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Eindeutig und klar ist die Stellungnahme des FC Energie Cottbus.

© PNN

SV Babelsberg 03: Nazi-Krawalle im Stadion – NOFV will nichts gewusst haben

Der Nordostdeutsche Fußballverband hält sein Urteil gegen den SV Babelsberg 03 nach dem Cottbus-Skandalspiel mit fragwürdigen Erklärungen aufrecht. Etwa habe man keine Kenntnis von den rechtsradikalen Auswüchsen im Energie-Block, die zur zivilcouragierten Reaktion auf SVB-Seite sorgte, gehabt.

Die einen verschicken Offene Briefe, die anderen fordern Gegendarstellungen: Der Konflikt zwischen dem Nordostdeutschen Fußballverband (NOFV) und dem SV Babelsberg 03 spitzt sich zu. SVB-Präsident Archibald Horlitz hat am vergangenen Montag in einem Schreiben an den Chef des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Reinhard Grindel, appelliert, dass der größte deutsche Sportverband seine gesellschaftspolitische Verantwortung übernehmen und für eine Klärung des Streits sorgen soll. Währenddessen verlangt der NOFV in einer Mitteilung am gleichen Tag vom SVB die Rücknahme der vermeintlich ehrverletzenden Äußerungen, dass der Verband die fatalen Folgen seines Urteils nicht erkenne und damit rechtes Gedankengut in Fußballstadien salonfähig mache.

Nulldrei-Anwalt Nathan Gelbart redet Klartext über Verband

Im Kern geht es um das Urteil des NOFV-Sportgerichts nach dem Regionalligaspiel gegen Energie Cottbus Ende April, bei dem mehrfach Pyrotechnik gezündet, wiederholt der Platz gestürmt wurde und es im Cottbuser Gästeblock durch szenebekannte rechte Fangruppen zu massiver fremden- und verfassungsfeindlicher Hetze kam. Der SVB wurde in der Folge zu 7000 Euro Strafe verurteilt – und wehrt sich seitdem vehement gegen das Urteil. Vor allem ein Teil in der Urteilsbegründung hält der SVB für einen Skandal, sorgt inzwischen deutschlandweit für Aufsehen und führte letztlich zum Offenen Brief von Nulldrei-Chef Horlitz an den DFB. Neben der Auflistung der Pyro-Verstöße schreibt das NOFV-Sportgericht in seiner Begründung der Strafe, dass ein Nulldrei-Fan aus der Nordkurve „Nazischweine raus“ gerufen hat. Für den SVB – und weite Teile der Öffentlichkeit – war es völlig unverständlich und nicht zu akzeptieren, dass der Verein dafür bestraft werden soll.

Wurde er auch nicht, behauptet nun der NOFV und meint, dass diese Passage im Urteilstext „nur der vollständigen Darstellung des Sachverhaltes diente“ und ausdrücklich nicht bei der Bewertung des Strafmaßes eingeflossen sei. Also alles ein Missverständnis? Nicht für Rechtsanwalt Nathan Gelbart, der den SVB vertritt: Unter den Gründen, die der NOFV für sein Urteil nennt, wird bereits im dritten Satz der Ruf des SVB-Fans aufgeführt. „Demzufolge wird das Urteil eindeutig und offensichtlich auch mit diesem Sachverhalt begründet“, so Gelbart. Tatsächlich beruft sich der NOFV bei seinem Urteil auf jenen Paragrafen seiner Rechtsordnung, nach dem „beleidigende Handlungen in Wort und/oder Gestik sowie Mimik, in Beschimpfungen, Schmähungen“ geahndet werden. „Wenn der NOFV nunmehr von einem nicht existenten Urteilstatbestand fantasiert, ist dies doch sehr verwunderlich. Entweder liest der NOFV seine eigenen Urteile nicht oder hält die Beteiligten für Analphabeten“, sagt Gelbart.

