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Große Gegenwehr von den Punktlosen. Potsdam mit Svenja Huth (l.) hatte gegen Marith Prießens Frankfurterinnen viele Probleme. 

© Jan Kuppert

Turbine Potsdam gegen den 1. FFC Frankfurt: Schlecht gewinnt

Im Klassiker des deutschen Frauenfußballs enttäuschte Turbine Potsdam gegen den 1. FFC Frankfurt – aber schaffte einen Sieg. Spielerinnen und Trainer der Potsdamer Teams fanden anschließend deutliche Worte für die Leistung.

Von Tobias Gutsche

Lisa Schmitz gehört zu der Art Torhüter, die sich Mannschaften gerne bei sich zwischen den Pfosten wünschen. Die Keeperin des Frauenfußball-Bundesligisten Turbine Potsdam weiß nicht nur bestens, wie man gegnerische Chancen vereitelt, sondern kann auch richtig gut kicken. Das nutzt Turbine taktisch. Das Team versucht regelmäßig, Schmitz in den Spielaufbau einzubinden. Dann gibt es Rückpässe auf sie. Beim Heimspiel am Samstag gegen den 1. FFC Frankfurt wäre das beinahe zum Verhängnis geworden. Denn gleich zweimal waren diese Zuspiele nach hinten derart schludrig ausgeführt, dass eine Frankfurterin den Ball erobern konnte und frei vor dem Tor stand. Lisa Schmitz parierte bravourös. Damit hatte sie riesigen Anteil am 3:1 (2:0)-Erfolg ihrer Truppe.

Neben den beiden von Potsdam selbst aufgelegten Möglichkeiten für Jackie Groenen und Geraldine Reuteler sah sich Schmitz gegen Letztere auch nochmal im direkten Duell konfrontiert, weil Turbines Abwehrreihe achtlos agierte. Wieder triumphierte die Schlussfrau. Sie wolle nicht falsch verstanden werden, betonte die 26-Jährige. Solche Fehler dürften nicht passieren und sie könne auf den Stresstest einer Eins-gegen-eins-Situation verzichten. Aber wenn es dann doch dazu kommt, ist es eine willkommene Herausforderung für die Nationaltorhüterin: „Ich mag das eigentlich ganz gerne.“ Nur sie, die Angreiferin und der Ball. Mit starker Ausstrahlung und Ruhe bewältigte Lisa Schmitz vorgestern ihre schweren Prüfungen. „Überragend“, wie sie „kühlen Kopf“ bewahrt habe, lobte anschließend ihr Trainer Matthias Rudolph.

Träge, unkonzentriert, ohne Inspiration

Viel mehr Positives hatte er nach Schlusspfiff aber auch nicht mitzuteilen. Die Turbine-Leistung war schlichtweg eine Enttäuschung. Träge, unkonzentriert, ohne Inspiration. Rudolph fand, dass sich seine Elf seit dem Trainingsauftakt im Juli in keiner Trainingseinheit und keinem Spiel dermaßen schlecht präsentiert habe. Das hatte sich im Verlauf der vergangenen Woche allerdings bereits angekündigt. Nach der 0:1-Niederlage zum Saisonstart in Hoffenheim stieg bei den ambitionierten Turbinen der Druck mächtig, sodass die Anspannung vor dem Heimauftakt entsprechend groß war. Beim Training und dem Match gegen Sand, das überzeugend 2:0 gewonnen wurde, kanalisierten die Spielerinnen jenen Druck gut. Als dieser gewichen war, bemerkte Matthias Rudolph einen Spannungsverlust in den Einheiten zur Vorbereitung auf die Frankfurt-Partie. Die Grundaggressivität habe gefehlt. „Das haben wir klar angesprochen“, berichtete er. „Aber da konnte man reden, was man wollte – es hatte nichts eingesetzt.“

Die Spielleistung wurde zum Spiegelbild des Trainings. Von der Offensivfreude und guten Defensivstruktur aus dem Erfolg über Sand war kaum etwas wiederzufinden. Der Coach haderte und wurde süffisant. Wer den starken Auftritt der Vorwoche nicht gesehen habe und nun bloß die Partie gegen Frankfurt verfolgte, müsste wohl geglaubt haben, „dass wir gar keinen richtigen Fußball spielen können“, meinte er.

"Zur Pause 2:0 geführt und wir wussten nicht, warum"

Ganz zu Beginn war dieser Eindruck noch nicht entstanden. Vor 1437 Zuschauern im Karl-Liebknecht-Stadion starteten die Gastgeberinnen engagiert, ließen jedoch schleunigst nach. Der Deutsche Rekordmeister vom Main war besser und machte es „taktisch überragend“, wie Frankfurts Coach Niko Arnautis urteilte. Die Hessinnen attackierten Turbine immer frühzeitig, unterbanden so Potsdams Angriffskraft und verunsicherten die Rudolph-Schützlinge – bei den Versuchen, das Spiel konstruktiv von hinten aufzuziehen, passierten aus der Hektik heraus Fehler. Lisa Schmitz bügelte sie aus.

Auf der anderen Seite war Turbine effizienter, als es in der Vergangenheit oft der Fall war. Lara Prasnikar erzielte in der 38. Minute aus dem Gewühl heraus das 1:0 und Rahel Kiwic köpfte nach einer Ecke den nächsten Treffer (43.). „Wir haben zur Halbzeit 2:0 geführt und wussten gar nicht, warum“, sagte Potsdams Stürmerin Viktoria Schwalm angesichts der dürftigen Vorstellung. Auch in Halbzeit zwei wurden wenig Argumente geliefert, die den Vorsprung gerechtfertigt hätten. Tanja Pawollek hatte ihn zunächst verringert, Frankfurt in der 79. Minute auf 1:2 herangebracht. Das Zittern unter den Turbine-Fans wurde groß. Viktoria Schwalm beendete es mit ihrem späten Tor zum Endstand (90.+3).

Für den Club aus der Bankenmetropole war es somit ein äußerst bitterer Ausflug nach Brandenburg. Bereits zum sechsten Mal in Folge konnte Frankfurt beim Klassiker des deutschen Frauenfußballs gegen Potsdam nicht gewinnen. Mit nunmehr drei Niederlagen aus drei Spielen wurde obendrein der schlechteste Saisonstart der Vereinsgeschichte fortgesetzt. Das bedeutet aktuell den vorletzten Tabellenplatz. Turbine ist mit sechs Punkten Fünfter. Den „dreckigen Sieg“ vorgestern nehme er gerne mit, sagte Matthias Rudolph, um aber klar zu machen: „Wir wissen selber, dass wir in Zukunft nicht so auftreten dürfen.“ Schlecht gewinnt man schließlich eher selten Spiele.

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