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Als Provokation empfunden. Spieler des Fußballvereins Roter Stern Leipzig trugen bei ihrem Auswärtsspiel in Schildau das Soli-Shirt des SV Babelsberg 03. Der Gastgeber-Verein fühlte sich provoziert und verlangte einen Kleiderwechsel.

© Verein

SV Babelsberg 03 und seine Kampagne gegen Rechts: Shirts „Nazis raus aus den Stadien“ verboten

Der SV Babelsberg 03 hat eine bundesweite Kampagne gegen Rechtsradikale im Fußball gestartet. Roter Stern Leipzig beteiligte sich daran, wovon sich der Gegner provoziert fühlte. Daraufhin gibt es nun erneut einen offenen Brief an DFB-Chef Reinhard Grindel - diesmal kommt er aus der Politik.

Sie werden auf St. Pauli getragen, in Leipzig, in Babelsberg ohnehin. Mit seinen Shirts „Nazis raus aus den Stadien“ hat der SV Babelsberg 03 eine bundesweite Kampagne in Gang gesetzt. Neben der klaren politischen Botschaft, sich gegen fremdenfeindliche und rechtsextreme Umtriebe in Fußballstadien zu wehren, versteht der SVB seine Aktion auch als Solidaritätskampagne: Zum einem finanziert der Kiezklub mit einem Teil der Einnahmen seine Kosten für einen Rechtsstreit mit dem Nordostdeutschen Fußballverband (NOFV). Zum anderen will der SVB mit den Erlösen Initiativen und Aktionen gegen Rechts unterstützen.

Seit vergangenem Wochenende ist die Babelsberger Solidarität besonders gefragt. Spielern und Verantwortlichen des Fußballklubs Roter Stern Leipzig (RSL) wurde beim Auswärtsspiel gegen den TSV 1862 Schildau in der sächsischen Landesklasse Nord untersagt, das „Nazis-raus“-Shirt zu tragen. Der Gastgeberverein soll sich dadurch provoziert gefühlt haben, sodass er mit Hilfe der Polizei sein Hausrecht durchsetzte und die Shirts untersagte. Wie ein Augenzeuge den PNN berichtete, soll ein Sicherheitsordner des gastgebenden Vereins zu den Spielern von Roter Stern, die die Shirts zum Aufwärmen tragen wollten, gesagt haben: „So geht ihr nicht auf den Platz!“ Zu einer Konfrontation sei es nur deshalb nicht gekommen, weil Spieler und Offizielle die Shirts schließlich auszogen. Gleichzeitig konnten Medienberichten zufolge Schildauer Zuschauer Shirts mit Aufdrucken wie „NS ist machbar, Herr Nachbar“, „Stahlgewitter“ oder „Weißer arischer Widerstand“ unbehelligt tragen, Leipziger Fans und Spieler sollen als „Zeckenpack“ und „Judensterne“ beleidigt und bespuckt, nach Spielschluss mit Flaschen und Steinen beworfen worden sein.

Roter Stern Leipzig berichtet von häufigen Übergriffen

Der TSV 1862 Schildau betonte, dass es sich bei den Randalierern nicht um Mitglieder oder Fans des Vereins handle. Alexander Rabe, Sprecher des sächsischen Fußballverbandes, erklärte auf PNN-Anfrage, dass wegen der Vorfälle ermittelt wird. Vorwürfe, dass auch ein anwesender Verbandsvertreter für ein Ausziehen des Soli-Shirts plädiert habe, wies Rabe zurück: „Dazu sind wir gar nicht befugt.“ Es sei Angelegenheit des gastgebenden Vereins, dem das Hausrecht obliege.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Vereinsvertreter von Roter Stern Leipzig von derartigen Übergriffen berichten. Borna, Connewitz, Freital oder Schildau: „Vielerorts fühlen sich Nazis bestätigt und ermächtigt“, schrieb der Verein im vergangenen Mai in einem offenen Brief an den sächsischen Fußballverband. Schildau sei inzwischen der jährliche Tiefpunkt der Saison, meint ein RSL-Mitglied.

