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Dynamisch. Beim Taekwondo werden auch hohe Kicks trainiert.

© Andreas Klaer

Taekwondo in Potsdam: "Der Weg mit Fuß und Faust“

Den aus Korea stammenden Sport Taekwondo gibt es als Kampf gegen sich oder einen Kontrahenten. Die Kunst der Verteidigung wurde zur olympischen Disziplin weiterentwickelt. Auch in Potsdam wird der „Weg mit Fuß und Faust“ beschritten. 

Von Tobias Gutsche

Der Laie versteht nichts. Aber er spürt viel. Energie. Derart inbrünstig, markerschütternd donnern die Taekwondo-Athleten bei ihren explosiven Bewegungen die passenden Kommandos auf Koreanisch heraus, dass die Dynamik und Kraft nahezu greifbar sind. „Es ist ein wunderbarer Sport“, sagt Burghardt Kulawik. Bereits nach der kurzen Erwärmungsrunde atmet er angestrengt, der Schweiß rinnt gehörig auf seiner Haut hinab. Kulawik ist der Vorsitzende vom Taekwon-Do Verein Potsdam. Vergangenen Samstag weihte jener Kampfkunst-Club seine neue Heimstätte auf dem Tiroler Damm in der Waldstadt offiziell ein. Befreundete Taekwondo-Schulen aus ganz Deutschland waren für die feierlichen Lehrgänge angereist.

In einer privat betriebenen Schule lag der Ursprung des Potsdamer Vereins. 2003 wurde sie eröffnet und dann zehn Jahre lang von Katrin Krzewina geleitet. Nachdem es sie beruflich ins Ausland zog, standen die anderen aus der Schule vor der Frage: Wie weiter? „Wir haben uns für die Vereinsgründung entschieden, denn wir haben gewusst, dass es hier in der Stadt Interesse an diesem Sport gibt“, erzählt Burghardt Kulawik. Für das Training wurde die Sporthalle des Oberlinhauses angemietet. „Nett, aber nicht befriedigend“ sei das gewesen, meint der 59-Jährige. „Wir wollten gerne etwas eigenes.“ Bei den horrenden Mietpreisen in Potsdam ein hehres Unterfangen. Doch der Verein wurde dank eines Mitglieds fündig. Tischlermeister Andreas Butze stellte eine leerstehende Etage über seiner Werkstatt zur Verfügung. „Das ist für uns gut finanzierbar“, sagt Kulawik. Von außen wirkt das Gebäude trist, aber innen sind attraktive Räumlichkeiten für Taekwondo entstanden. Hell und freundlich ist es, die Sportler üben vor einer großen Spiegelfläche, an einer anderen Wand hängen die deutsche und südkoreanische Fahne.

Neue Heimat. Der Taekwon-Do Verein Potsdam hat sein Domizil in der Waldstadt eingeweiht.
Neue Heimat. Der Taekwon-Do Verein Potsdam hat sein Domizil in der Waldstadt eingeweiht.

© Andreas Klaer

Aus Korea kommt die hier praktizierte Disziplin. Die drei Silben „tae“, „kwon“ und „do“ bedeuten Fuß, Faust und Weg. Also der „Weg mit Fuß und Faust“. Tritte und Schläge prägen die Aktionen. „Es ist aber eine Verteidigungssportart. Es geht nicht darum anzugreifen, sondern abzuwehren“, betont Burghardt Kulawik. Taekwondo – das sei ein nobler Sport. „Alles dient nur der eigenen Verteidigung oder dem Schutz der Schwächeren.“ Katharina Haucke erlebte bisher noch nie den Ernstfall, ihre Fähigkeiten in einer Problemsituation anwenden zu müssen. „Ich glaube, das ist auch einem Nebeneffekt unseres Sports geschuldet“, sagt die stellvertretende Vorsitzende des Potsdamer Vereins, die wie Kulawik bereits seit 2003 mit dabei ist. Durch Taekwondo entwickle man ein starkes Selbstbewusstsein, nehme dadurch eine andere Haltung ein, wenn es kritisch wird, findet sie. „Du bist dann einfach nicht das typische Opfer – es kommt nicht zum Angriff.“

Trainingspartner Holzbrett und Ziegelstein

Burghardt Kulawik und Katharina Haucke sind im Besitz des schwarzen Gürtels – dritte Dan-Stufe. Dass sie Meister ihres Fachs sind, kennzeichnet auch der schwarze untere Rand ihrer schneeweißen Jacken. Auf diesen tragen sie ein Emblem vom traditionellen Taekwondo. „Das ist es, was wir hier machen“, sagt Kulawik. Die Bewegungen werden in choreografierter Weise ausgeführt. Kontaktlos. „Wenn wir am Partner üben, dann werden Tritte und Schläge dicht vor ihm gestoppt“, erklärt Kulawik. Und soll es doch mal zum Einschlag kommen, werden Hilfsmittel genutzt. Der als Sicherheitsingenieur tätige Athlet zieht unter einer Bank ein Holzbrett hervor. „Wer reif dafür ist, probiert, mit den Techniken so eines zu zerbrechen. Fortgeschrittene nehmen einen Ziegelstein.“ Demonstriert wird das Können bei Vorführungen in der Stadt oder auch bei Turnieren, die rein auf die Technik abzielen.

