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Nachspiel. Für die Ausschreitungen bei der Partie Babelsberg gegen Cottbus wurden beide Vereine hart bestraft, doch die Urteilsbegründung erscheint im Falle des SVB sehr fragwürdig.

© Jan Kuppert

SV Babelsberg 03: Sind „Nazischweine-raus-Rufe“ verboten?

Das Sportgericht hat den Fußball-Regionalligisten SV Babelsberg zu einer Geldstrafe in Höhe von 7000 Euro verurteilt und begründet das unter anderem mit vermeintlich unsportlichen Verunglimpfungen. Der Verein wehrt sich dagegen, doch der Nordostdeutsche Fußballverband bleibt hart.

Potsdam/Babelsberg - Die Vereine der Nordostaffel der Fußball-Regionalliga haben am gestrigen Dienstag Post bekommen. „Material bezüglich der Verfolgung und Ahndung von Zuschauerfehlverhalten“ hatte der Nordostdeutsche Fußballverband (NOFV) verschickt. In neun Punkten ist darin aufgelistet, wie „rassistische und diskriminierende Äußerungen, grob unsportliche Verunglimpfungen sowie der Einsatz von Pyrotechnik“ verfolgt und bestraft werden sollen. Dabei offenbart der NOFV bereits im ersten Punkt eine gewisse Ohnmacht: Kommt es trotz aller Präventionsarbeit und Sicherungsmaßnahmen im Vorfeld der Spiele zu Fehlverhalten, ist dieses konsequent sportgerichtlich zu verfolgen. Denn nur mit präventiven Mitteln ließen sich Verstöße nicht verhindern. Daher bedürfe es neben aller Präventionsarbeit klarer repressiver Maßnahmen durch sportgerichtliche Sanktionierung.

"Krasses Missverhältnis" bei der Bestrafung

Was das heißt, bekommt derzeit der SV Babelsberg 03 zu spüren. Wegen der Verstöße Babelsberger Anhänger und Cottbuser Gäste-Fans während des Regionalligaspiels beider Mannschaften Ende April im Karl-Liebknecht-Stadion verurteilte das Sportgericht den SVB zu mehreren Tausend Euro Geldstrafe und drohte ein Geisterspiel an, sollten sich bis Ende des Jahres die Fans nicht an Verbote halten. Für das Sportgericht war ein hohes Maß an Verstößen erreicht, sodass es mit einer drastischen Strafe reagiert hat. Wiederholt wurde Pyrotechnik abgefackelt, rechtsextreme Störer aus dem Cottbuser Gästeblock stürmten den Platz, auch Babelsberger Fans versuchten, auf den Rasen zu gelangen, was von Ordnern schnell unterbunden wurde, zweimal musste das Spiel unterbrochen werden. Die „klare repressive Maßnahme“, die der NOFV in seiner Post erwähnt: 7000 Euro Strafe für den SVB; gegen den FC Energie wurden 10.000 Euro Strafe und ein Geisterspiel verhängt.

Beide Vereine haben gegen ihre Urteile Berufung eingelegt. Der SVB begründete seinen Widerspruch damit, dass die Urteilsbegründung nicht erkennen lasse, was man dem Verein tatsächlich vorwerfe. Vielmehr berücksichtigte das Sportgericht es als strafmildernd, dass der Verein die „dringend erforderlichen Präventiv- und Sicherheitsmaßnahmen dargelegt und damit gezeigt hat, dass er ernsthaft bemüht ist, diesen Anforderungen mit effektiven Maßnahmen gerecht zu werden“. „Bis an die Grenze des Machbaren“, hatte der SVB-Vorstand die Sicherheitsvorkehrungen beschrieben, die er vor dem Cottbus-Spiel veranlasst hatte. Wie dennoch verhindert werden kann, dass Pyrotechnik abgefackelt wurde, weiß selbst der NOFV nicht, wie er in seinem Neun-Punkte-Handout offenbart. Auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) weiß es nicht, wie es in seinem Pokalfinale im Mai im Berliner Olympiastadion – leuchtend – zu sehen war. Auch die Deutsche Fußball Liga weiß es nicht, weshalb Bundesligavereine immer wieder Geldstrafen zahlen müssen, weil ihre Fans Bengalos und Feuerwerkskörper abbrennen. Dass nach dem Willen des NOFV-Sportgerichts der SVB als klammer Viertligist genauso viel zahlen soll wie millionenschwere Bundesligaklubs, bezeichnet Nulldrei-Vorstandschef Archibald Horlitz als „krasses Missverhältnis“.

Cottbuser Nazi-Gejohle nicht angeprangert

Noch weitaus fragwürdiger scheint der Blickwinkel, aus dem das Sportgericht diskriminierende Äußerungen von Fans während des brisanten Derbys betrachtet und ahndet. Der aus dem Urteil herauszulesende Tatvorwurf gegen den SVB ist der Ruf eines Fans aus der Nordkurve „Nazischweine raus“ via Gästeblock. Dort trugen nachweisliche Anhänger rechtsextremer Gruppierungen ihre Gesinnung mit Hitlergrüßen und Nazi-Parolen deutlich zur Schau.

„Entschuldigung“, kommentiert das Fußballmagazin „11Freunde“ das Urteil, „aber man wird ja wohl noch Menschen, die öffentlich den rechten Arm zum Gruß heben und dabei aus Konzentrationslagern zitieren, so nennen dürfen, wie sie es verdient haben: Nazis.“ Dass vom Sportgericht anderseits das Nazi-Gejohle im Gäste-Block unerwähnt und unkommentiert bleibt, irritiert. Zu übersehen sind die Bilder nicht – unter anderem hat das Jüdische Forum Live-Aufnahmen aus dem Gäste-Fanblock in sein soziales Online-Netzwerk gestellt.

Widerspruch als nicht erfolgsversprechend eingestuft

Am vergangenen Montag hat der SVB vom NOFV eine Antwort erhalten auf seine Berufung. Das Verbandsgericht als nun zuständige Instanz geht nicht davon aus, dass der Widerspruch Erfolg haben wird. Verfahrensfehler habe der SVB bislang dem Sportgericht nicht aufzeigen können. Hingegen gebe es Zweifel, ob die Berufung des Vereins formal korrekt und daher überhaupt zulässig sei. „Natürlich halten wir an der Berufung fest“, sagt SVB-Chef Horlitz. Er halte es für bedenklich, dass mit einer langen Begründung, warum die Berufung keine Erfolgschancen haben soll, bereits „alle möglichen Aspekte ohne die Durchführung eines Verfahrens selbst wegargumentiert werden“. Zudem wolle der Verein beantragen, dass an einer Berufungsverhandlung Medienvertreter teilnehmen, da ein öffentliches Interesse bestehe und keine Persönlichkeitsrechte verletzt würden.

In seiner langen Begründung zählt das Verbandsgericht auf, worauf sich das Sportgericht bei seiner Entscheidung für die SVB-Strafe stützt: Neben dem Abbrennen von Pyrotechnik zitiert es den Ruf: „Nazischweine raus!“ Offenbar hält auch das NOFV-Gericht das für eine Straftat. 

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