Auch fragwürdige Entscheidung des sächsischen Sportgerichts

Es gibt auffällige und irritierende Parallelen zwischen Sachsen und Brandenburg – oder Roter Stern Leipzig und dem SV Babelsberg 03. Als im vergangenen Frühjahr ein Fußballspiel in Borna abgebrochen werden musste, weil sich die Mannschaft von Roter Stern nach rechtsextremen Provokationen weigerte weiterzuspielen, verurteilte das Sportgericht des sächsischen Fußballverbandes den RSL zu einer Geldstrafe und begründete dies nach Darstellung des Leipziger Vereins mit „Provokationen“ und „Beleidigungen“ der Stern-Fans gegen Nazis unter den Bornaer Zuschauern. Der RSL nahm das Urteil zwar hin, kritisierte aber die Urteilsbegründung und las diese als „Ausdruck der tatsächlichen sächsischen Zustände“.

Zur Erinnerung: Nach dem Regionalligaspiel vom 28. April diesen Jahres gegen den FC Energie Cottbus wurde der SV Babelsberg 03 vom Nordostdeutschen Fußballverband (NOFV) ebenfalls zu einer erheblichen Geldstrafe verurteilt. Der NOFV schrieb in die Urteilsbegründung, dass ein SVB-Fan „Nazischweine raus“ gerufen hat, ließ aber unerwähnt, dass sich an die 100 Nazi-Randalierer im Gästefanblock austobten. Das Urteil hat bis heute Bestand und statt einer unmissverständlichen und zweifelsfreien Korrektur laviert der NOFV, dass der SV Babelsberg gar nicht wegen der Nazis-raus-Rufe bestraft worden sei.

Linke-Bundestagsabgeordnete wendet sich an Grindel

Die Vorfälle in Schildau und auch das „Vorgehen des NOFV gegen den SV Babelsberg 03“ hat die Linke-Bundestagsabgeordnete Martina Renner am gestrigen Dienstag zum Anlass genommen, einen offenen Brief an den Präsidenten des Deutschen Fußballbundes, Reinhard Grindel, zu schreiben. „Dass eine wichtige und klare Positionierung gegen Neonazis und Rassismus in einem Fußballstadion im 21. Jahrhundert in Deutschland als Provokation angesehen und unterbunden wird, nicht aber menschenverachtende und demokratiefeindliche Embleme und Symboliken, darf seitens des Deutschen Fußballbundes nicht unkommentiert bleiben“, schreibt die Linke-Politikerin. „Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass solche Einstellungen durch das Handeln der Verantwortlichen gedeckt und hofiert werden!“

Der Tenor dürfte DFB-Chef Grindel bekannt vorkommen. Erst vor wenigen Wochen bekam er vom SVB-Vorsitzenden Archibald Horlitz Post mit ähnlichem Inhalt. In seiner Antwort kündigte Grindel eine umfängliche Aufklärung der rechtsextremistischen Vorgänge während des Regionalliga-Derbys vom vergangenen April an. Gleichzeitig verteidigte er die Akteure des NOFV als integere Funktionäre. Vor allem der Vorsitzende des NOFV-Sportgerichts und auch Präsidiumsmitglied des sächsischen Fußballlandesverbandes, Stephan Oberholz, engagiere sich „vielfältig gegen Rechtsextremismus“, so Grindel. Umso bemerkenswerter, dass die Sportgerichtsurteile missverständlich und interpretierbar sind. Linke-Politikerin Renner formuliert daher in ihrem Brief an Grindel eine klare Forderung: Sie erwarte, dass „sich der DFB, sein Präsidium und seine Mitgliedsverbände ihrer Verantwortung bewusst sind und nicht Neonazis und Rassisten in den Stadien dadurch hofieren, indem ein friedlicher Protest ... unterdrückt wird“.

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