Unterschiede. Während beim Potsdamer Taekwon-Do Verein ausschließlich die traditionelle Variante trainiert wird, bietet der USV Potsdam auch die in Abgrenzung dazu stehende olympische Variante an. 
Unterschiede. Während beim Potsdamer Taekwon-Do Verein ausschließlich die traditionelle Variante trainiert wird, bietet der USV Potsdam auch die in Abgrenzung dazu stehende olympische Variante an. 

© Andreas Klaer

Als Kampfkunst versteht sich das traditionelle Taekwondo. Damit steht es in Abgrenzung zur olympischen Variante, das eine Kampfsportart mit Vollkontakt ist. Seit 2000 gehört es dem Programm der Sommerspiele an, Deutschland holte bislang je einmal Silber und Bronze. In den Wettstreits versuchen die Kämpfer, ihr Gegenüber zu treffen, um über die Punktwertung oder per Knockout zu gewinnen. In Brandenburgs Hauptstadt bietet der USV Potsdam die Olympiaversion an. Seit 20 Jahren besteht die Taekwondo-Abteilung des USV, 2017 wurde sie zum Landesleistungsstützpunkt ernannt. „Bei uns gibt es den Vollkontakt, aber auch das Formenlaufen“, sagt Abteilungsleiterin Katrin Paschke. Poomsae heißt Letzteres. Quasi eine Kürdisziplin, bei der die spezifischen Bewegungen in einem „imaginären“ Kampf gezeigt werden. Ronja Paschke, USV-Aushängeschild und Tochter der Abteilungschefin, gewann voriges Jahre darin den Team-Europameistertitel. Neben ihr sind auch die Junioren-Zwillinge Gina und Leon Reich für die Mitte November in Taipeh stattfindende Poomsae-Weltmeisterschaft nominiert. „Mit drei Startern vertreten zu sein, ist ein großartiger Erfolg für uns“, sagt Katrin Paschke.

„Dieser Sport kann einen den ganzen Lebensweg begleiten“

Ihr Verein ist einer von acht märkischen Clubs, die zusammen knapp 350 Mitglieder zählen und dem Taekwondo-Verband Berlin-Brandenburg angehören. Die Deutsche Taekwondo Union ist mit 56.260 Mitgliedern und 846 Vereinen im Deutschen Olympischen Sportbund registriert. „Doch viel mehr Leute machen hierzulande Taekwondo“, berichtet Burghardt Kulawik vom Potsdamer Club. „Viele Vereine mit traditioneller Ausrichtung sind gar nicht in den Bündnissen, weil darin die aufmerksamkeitsstärkere olympische Variante im Fokus steht.“ Diese auf Angriff eingestellte Form entspreche „nicht der Grundidee unseres Sports“, möchte er differenzieren. 

Choreografiert. Taekwondo wird häufig in Gruppen nach bestimmten Bewegungsabfolgen trainiert.
Choreografiert. Taekwondo wird häufig in Gruppen nach bestimmten Bewegungsabfolgen trainiert.

© Andreas Klaer

Taekwondo liegt im Spannungsfeld zwischen historischen Wurzeln und modernen Weiterentwicklungsgedanken. Kulawiks Club ist immerhin Mitglied im Stadt- sowie Landessportbund. „Weil wir die Sportlandschaft hier auch mit unserer Prägung bereichern und stärken wollen“, findet er. Nach den Anfängen mit etwa 20 bis 25 Aktiven hat sich der Potsdamer Verein – wie auch die USV-Abteilung – auf inzwischen 70 Mitglieder vergrößert. Das Klientel sei gut durchmengt: Berufstätige, Sozialhilfeempfänger, auch ein Geflüchteter und eine Frau mit Handicap. Beim Alter reicht es von sieben bis um die 60 Jahre. „Man kann das traditionelle Taekwondo auch bis über 80 machen“, weiß Burghardt Kulawik aus Bekanntschaften. „Dieser Sport kann einen den ganzen Lebensweg begleiten“, versichert auch Katharina Haucke. Das Training werde ans Leistungslevel angepasst, gesamtheitlich und gesundheitsfördernd gestaltet. 

Dabei sieht man sich stets nur mit einem Rivalen konfrontiert: dem inneren Schweinehund. „Ich kämpfe nicht gegen jemanden, sondern immer nur mit mir selbst. Das Ziel ist, mich selbst zu verbessern, körperlich fitter zu werden und den Geist zu stärken“, erklärt die 28-Jährige, die Balletttänzerin war, ehe sie mit Taekwondo begann. Die Kunst der Selbstverteidigung zu erlernen, reizte sie und bewog zum Sportartenwechsel. „Ich genieße jedes Training“, sagt Katharina Haucke. „Mit meinen Gedanken bin ich dann nur bei mir und ich kann alle Power rauslassen.“ Was auch lautstark auf Koreanisch zu vernehmen ist.

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