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Anna Gerhardt (links, im Zweikampf mit der Wolfsburgerin Ewa Pajor) und Turbine Potsdam bestreiten das erste Spiel nach der Coronavirus-Pause beim SC Freiburg.

© imago images/foto2press

Turbine Potsdam: Vom Geisterhaus ins Geisterspiel

Die Frauen-Bundesliga startet wieder. Neben Vorfreude herrscht bei Turbine Potsdam Respekt vor vielen englischen Wochen.

Potsdam - Vom Potsdamer Kongresshotel bis zum Sportpark Luftschiffhafen sind es gut 300 Meter. Ein kurzer Arbeitsweg für die Fußballerinnen des 1. FFC Turbine Potsdam – kurz genug, um mit möglichst wenig Leuten in Kontakt zu kommen und die Hygienevorschriften zu erfüllen, unter denen sie trainieren und ab Samstag in der Bundesliga auch wieder spielen können. Um 13 Uhr tritt Turbine beim SC Freiburg an.

Ein einwöchiges Quarantäne-Trainingslager vor Wiederaufnahme des Spielbetriebs hat der Deutsche Fußball-Bund (DFB) den zwölf Bundesligaklubs verordnet. Der Turbine-Tross hat sich dafür ins Hotel am Templiner See am Potsdamer Stadtrand einquartiert. Bis auf eine paar Elitesportler, deren Internat wegen der Coronavirus-Pandemie geschlossen ist, gastiert hier niemand. Ein Geisterhaus, in dem sich die Fußballerinnen schon an die gespenstische Stille gewöhnen können, die sie in den Stadien erwarten wird.

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Re-Start nicht ohne Pathos

Wobei die Spiele der Frauen-Bundesliga ohnehin keine großen Kulissen haben. Zu Turbine kamen bislang im Schnitt in dieser Saison 1300 Zuschauer ins Karl-Liebknecht-Stadion. Zu wenig, um behaupten zu können, dass es ein finanzieller Verlust ist, wenn es für den Rest der Saison nur noch Geisterspiele gibt, sagt Rolf Kutzmutz. Auch mit Zuschauern „sind unsere Heimspiele ein Nullsummenspiel“, sagt der Turbine-Präsident. Die Einnahmen würden gerade die Spieltagskosten decken.

Nicht ohne Pathos lässt der DFB die Liga wieder starten. Von einem „historischen Moment mit großer Strahlkraft über die Grenzen hinaus“, spricht Siegfried Dietrich, Vorsitzender des DFB-Ausschusses der Frauen-Bundesliga und Manager des 1. FFC Frankfurt.

Als bislang einzige europäische Profiliga der Frauen wird in der Bundesliga der Ball wieder rollen, wofür sich elf der zwölf Klubs ausgesprochen haben, einzig der 1. FC Köln enthielt sich. Der Neustart nach mehr als zweimonatiger Zwangspause erhält eine verhältnismäßig hohe Bildschirm-Präsenz: Das Topspiel zwischen dem FC Bayern München und der TSG Hoffenheim wird live auf sportschau.de gezeigt. Auf Magentasport und im verbandseigenen DFB-TV werden mehrere Spiele gestreamt.

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Viertelfinalspiel im DFB-Pokal live im rbb

Für Turbine Potsdam ist das ein lebenswichtiger Faktor. „Unsere Haupteinnahmen erzielen wir durch Werbeverträge“, sagt Präsident Kutzmutz, daher sei die Präsenz so wichtig. Für das Viertelfinalspiel im DFB-Pokal am kommenden Mittwoch gegen die SGS Essen, das der rbb live übertragen wird, hat Turbine eine zweite Reihe für Bandenwerbung geplant, um möglichst viele Sponsoren ins Bild zu rücken.

Das Viertelfinale ist Turbines erstes Heimspiel im Pokal seit langem. Es sollte der vorläufige Saison-Höhepunkt werden – vor großer Kulisse. Noch fehlt Anna Gerhardt die Fantasie, wie es sich anfühlen wird, vor leeren Rängen zu spielen, ob in der Liga oder im Pokal. „Das kann ich mir gar nicht vorstellen“, sagt die 22-jährige Mittelfeldspielerin.

Gleiche Voraussetzungen für alle wird es ohnehin nicht geben. Als Turbine Ende April eine Sondergenehmigung für ein zunächst kontaktfreies Training in kleinen Gruppen bekam, hatten die Spielerinnen des VfL Wolfsburg und des FC Bayern bereits zwei Trainingswochen absolviert. Jena kann gar erst ab dem 5. Juni überhaupt trainieren.

Noch ist Platz vier drin

Turbine erfüllt akribisch das vorgeschriebene Hygienekonzept inklusive Coronavirus-Tests. Alle bisherigen Testreihen waren negativ. Für die Kosten stellt der DFB pro Verein 300 000 Euro zur Verfügung. Das Geld kommt von der 7,5-Millionen-Euro-Spende der vier Champions-League-Teilnehmer der Männer-Bundesliga für die DrittenLiga und die Frauen-Bundesliga. Die Vereine müssen die Bescheide für ihre Hygiene-, Test- und Laborkosten beim DFB einreichen, der die Rechnungen bei den Kostenträgern begleicht. Bleibt am Ende etwas übrig, wird diese Summe unter den Vereinen aufgeteilt.

Aktuell steht Turbine auf dem fünften Tabellenplatz. Bestenfalls reicht es zehn Jahre nach dem Gewinn der Champions League am Ende zu Platz vier für die junge Mannschaft von Trainer Matthias Rudolph, der erneut drei seiner Top-Spielerinnen ziehen lassen muss. Torjägerin Lara Prasnikar, Kapitänin Sarah Zadrazil und Abwehrtalent Caroline Siems verlassen den Verein am Saisonende.

Sechs Ligaspiele sind bis 30. Juni zu absolvieren. Hinzu kommt das Pokalspiel am Mittwoch und bei einem Erfolg gleich eine Woche später das Halbfinale. „Das birgt schon ein gewisses Verletzungsrisiko“, sagt Anna Gerhardt. Eine solch enge Belastungsdichte gibt es in der Liga gewöhnlich nicht. „Aber jetzt stehen wir mit den Männern zumindest in dieser Hinsicht auf einer Stufe.“ Überhaupt: Dass sie wieder spielen können, versteht Anna Gerhardt durchaus als Akt der Gleichbehandlung.

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