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Hinspielsieg. Turbine gewann in Wolfsburg durch ein Tor von Eseosa Aigbogun (r.).

© imago/regios24

Turbine Potsdam: Gebetsmühlenartig ins Gipfeltreffen

Vier Spieltage vor Saisonende kommt es zum Topspiel der Frauenfußball-Bundesliga. Turbine Potsdam, derzeit Tabellenzweiter, empfängt den Spitzenreiter VfL Wolfsburg. Vom Titelgerede um ihn herum möchte sich der Potsdamer Club nicht beirren lassen.

Von Tobias Gutsche

Matthias Rudolph ist ein besonnener Mann. Er demonstriert viel Ruhe und lässt sich kaum aus dieser bringen. Vor knapp zwei Wochen aber wirkte der Cheftrainer des Frauenfußball-Bundesligisten Turbine Potsdam durchaus perplex und musste – scheinbar leicht verärgert – etwas schlucken. Nach der 0:1-Heimniederlage gegen den SC Freiburg war er gefragt worden, ob Turbine nun, da der Tabellenführer VfL Wolfsburg drei Punkte Vorsprung hat, den Gewinn der deutschen Meisterschaft abhaken müsse.

Wäre Rudolph cholerisch veranlagt, er hätte wohl eine Brandrede gehalten. Stattdessen atmete der geerdete Coach lediglich durch und erklärte ganz nüchtern, warum jene Nachfrage völlig deplatziert war. Der Potsdamer Verein hat sich für die laufende Saison schließlich von Beginn an eine klare Philosophie einverleibt und diese rigoros öffentlich bekundet. „Bei uns wurde noch nie über die Meisterschaft gesprochen. Auch nicht intern. Wir wollen nur von Spiel zu Spiel gucken und schauen, was am Ende rauskommt“, wiederholte Rudolph gebetsmühlenartig. „Das machen wir auch so weiter.“

"Druck wird von außen erzeugt, nicht von innen"

Und daher hatten er und sein Team eben zunächst die Auswärtspartie gegen Jena im Blick, die souverän 2:0 gewonnen wurde. Jetzt ist der Fokus wieder auf die kommende Aufgabe geschärft, eine besonders reizvolle: Liga-Gipfeltreffen, die zweitplatzierten Potsdamerinnen empfangen am Sonntag den Spitzenreiter aus Wolfsburg (Beginn: 14 Uhr/Karl-Liebknecht-Stadion/rbb-Fernsehen).

Dass diese Paarung vier Spieltage vor Saisonende große Bedeutung im Titelkampf hat, ist nicht von der Hand zu weisen. Ohnehin hatte Rudolph zuletzt bestätigt, dass sich aufgrund des bisher guten Abschneidens in der aktuellen Spielzeit „der Druck auf meine Mädels sicherlich erhöht hat“. Allerdings: „Dieser Druck wird von außen erzeugt, nicht von innen.“ Was aber keinesfalls bedeutet, dass bei den Turbinen lockere Entspanntheit gepflegt wird. Immerzu betonen die Spielerinnen, wie hoch das Trainingsniveau sei, welch enormer Zug vorliege. Diese Intensität hat sich dauerhaft manifestiert, weil Rudolphs Dekret der kleinen Schritte gut von der Mannschaft in die Praxis umgesetzt wird. Sie versteht den Weg als Ziel und arbeitet dementsprechend im Training nicht getrieben von hochgeschraubten Ambitionen, sondern einzig auf eine Sache hin: Den Sieg im nächsten Spiel.

VfL-Coach Kellermann gibt Amt nach der Saison ab

14-mal bei 18 Versuchen hat Turbine diesen während der aktuellen Liga-Serie dann auch tatsächlich gelandet. Unter anderem in der Hinrunde beim 1:0 auswärts gegen Wolfsburg. Bislang ist es die einzige Niederlage für die Wölfinnen. Deren Cheftrainer Ralf Kellermann erwartet nun ein „sehr emotionales und kampfbetontes“ Duell im „Karli“, vor dem er sich entschlossen gibt: „Wir haben so viel Selbstvertrauen, dass wir unser Spiel durchdrücken werden. So wie in den letzten Wochen auch.“ Für ihn persönlich sind derweil die vorerst letzten Wochen als Coach des VfL angebrochen. Nach der Saison wird Kellermann das Amt an seinen jetzigen Assistenten Stephan Lerch übergeben und nur noch in der Funktion des sportlichen Leiters weiteragieren. Einen ähnlichen Trainerwechsel vollzog vorigen Sommer auch Turbine – Rudolph trat die Nachfolge von Clubikone Bernd Schröder an. „Potsdam hat in dieser Saison zur gewohnten Form wiedergefunden, nachdem sie sich letztes Jahr ein wenig unter Wert verkauft haben“, urteilt Kellermann.

Anders als Schröder, der nur als Liga-Siebter und DFB-Pokalviertelfinalist abschloss, hat er die Chance auf ein ruhmreiches Ende. Der Frauenfußball-Welttrainer von 2014 kann zum dritten Mal Meister und vierten Mal Cupsieger werden. Danach lechzt er auch. Titel zu holen, ist nämlich sein klar formulierter Anspruch. So weit ist der demütige Branchenneuling Rudolph momentan noch nicht. 

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