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Es hat sich einiges verändert. Nachdem 2009 eine Mannschaft aus Sansibar in Ludwigsfelde gegen Turbine spielte, wandelte sich der Umgang mit Frauen auf der ostafrikanischen Insel. Die Fußballerinnen wurden zu Botschafterinnen für Chancengleichheit. Kapitänin des Potsdamer Teams war damals Jennifer Zietz (l.), heute ist sie Co-Trainerin von Turbine.

©  R. Hennies

Turbine Potsdam und Sansibar: Von Turbine in Gang gebracht

Im Jahr 2009 führte Turbine Potsdam ein Freundschaftsspiel gegen eine Mannschaft aus Sansibar durch. Wie der Potsdamer Verein so dem Damenfußball auf der ostafrikanischen Insel und damit auch allen Frauen dort geholfen hat.

Sieben Jahre ist es her, da fand im Ludwigsfelder Waldstadion ein besonderes Frauenfußball-Freundschaftsspiel statt. An jenem 14. September 2009 traf der deutsche Top-Verein Turbine Potsdam auf die „Sansibar Soccer Queens“. Die Partie endete mit einem 24:0-Turbinesieg. Zweitrangig. In primärer Hinsicht war dieses erste fußballerische Treffen zwischen Potsdam und Sansibar – wie sich danach herausstellte – eine immense Bereicherung für den ostafrikanischen Inselstaat. Es hat etwas bewirkt, einen Anstoß zu Veränderungen geliefert, zum Wohle der Frauen.

Turbine-Akteurin Stefanie Draws war 2014 stellvertretend für das Potsdamer Team mehrere Tage zum Gegenbesuch auf Sansibar, um die entstandenen Kontakte aufzufrischen und zu vertiefen. Quasi als lange geplante Erwiderung, wie Turbines heutiger Ehrenpräsident Bernd Schröder den Trip erklärt. „Ein Besuch unserer kompletten Mannschaft war aus verschiedenen Gründen nicht realisierbar“, sagt er. Immer schon war Völkerverständigung durch Sport prägend für Schröder. Dieser Gedanke wird demnächst frische Impulse bekommen.

Partnerschaft zwischen Potsdam und Sansibar-Stadt beschlossen

Denn der damalige – durch Mittel des Auswärtigen Amtes mit persönlichem Engagement von Außenminister Frank Walter Steinmeier (SPD) geförderte – Besuch einer Potsdamer Delegation war Teil der Bemühungen um eine Städtepartnerschaft mit Sansibar-Stadt. Und die ist kürzlich mit großer Mehrheit durch Potsdams Stadtverordnete beschlossen worden. Dadurch sollen die bisherigen Beziehungen weiter gestärkt werden. Auch im Sport, wo es aktuell hauptsächlich die Schnittstelle im Frauenfußball gibt. „Wir werden zunächst auf Bestehendes aufbauen und dann sehen, ob weitere Sportarten dazukommen“, erläutert Stadtsprecher Stefan Schulz auf PNN-Anfrage.

Den Kontakt zum Frauenfußball in Sansibar stellte einst Kilian Kindelberger her. Er war seinerzeit Geschäftsführer der gemeinnützigen Bildungseinrichtung Berlin-Brandenburgische Auslandsgesellschaft. Als der passionierte Turbine-Fan von den „Women Fighters“, der 1988 gegründeten und damals einzigen Mannschaft des Landes für kickende Frauen, erfuhr, initiierte er das Zusammenkommen.

Preisgekrönte Dokumentation über Sansibars kickende Frauen

Gegründet und anschließend gemanagt wurden die „Women Fighters“ von Nassra Juma Mohammed. Ein Besuch schwedischer Fußballfrauen in Sansibar inspirierte sie und sie fing daraufhin an, ihre Freundinnen zu trainieren. Eigeninitiative und Kreativität sind dabei Trumpf. So erwarb Mohammed 2007 einen Laden, um mit ihren Fußballerinnen verschiedene Produkte zu verkaufen. Das Geld wird zur Ausstattung des Teams verwendet, denn viele der Mannschaftsmitglieder können sich weder Schuhe noch Trainingskleidung leisten.

Von Mohammeds Engagement, das in der Folge sogar eine eigene Liga mit fünf Teams entstehen ließ, war Florence Ayisi, Filmemacherin aus Kamerun und Professorin an der Universität von Süd-Wales in Cardiff, begeistert. Ebenso davon, wie die Frauen, die in ihrem Land aufgrund männlich dominierter muslimischer Traditionen massiven Vorurteilen ausgesetzt sind, den Mut haben, Grenzen zu überschreiten und danach streben, ihre persönlichen Ziele zu erreichen. Zum Beispiel, indem sie Fußball spielen. Florence Ayisi begleitete das Projekt filmisch, brachte 2007 ihre Dokumentation „Zanzibar Soccer Queens“ heraus und wurde dafür vielfach preisgekrönt.

Frauenfußball wird inzwischen auf Sansibar kulturell akzeptiert

In diesem Mai nun hat Ayisi einen Folgefilm aufgelegt. „Going for Goals. Zanzibar Soccer Dreams“ heißt er. Darin wird festgestellt, dass vor allem die Reise nach Potsdam vor sieben Jahren zahlreiche und erhebliche Einflüsse hatte. Der Status der Frauen sei danach neu definiert worden, es gebe größere kulturelle Anerkennung, die Fußballerinnen seien inzwischen nationale Botschafterinnen für Chancengleichheit. Auf der Insel hat sich die Politik verändert, denn man wolle nicht mehr hinter der modernen Welt zurückstehen.

Als Konsequenz wird unter anderem der Zugang für Damen zum Fußball eröffnet. Eltern denken um und Schulen gestatten Mädchen, zu kicken. Ein wichtiger gesellschaftlicher Durchbruch, meint Mohammed als Vorkämpferin. Frauenfußball entwickle sich so zu einer kulturell akzeptierten Selbstverständlichkeit. Diese Mission gewann eben nicht zuletzt dank des Potsdamer Inputs an Dynamik. Kilian Kindelberger hat die neue Doku deshalb auch schon Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) vorgestellt.

Überlegungen zu weiteren Projekten zwischen Turbine und Sansibar

Um im internationalen Vergleich zu bestehen, reicht es für Sansibar derweil noch nicht. Beim diesjährigen ostafrikanischen Cecafa-Turnier gab es nichts zu holen. 1:10 gegen Burundi, 0:9 gegen Uganda und 0:11 gegen Kenia.

Weitere Kontakte mit Turbines Fußballerinnen könnten demnach eine echte Hilfe sein, um die Entwicklung weiter zu forcieren. Hofft zumindest Kilian Kindelberger. Er bezeichnet Nassra Mohammeds tägliche Arbeit als ein Vehikel, das es verdient habe, weiter unterstützt zu werden. „Ich bin stolz, dass die Städtepartnerschaft als ein starkes Fundament dazu nun fix ist“, sagt er und fügt an: „Wir sind mit Turbine aktuell in Kontakt, um eine Richtung zu entwickeln, in die es weiter gehen soll. Mir schwebt vor, zunächst an Struktur- und Trainingsaspekten zu arbeiten. Konkret lässt sich noch nichts sagen, denn vieles hängt auch von der Förderungen durch das Auswärtige Amt ab.“

Rainer Hennies

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