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Pauline Schäfer startet in der Bundesliga für Stuttgart. Am Schwebebalken wurden sie 2017 erste deutsche Turn-Weltmeisterin seit 30 Jahren.

© John Walton/dpa

Turnsport in Potsdam: Salto vorwärts

Potsdam hat eine erfolgreiche Tradition im Turnsport. Doch die Glanzzeiten sind lange her. Die Austragung der Frauen-Bundesliga in der MBS-Arena soll nun helfen, den Standort wieder zu stärken.

Von Tobias Gutsche

Birgit Faber misst dem Ort große Bedeutung bei. „Potsdam ist eine Wiege des Turnsports – für Brandenburg, aber auch sogar für ganz Ostdeutschland“, sagt die Präsidentin des Märkischen Turnerbunds (MTB). Am Luftschiffhafen wurden Top-Athleten geformt. Bei Olympischen Spielen zwischen 1964 und 1988 waren zehn Potsdamer Gerätturner am Gewinn von sieben Medaillen beteiligt. Darunter Bernd Jäger, dessen Jäger-Salto immer noch zum wichtigen Repertoire am Reck gehört. Und natürlich Holger Behrendt, der Herr der Ringe, der 1988 an diesem Gerät Gold holte sowie noch Silber im Team und Reck-Bronze.

In der alten Turnerhalle des Luftschiffhafens wurden Weltklasse-Athleten geformt. 
In der alten Turnerhalle des Luftschiffhafens wurden Weltklasse-Athleten geformt. 

© Andreas Klaer

Mittlerweile ist Cottbus der Brandenburger Bundesstützpunkt für den männlichen Bereich, in Kienbaum kommt regelmäßig die Nationalmannschaft zusammen. Potsdam wiederum, wo die turnerischen Glanzzeiten weit zurück liegen, ist lediglich noch einziger Mädchen-Landesstützpunkt. Es sei um den Standort in der Vergangenheit „zu ruhig geworden“, wie MTB-Vizepräsident Oliver Schmidt einräumt. Das wollen die Verantwortlichen wieder ändern. Salto vorwärts.

Es wird den Turnerinnen eine außergewöhnliche Kulisse geboten

An diesem Wochenende soll ein starkes Signal gesendet werden, wenn von Freitag bis Sonntag sich in der MBS-Arena facettenreich alles rund um das Turnen dreht. Highlight ist am Samstag der vierte Saison-Wettkampftag der Frauen-Bundesliga. „Wir wollen zeigen, wie toll unser Sport ist und was wir als Verband können“, sagt Schmidt.

Er leitet das Projekt, das sehr gut angenommen wird. Mehr als 1300 Zuschauer werden erwartet, lediglich Resttickets gibt es noch im Online-Vorverkauf oder an der Tageskasse. Für gewöhnlich würden die Wettkämpfe der Frauen-Liga vor 250 bis 800 Interessierten stattfinden, so Schmidt. „Selbst das Finale voriges Jahr sahen nur 1100 Leute. Wir werden hier eine der größten Kulissen bereiten, die es jemals dafür gab“, sagt er.

Bei der Suche nach Austragungsorten war der Ligaverband an den MTB herangetreten. Die Märker übernahmen gerne die Gastgeberrolle, „weil es für uns eine Chance ist, sich gerade in Potsdam nach langer Zeit mal wieder mit einer hochkarätigen Veranstaltung zu präsentieren“, so Faber. Ansonsten war zuletzt ausschließlich das traditionsreiche Cottbuser „Turnier der Meister“, das als Weltcup übernächstes Wochenende wieder stattfindet, ein Event-Aushängeschild.

"Turnen ist die Kinderstube des Sports"

Unter dem Dach des von Faber geführten Landesfachverbands sind eine Vielzahl von Sportarten organisiert. Vom Gerätturnen über Sportakrobatik, Gymnastik und Aerobic bis hin zum Musik- und Spielmannswesen, aber auch Faustball. Mit aktuell 17.938 Mitgliedern ist der MTB der zweitgrößte Sportverband in Brandenburg. Nur die Fußballer (81.632) sind stärker vertreten.