Nazis im FCE-Block: Viele Berichte und umfangreiche Stellungnahmen

Und noch immer stellt sich die Frage, warum der Fan-Ruf überhaupt im Urteil notiert wurde, während das rechtsextreme Gegröle im Gästeblock keinerlei Erwähnung fand – weder im Urteil für den FC Energie Cottbus noch im Urteil des SVB. Hier behauptet nun der NOFV: „Rassistische Fehlhandlungen von Anhängern, wie das Zeigen des Hitler-Grußes oder das Grölen rechter Parolen, sind in den vorliegenden Berichten des Spielleiters, der Schiedsrichter und der NOFV-Sicherheitsaufsicht nicht enthalten und waren daher den Mitgliedern des NOFV- Sportgerichtes bei Urteilserlass nicht bekannt ... Auch der SV Babelsberg hat in seiner ausführlichen Stellungnahme im Sportgerichtsverfahren zu derartigen Handlungen der Cottbuser Anhänger nichts vorgetragen.“

Das ist jedoch nur schwer nachzuvollziehen. Nicht nur, dass in etlichen Zeitungen, im Fernsehen und in sozialen Netzwerken ausführlich über die Auswüchse rechter Cottbuser Fangruppen wie „Inferno“ im Karl-Liebknecht-Stadion berichtet wurde. Beide Vereine haben unmittelbar danach auf ihren Webseiten Stellung bezogen. So hieß es auf der Energie-Webseite vier Tage nach dem Spiel: „Unverändert wirken diese Vorkommnisse in all ihren furchtbaren Umfängen und Ausmaßen. Das Spiel ist missbraucht worden, nicht, wie es so oft in den letzten Tagen behauptet wurde, von Energiefans, sondern von Kriminellen und Gewalttätern, die leider das Brandenburgderby für sich genutzt haben, um Straftaten auszuüben und politisch aktiv zu sein ... Wir sprechen hier von Personen, die sowohl der losen als auch organisierten rechtsextremen Klientel zuzuordnen sind.“ In ihren Stellungnahmen an das NOFV-Sportgericht gehen der SVB und der FC Energie auf die Vorkommnisse ein – letzterer sogar sehr ausführlich. Unter anderem wird dort von den intensiven Bemühungen geschrieben, rechte Fangruppen wie „Inferno“ und „Unbequeme Jugend Cottbus“ aus den Stadien zu verbannen. Ausdrücklich wird in der Cottbuser Stellungnahme das Sportgericht darum gebeten, „Zivilcourage“ zu würdigen.

Verband sieht nach Prüfung keine Möglichkeit der Urteilsänderung

In seiner Stellungnahme schreibt der SVB von einer „unermesslich hohen Anzahl von verfassungsfeindlichen und volksverhetzenden Entgleisungen im Gästeblock“. Die Cottbuser Erklärung wurde am 7. Mai, die Babelsberger am 11. Mai dem Sekretariat des NOFV-Sportgerichts zugesandt. Es selbst schreibt in seiner Urteilsbegründung, dass Grundlage für die Urteilsfindung neben TV- und Videoaufnahmen „die Stellungnahmen der beteiligten Vereine“ war. Nach deren Lektüre lässt sich schwer behaupten, vom rechtsextremen Treiben im Gästeblock nichts gewusst zu haben.

Die Fragen der PNN an den NOFV, wie der Widerspruch zwischen angeblich fehlender Kenntnis von den rechten Krawallen im Gästeblock und den eindeutigen Stellungnahmen zu erklären ist, hat der Verband am gestrigen Dienstag nicht beantwortet. Indes erklärte NOFV-Präsident Rainer Milkoreit, dass vom Verbandspräsidium am vergangenen Donnerstag alle „Umstände nochmals kritisch hinterfragt und bewertet worden sind und leider keine Möglichkeiten bestehen, das zwischenzeitlich rechtskräftige Urteil gegen den SV Babelsberg 03 aufzuheben oder abzuändern“.

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