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Es hat gedauert. Johanna Elsig galt als Top-Talent, kam aber erst 2017 zu ihrem A-Länderspieldebüt. Inzwischen ist sie wichtige Stütze im Nationalteam.

© imago/DeFodi

Turbine-Fußballerin Johanna Elsig: Mit langem Anlauf

Verletzungen bremsten Johanna Elsig immer wieder aus. Nun steht die Fußballerin von Turbine Potsdam vor ihrem ersten großen Turnier, der Weltmeisterschaft. 

Von Tobias Gutsche

Potsdam - Als Johanna Elsig 2012 zum Frauenfußball-Bundesligisten Turbine Potsdam wechselte, stand sie seit wenigen Monaten in einer Reihe mit Marc-André ter Stegen, Julian Draxler und Emre Can. Das Quartett erhielt 2011 jeweils die Fritz-Walter-Medaille in Gold, die höchste individuelle Auszeichnung im deutschen Nachwuchsfußball. Wie ein großes Versprechen für die Zukunft. Hoffnungsträger für die A-Nationalmannschaft. All diese Talente kamen dann auch schon recht schnell zu ihren Länderspieldebüts bei den Erwachsenen und Nominierungen zu Europa- oder Weltmeisterschaften. Bis auf Johanna Elsig.

Bundestrainerin Voss-Tecklenburg: "Jojo ist unser Leuchtturm"

Die einstige U19-Europameisterin musste warten. Lange. Erst 2017 lief sie erstmalig bei den DFB-Frauen auf. Und nun, acht Jahre nach der Medaillenverleihung, steht Johanna Elsig auch tatsächlich vor ihrer ersten großen Turnierteilnahme. Die Abwehrspielerin, die aus Düren am Nordrand der Eifel stammt und im November 27 Jahre alt wird, gehört zum Aufgebot von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg für die Weltmeisterschaft in Frankreich. Diese beginnt am 7. Juni. Exakt einen Monat später soll die WM für das deutsche Team zu Ende gehen – so die Ambition der Potsdamerin. „Wir haben das Zeug dafür, ins Finale zu kommen – und wenn man dort steht, will man dann auch den Titel holen“, sagt Elsig selbstbewusst im Interview mit Turbine-TV. Die Generalprobe für ihre Mannschaft steigt am Donnerstag beim Testspiel in Regensburg gegen Chile.

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Johanna Elsig könnte dabei zu ihrem 13. Länderspieleinsatz in der A-Nationalelf kommen. Zuletzt setzte Martina Voss-Tecklenburg fast immer in der Startformation und über die gesamte Spieldauer auf sie. Auf eine wie „Jojo“, so ihr Spitzname, ist schließlich Verlass. Sie ist ein Vorbild an Willenskraft. Stark in Zweikämpfen und beim Kopfball. Kompromisslos. Fast fehlerfrei. Mit hoher Führungsqualität auf und neben dem Platz. Mitreißend in der Ansprache. „Jojo bezeichne ich immer als unseren Leuchtturm. Nicht weil sie so groß ist, sondern weil wir sie brauchen mit all ihren Voraussetzungen, vor allem gegen Gegner, die von ihrer Physis leben“, sagte Voss-Tecklenburg den PNN.

Lange Leidenszeit durch zwei Kreuzbandrisse

Dass die Innenverteidigerin erst im gereiften Fußballerinnen-Alter den Sprung ins Nationalteam geschafft und sich dort ein gutes Standing erarbeitet hat, liegt nicht an per se stockender Entwicklung seit ihrer preisgekrönten Juniorinnenzeit. Johanna Elsig machte immerzu Fortschritte. Nur musste sie diese gleich zweimal von Null starten lassen. Unmittelbar vor ihrem Wechsel von Bayer Leverkusen zu Turbine Potsdam zog sich die 1,78 große Kickerin einen Kreuzbandriss im rechten Knie zu. Anschließend kämpfte sie sich zurück, wurde Stammspielerin beim sechsfachen Deutschen Meister, kam mit ihm bis ins Champions-League-Halbfinale und auch auf den Radar der damaligen Bundestrainerin Silvia Neid. Doch vor der Saison 2015/16 riss ihr erneut ein Kreuzband, diesmal links. Alles ging von vorne los.

Aufgeben? Nicht mit ihr! Im Studium widmete sie sich der Sportpsychologie. Johanna Elsig könnte dabei selbst Forschungsobjekt sein, ist ein Paradebeispiel für mentale Stärke. Wieder arbeitete sie energisch an ihrem Comeback. „Sie hatte eine ganz lange Leidenszeit“, weiß Turbine-Trainer Matthias Rudolph, der bewundert, wie sich seine Abwehrchefin nach dem zweiten Rückschlag zurückmeldete. Inzwischen ist sie in herausragender Form, kommt auf insgesamt 142 Bundesligaeinsätze und 22 Tore. „Sie hat konstant über zwei, drei Jahre gute Leistungen gebracht“, meint er. „Aus meiner Sicht ist sie total verdient bei der WM dabei.“

Huth, Rauch, Schmitz und Ilestedt gehen - aber Elsig bleibt Turbine treu

Neben ihr erhielten auch vier weitere Turbinen eine Kaderberufung. Stürmerin Svenja Huth, ein Jahr vor Elsig mit der goldenen Fritz-Walter-Medaille ausgezeichnet, ist als Vizekapitänin fest gesetzt. Torhüterin Lisa Schmitz und Außenbahnakteurin Felicitas Rauch gehören auf Abruf zum erweiterten Aufgebot und könnten nachrücken, falls jemand ausfällt. Zudem steht Amanda Ilestedt in Schwedens Auswahl. Allesamt schafften sie bei Potsdam den Durchbruch.