Dass 2013 mehr als 21.000 Mitglieder im MTB registriert waren und 2016 immerhin noch die 20.000er-Marke übertroffen war, möchte die Verbandschefin richtig eingeordnet wissen. Es werde in den Disziplinen nicht weniger Sport betrieben, betont sie. Im Gegenteil. Gerade im Freizeit-, Gesundheits- und Kindersportsektor seien große Zuwächse zu verzeichnen. „Doch es melden sich viele Vereine mit diesen Angeboten nicht mehr im Landesverband an, weil das kein Wettkampfsport ist. Am Ende ist es in ihrer Rechnung kostengünstiger.“

Nichtsdestotrotz bestätigt sie der allgemeine Zulauf, dass das Aufgabenfeld des MTB wichtig ist. Turnen sei „die Kinderstube des Sports“, meint die Falkenseerin. Es entwickle vielfältige Fähigkeiten, bilde die Basis der Bewegung, von der ein ganzes Leben profitiert werden könne. „Daher muss vor allem Kindern und Jugendlichen das nahegebracht werden. Wir wünschen uns diesbezüglich vielerorts bessere Ausstattungen in den Schulhallen.“

Hoffnungen durch neue Halle im Luftschiffhafen

Im Potsdamer Luftschiffhafen soll derweil nächstes Jahr nach langer Vorlaufzeit eine gänzlich neue Spezialhalle für das Gerätturnen eröffnet werden. Mehr als elf Millionen Euro kostet der Bau, der primär zur Ausbildung von Sportlehrern an der Universität dienen soll. Aber auch Vereine werden sie nutzen können. Die bisherige Halle in unmittelbarer Nähe sei „1962 noch Europas modernste ihrer Art“ gewesen, erinnert Faber. „Aber seitdem war auch nichts mehr passiert.“ Der Wechsel aus dem Maroden hinüber ins nunmehr Moderne versteht sie als große Chance. „Ziel muss sein, eine gute Kooperation zwischen der Uni, Vereinen und uns als Verband zu initiieren, um diese tolle Infrastruktur gut auszuschöpfen.“

Nächstes Jahr soll die neue Gerätturnhalle im Luftschiffhafen eröffnet werden.
Nächstes Jahr soll die neue Gerätturnhalle im Luftschiffhafen eröffnet werden.

© Visualisierung: Behzadi und Partner Architekten Leipzig

Dabei wünscht sich die 57-Jährige eine bessere breitensportliche Förderung in der Landeshauptstadt. Der SC Potsdam als federführender Turnverein lege ihrer Meinung nach oft zu hohen Wert auf die Leistungsorientierung. „Das hält vielleicht einige ab. Besser wäre es, mehr Breite zu erzeugen. Da ist dann letztlich auch die Wahrscheinlichkeit größer, dass Talente entdeckt werden“, sagt sie.

Um die Masse anzusprechen, können gute Veranstaltung helfen. „Das ist perfekte Werbung“, so MTB-Vize Schmidt. Die Austragung der Damen-Bundesliga soll dabei nur der erste Schritt für die Potsdamer Standortstärkung sein. Er plant auch bereits weitere Großmaßnahmen, um Interesse zu wecken. Neben einer Liga-Fortsetzung schweben ihm ein internationales Nachwuchsturnier sowie ein Länderkampf in der MBS-Arena vor.

+++ Stars in der Liga und Mitmach-Angebote +++

Das große Turn-Wochenende in der Potsdamer MBS-Arena beginnt am heutigen Freitag mit einem Kinderturntag. Kitas, Horteinrichtungen, Schul- und Vereinsgruppen sowie alle anderen Interessierten sind eingeladen, sich von 10 bis 15 Uhr selbst auszuprobieren. Mitmachangebote stehen auch am Samstag in der Nebenhalle bereit. In der Arena treten dann um 13 Uhr zunächst die Teams der 2. Frauen-Bundesliga an. Nach ihrem Wettkampf und einem Showprogramm geht es um 17 Uhr mit den Erstligisten weiter. Die vier Disziplinen Boden, Stufenbarren, Sprung und Balken werden absolviert. Stars in der ersten Liga sind unter anderem Pauline Schäfer (Balken-Weltmeisterin von 2017), Elisabeth Seitz (WM-Bronze 2018 Stufenbarren/beide vom Serienmeister MTV Stuttgart) und Sophie Scheder (Olympia-Dritte 2016 Stufenbarren/TSV Tittmoning). Potsdam ist die vierte Station der Saison. Es entscheidet sich, welche vier der acht Teams ins Finale einziehen. 

Ein Brandenburger Frauen-Team startet nicht. Bei den Herren, die ihre Vorkämpfe nicht an neutralen Orten austragen, zählt der neunfache Deutsche Meister SC Cottbus zur Spitze. Am Sonntag rundet die 3. Liga der Frauen und ein öffentliches Training von Brandenburger Nachwuchsturnerinnen das Gesamtevent in Potsdam ab. 

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