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Verschlossene Tür. Im Fanladen des SV Babelsberg 03 findet derzeit keine koordinierte Sozialarbeit statt.

© Peter Könnicke

SV Babelsberg 03: Im Niemandsland

Seit Monaten liegt das Fanprojekt des Fußball-Regionalligisten SV Babelsberg 03 brach. Das ist riskant, die Folgen sind bereits spürbar. Als Problem erweist sich die Personalbesetzung - aber nicht nur in Babelsberg, sondern deutschlandweit.

Fußball-Fans sind keine einfache Klientel. Leidenschaft, politische Weltanschauungen, Subkulturen, Gesellschaftskritik, Rebellion – vieles findet seinen Ausdruck und seinen Platz in verschiedensten Fanszenen. Häufig emotional, zuweilen auch gewalttätig und radikal.

Fehlender Anlaufpunkt hemmt den Dialog

Auch beim Regionalligisten SV Babelsberg 03 herrscht nicht immer Einklang zwischen Fans, Verein und Mannschaft. Alles andere als harmonisch ging es zu, als vor wenigen Wochen im Heimspiel gegen Fürstenwalde in der Nordkurve Bengalos brannten, während sich die Vereinsspitze gleichzeitig gegen überzogene Strafen des Nordostdeutschen Fußballverbandes wegen des Abbrennens von Pyrotechnik wehrte. Die Mannschaft verwehrte der Nordkurve nach Spielende den üblichen Dank, etliche Fans erbosten sich daraufhin lautstark vor der Kabine. Inzwischen sind die Wogen geglättet, Vereinsführung und Fanszene bemühen sich um regelmäßigen Austausch. Doch wird dieser erschwert, weil das wichtigste Fanprojekt in Babelsberg – der Fanladen in der Karl-Gruhl-Straße – seit Monaten brach liegt und dessen Zukunft unsicher ist.

Die Projektleiterin kündigte im August, die zweite Mitarbeiterin ist seitdem krank. Wer in den Fanladen will, steht vor verschlossenen Türen, koordinierte Fanarbeit und -betreuung gibt es derzeit nicht. Mit spürbaren Folgen. „Funktionierende Fanprojekte sind Brücken für den Dialog mit den Vereinen und Verbänden. Sie können wichtige Übersetzerarbeit leisten“, sagt Michael Gabriel von der bundesweiten Koordinationsstelle für Fanprojekte (KOS). Dass dies fehlt im Kiez, sei zu merken, warnt Max Henning vom Fanbeirat des SV Babelsberg 03. So werde es ohne eine Moderation , die ein Fanprojekt-Mitarbeiter leisten kann und soll, schwierig, Konflikte mit Fans zu klären und einen angemessenen und konstruktiven Dialog zu führen.

Höchst anspruchsvolles Feld der Sozialarbeit

Seit 1993 begleitet die KOS sozialpädagogisch arbeitende Fanprojekte – aktuell sind es bundesweit 60. Der Babelsberger Fanladen gehört seit dem Aufstieg des Kiezklubs in die zweite Liga vor 17 Jahren dazu. Unter Trägerschaft des Diakonischen Werkes entwickelte sich der Fanladen zu einem zentralen Anlaufpunkt der Nulldrei-Anhänger: Hier wurden Choreografien für Heimspiele vorbereitet, Auswärtsfahrten organisiert, Integrations- und Sozialarbeit im besten Sinne geleistet. Für seine Antirassismusarbeit wurde das Fanprojekt Babelsberg 2007 mit der Ehrengabe zum Theodor-Haecker-Preis der Stadt Esslingen ausgezeichnet.

Nach der Insolvenz des Diakonischen Werkes 2014 übernahm die Stiftung SPI, das Sozialpädagogische Institut Berlin, die Trägerschaft. Dessen Beschäftigungspolitik, die Sozialarbeiter für das Fanprojekt nur mit befristeten Verträgen auszustatten, wirkt sich kontraproduktiv auf die Fanarbeit aus und provozierte viel Unmut in der Fanszene, vor allem als zu Jahresbeginn der bis dahin tätige und von den Fans geschätzte Projektleiter gehen musste. „Gerade Fanarbeit hat viel mit Vertrauen zu tun, wofür es personelle Kontinuität braucht“, sagt Max Henning. Doch genau die gibt es immer weniger – nicht nur in Babelsberg. Für etwa die Hälfte der von der KOS begleiteten Fanprojekte in Deutschland werden derzeit Mitarbeiter gesucht. „Ja“, sagt KOS-Chef Gabriel, „es gibt eine erhöhte Fluktuation und eine geringe Verweildauer von Mitarbeitern in Fanprojekten.“ Die Arbeit sei anstrengend und zeitintensiv. Gabriel kenne im Bereich der Sozialarbeit kein vergleichbares Feld, das inhaltlich so anspruchsvoll sei und derart vielen Erwartungshaltungen gerecht werden müsse. „Als Mitarbeiter eines Fanprojektes bewegt man sich in einem Spannungsfeld zwischen Fans, Vereinen, Verbänden, Polizei und Politik“, meint der KOS-Chef.

Aufbegehren der SVB-Fans gegen einen Bewerber

Genau diese Erfahrungen macht gerade SPI-Bereichsleiter Stefan Zabrowksi bei der Suche nach neuen Mitarbeitern für das Babelsberger Fanprojekt. Die Stelle der Projektleitung ist ausgeschrieben, die Bewerbungsfrist endet am 20. November. Es gibt einige Bewerbungen, „viele sind es aber nicht“, sagt Zabrowksi. Gegen einen aussichtsreichen Kandidaten, der alle notwendigen Qualifikationen mitbrachte, begehrte ein Teil der Babelsberger Fanszene auf: Der Interessent war wohl wegen seiner offenkundigen Sympathien für Hansa Rostock bekannt. „Wir arbeiten weiter mit Hochdruck an einer Lösung“, versichert Zabrowski, denn ihm sei die Situation und der Bedarf in Babelsberg sehr wohl bewusst. Auch KOS-Leiter Gabriel appelliert, schnell eine Lösung zu finden.

Wie Fanarbeit in Babelsberg funktionieren kann, hat Lutz Boede viele Jahre miterlebt. „Über Jahre wurden von Fan-Generationen Wertevorstellungen, Umgangsformen mit der Mannschaft und Verhaltensregeln weitergegeben.“ Je länger der Fanladen geschlossen bleibt, desto größer die Gefahr, wieder bei Null anfangen zu müssen. „Eine Katastrophe“, warnt Boede, der inzwischen Geschäftsführer der Fraktion „Die Andere“ im Potsdamer Stadtparlament ist. Diese hat nun eine Anfrage an die Stadtverwaltung gestellt, wie es mit dem Fanprojekt weitergeht. Schließlich finanziert die Stadt neben dem Land und dem DFB die beiden Personalstellen. Die Antwort dürfte Fans – und auch Steuerzahler – wenig befriedigen: Eine zufriedenstellende Lösung gebe es bisher noch nicht, aber „perspektivisch sind sich alle Partner mit den Förderern einig, in halbjährlichen Steuerungsrunden die Belange des Fanprojektes besser abzustimmen und zu koordinieren“.

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