Sie sind in Frankreich dabei. Svenja Huth (M.) ist Vizekapitänin der deutschen Elf, Amanda Ilestedt (l.) spielt für Schweden.
Sie sind in Frankreich dabei. Svenja Huth (M.) ist Vizekapitänin der deutschen Elf, Amanda Ilestedt (l.) spielt für Schweden.

© imago/Jan Huebner

Allerdings unterscheidet sich Johanna Elsigs weiterer Karriereweg wesentlich von dem der anderen vier. Sie werden nächste Saison keine Turbinen mehr sein, sondern wechseln, weil sich Titelhunger in Potsdam nur noch schwer stillen lässt. Sie gehen zum deutschen Branchenprimus VfL Wolfsburg (Huth und Rauch), zu dessen ärgstem Widersacher Bayern München (Ilestedt) oder in die sich zuletzt am stärksten verbessernde Liga nach England (Schmitz).

Im Wartestand 1. Felicitas Rauch (r.) steht als Kadernachrückerin auf Abruf.
Im Wartestand 1. Felicitas Rauch (r.) steht als Kadernachrückerin auf Abruf.

© Joel Marklund/dpa

Ob sie es angesichts dieser schweren Verluste bereuen würde, vergangenen Februar ihren Vertrag in Potsdam noch mal verlängert zu haben, wurde Johanna Elsig schon gefragt. „Auf gar keinen Fall“, antwortete sie postwendend. „Ich fühle mich hier wohl. In diesem Verein kann ich mich am besten entwickeln.“

Im Wartestand 2. Auch Lisa Schmitz würde erst im Aufgebot stehen, wenn jemand ausfällt. 
Im Wartestand 2. Auch Lisa Schmitz würde erst im Aufgebot stehen, wenn jemand ausfällt. 

© Jan Kuppert

Hrubesch: "Vereine wie Turbine tun deutschem Frauenfußball sehr gut"

Der Deutsche Fußball-Bund wertschätzt jenen Brandenburger Traditionsclub auch. Als wichtigen Talentförderer. Vorigen Oktober war Horst Hrubesch, der in der Rolle des Interimsbundestrainers Deutschlands Frauen zur WM geführt hatte, beim Turbine-Heimspiel gegen München zu Gast. Er schwärmte. „Solche Vereine wie Turbine tun dem deutschen Frauenfußball sehr gut“, sagte er. „Hier wird gerade jungen Spielerinnen aus dem eigenen Land die Möglichkeit gegeben, Erfahrungen zu sammeln. Das hilft letztlich, die eigene Nationalmannschaft besser zu machen.“

In großer Zahl auf internationale Top-Importe zu setzen, kann sich vielleicht attraktiv auf die Bundesliga auswirken. Doch wenn dafür deutsche Perspektivspielerinnen nur von der Bank zuschauen und dadurch ausgebremst werden, gerät die Zukunft der DFB-Elf ins Wanken. Ein Prozess, der schon einsetzte. Auch Turbine versuchte einige Zeit, getrieben vom hohen Erfolgsanspruch der glorreichen Ära, sich massiv aus dem Ausland zu verstärken. Doch mittlerweile reichen – im Vergleich zu den wirtschaftlich davondribbelnden Clubs – besonders die finanziellen Verlockungen nicht mehr aus, um hochkarätige Kaliber an die Havel zu lotsen. Stattdessen liegt der Fokus wieder vermehrt darauf, sie selbst zu formen. Qualität soll aus der eigenen Nachwuchsarbeit gespeist werden. Oder durch die Verpflichtung deutscher Talente, denen in Potsdam ein Sprungbrett aufgestellt wird.

Johanna Elsig hat sich darüber nach oben katapultiert. Nach einigen Anläufen nun bis zur Weltmeisterschaft. Und bestenfalls sogar zum Titel.

+++ Deutschlands Fußballerinnen träumen vom dritten WM-Titel +++

Die deutsche Frauenfußball-Nationalmannschaft holte bislang zweimal den Weltmeistertitel – 2003 und 2007. Anschließend ereilte die DFB-Elf bei der WM-Endrunde im eigenen Land das Viertelfinalaus, ehe 2015 der vierte Platz heraussprang. Ein Jahr später gelang der erstmalige Gold-Coup bei den Olympischen Spielen. 2017 war wiederum mit dem Scheitern im Viertelfinale der Europameisterschaft ein Tiefpunkt erreicht. Unter der neuen Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg soll nun zurück zu früherer Stärke gefunden werden. Bei der diesjährigen WM in Frankreich tritt die deutsche Mannschaft, die in der Weltrangliste aktuell Platz zwei hinter den USA belegt, in Vorrundengruppe B an. Gegner im Kampf um den Achtelfinaleinzug sind China (8. Juni), Spanien (12. Juni) und Südafrika (17. Juni). Als schwersten Kontrahenten stuft Johanna Elsig die Spanierinnen ein. „Sie sind sehr spielstark“, sagt die Innenverteidigerin von Turbine Potsdam aus Erfahrung: Mitte November ging ein Testspiel zwischen beiden Nationen 0:0 aus, es war ein intensives Duell.

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