriere beendet. Nun will er den 1. FFC Turbine Potsdam führen.

Als Boxer kann man sich Rolf Kutzmutz nicht so recht vorstellen. Der 67-Jährige mit seiner fast sanften, ruhigen Art wirkt alles andere als rau, als einer, der raufhaut. Von Fotos kennt man ihn eher als einen, der Blumen verteilt als harte Schläge. Doch als Kutzmutz 13 Jahre alt war, fing er zu boxen an. „So nebenbei“, erzählt er. Eigentlich hat er Fußball gespielt, erst im Tor und dann als Stürmer bei Turbine Markranstädt. „Technisch war ich ganz gut, aber nicht hart genug“, sagt er. Daher habe er mit dem Boxen begonnen.

Karriere gemacht hat er später als Politiker. Zunächst lernte Kutzmutz Schlosser, studierte Ökonomie und wurde Wirtschaftssekretär in der SED-Bezirksleitung in Potsdam. Seine Mitarbeit für die DDR-Staatssicherheit hat er nach der Wende nie verleugnet, seiner Integrität als Politiker hat es nicht geschadet. Acht Jahre saß er für die PDS im Bundestag, im Potsdamer Stadtparlament hatte Kutzmutz quasi ein Dauermandat. Von 2003 bis 2005 war er Bundesgeschäftsführer der PDS.

Im vergangenen Jahr machte Kutzmutz Schluss mit der Politik und begab sich auf die Suche, was ehrlich ist, wie er sagt. Jetzt will er Präsident werden. Am Freitag bewirbt er sich beim 1. FFC Turbine Potsdam um die Nachfolge von Günter Baaske. Der SPD-Politiker war nach der Wahl zum Brandenburger Minister für Bildung, Jugend und Sport im vergangenen Herbst vom Vereinsvorsitz beim Frauenfußball-Bundesligisten zurückgetreten: Politikposten und Sportklubchef – es gibt märkische Beispiele, die dieser Kombination einen anrüchigen Beigeschmack verliehen haben.

Kutzmutz ist wahlerprobt. „Ich habe auch schon Wahlen verloren“, sagt er. Doch am Freitag scheint seine Ernennung von den Mitgliedern des Vereins zum Turbine-Präsidenten sicher. Er ist der einzige Bewerber und fast trotzig sagt er: „Es soll erst mal ein anderer Kandidat kommen und sagen, was er für den Verein geleistet hat.“

Kutzmutz ist seit 13 Jahren bei Turbine Potsdam, seit 2004 sitzt er im Vorstand. Der Diplom-Ökonom und einstige Parteifunktionär kümmerte sich in den vergangenen Jahren um die Sponsoren des Vereins. „Leute gewinnen, Kontakte anbahnen, Gespräche führen“ – so beschreibt er seinen bisherigen Job bei Turbine. Seine Drähte und Kontakte in die Wirtschaftswelt würden ihm dabei helfen. „Ich gehe nicht nur auf Sommerfeste, um mich da zu amüsieren“, sagt er. Er ist Lobbyarbeiter, Netzwerker für den Frauenfußball und für Turbine im Besonderen. Er habe eine Ahnung, was Unternehmer von einem Engagement erwarten: Ein VIP-Raum, meint er, sei keine Wärmestube für Sponsoren, sondern eine Kontaktbörse.

Vor etwas mehr als 20 Jahren hat es Kutzmutz nicht geschafft, Potsdams erster Repräsentant zu werden. 1993 wollte er Potsdams Oberbürgermeister werden. Doch der „rote Rolf“, wie ihn die Medien nannten, scheiterte in der Stichwahl an Horst Gramlich von der SPD. Jetzt kommt er an die Spitze eines Frauenfußball-Vereins, von dem vor allem seine Funktionäre meinen, dass der Klub die Stadt, wenn nicht sogar ganz Ostdeutschland repräsentiere. Allen voran der 72 Jahre alte Cheftrainer Bernd Schröder, der seit mehr als vier Jahrzehnten das sportliche Regime mit strenger väterlicher Hand führt, es vom Übungsleiter der einstigen Betriebssportgemeinschaft des VEB Energieversorgung Potsdam zum Champions-League-Coach und zur Trainer-Institution geschafft hat. Sein Leitmotiv: Wer für Turbine spielt, spielt auch für Potsdam. „Turbine Potsdam ist ein Stück Kulturgut“, sagt Kutzmutz. Der Satz stammt nicht von ihm, sondern von Matthias Platzeck aus dessen Zeit als Ministerpräsident in Brandenburg. „Aber das stimmt“, sagt Kutzmutz, er selbst erfahre das immer wieder und erzählt als Beispiel von seinem Kuraufenthalt im vergangenen Jahr in Graal-Müritz, wo er am Ostseestrand im Turbine-Trainingsanzug joggte und die Ärzte ihn sofort als Potsdamer identifizierten. „Manchmal wissen wir gar nicht, welche Ausstrahlung wir haben“, sagt er.

Einen Verein zu führen, der seine Tradition und Herkunft beschwört und die Moderne des internationalen Fußballgeschäfts verkörpern will, nennt Kutzmutz objektiv schwierig. Eliteschule, Top-Trainingsstätten, digitale Welten, Namensrechte für Millionen-Beträge, duale Systeme für Sport und Ausbildung, Spielerberater – die verschiedenen Attribute des modernen Frauenfußballs werden auch in Potsdam geschrieben. Auf der anderen Seite erzählt Trainerveteran Schröder gern Anekdoten, warum er etwa eine alte Armeedecke in seinem Büro hat. „Man muss mit beiden Polen verantwortlich umgehen“, sagt Kutzmutz. Tradition dürfe kein Ballast sein, sondern Anspruch. Es sei Aufgabe des Vereins, der jungen Generation von Spielerinnen zu vermitteln, welchen Stellenwert Turbine für die Stadt, die Region, ja vielleicht für den Osten der Republik hat. Es sei nicht die Philosophie des Vereins, mit einer Vertragsunterschrift lediglich zu besiegeln, dass eine Fußballerin ein oder zwei Jahre für Turbine spielt. Zumindest wünscht sich Kutzmutz, dass die Spielerinnen auch ihre Bereitschaft signieren, Potsdam und die Geschichte der Stadt sowie die Historie des Vereins kennenzulernen und somit Anspruch, Haltung, und auch Rivalitäten zu verstehen.

Das Gleiche gelte für den Trainer. Kutzmutz weiß, dass die Frage, wer einmal den Posten übernimmt, in einem hohen Reifestadium ist. Aber bei all dem, was auch er als Vereinschef repräsentieren will, wird allein fußballerischer Sachverstand für den Job nicht reichen. „Wer bei Turbine Cheftrainer wird, muss in den Verein reinwachsen“, sagt Kutzmutz. Das ist im modernen Fußballgeschäft eine Philosophie, die sehr traditionell ist und Kutzmutz standhaft vertritt.

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