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Schmuckkästchen. Das Ernst-Thälmann-Stadion auf einer Postkarte um 1955.

© Klaus Hellenthal

Stadtgeschichte: 70 Jahre Ernst-Thälmann-Stadion Potsdam

Vor 70 Jahren, am 3. Juli 1949, wurde das Ernst-Thälmann-Stadion in Potsdam eröffnet. Es war Deutschlands erster großer Sportstättenneubau nach dem Zweiten Weltkrieg.

Einmal im Jahr, zuletzt am vergangenen Wochenende, ist der Potsdamer Lustgarten beim Stadtwerkefest eine große Bühne und Veranstaltungsstätte. Ansonsten dämmert der Platz meist ruhig vor sich hin. Ein halbes Jahrhundert lang herrschte dort aber fast durchweg aktiver Hochbetrieb, als mitten im Stadtzentrum zwischen Marstall, Alten Markt und Havelbecken das Ernst-Thälmann-Stadion stand. 1999 wurde es abgerissen, musste Platz für die Bundesgartenschau machen. Am heutigen Mittwoch vor 70 Jahren, dem 3. Juli 1949, war die Sportstätte offiziell eingeweiht worden und wurde zu einem wichtigen Ankerpunkt in der Stadt.

Das Ernst-Thälmann-Stadion war der erste große Sportstättenneubau in Deutschland nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Auf dem einstigen Exerzier- und Paradeplatz wurde es – umrahmt von den Ruinen der zerstörten Potsdamer Mitte – errichtet. In rund 45 0 000 freiwilligen Arbeitsstunden bauten Polizisten, die etwa 250 Mitglieder des damaligen PSV Potsdam und viele andere Helfer aus den Trümmern die Zuschauertribünen, technische Einrichtungen, einen Rasenplatz, die 400-Meter-Laufbahn und weitere Außenanlagen.

Nach einem ersten Testlauf der Anlagen beim Sportfest der Landespolizeibehörde am 1. Juli 1949 folgte zwei Tage später die offizielle Eröffnung. An diesem Ereignis nahmen unter anderem Wilhelm Pieck, wenige Monate später zum Präsidenten der DDR gewählt, und Rosa Thälmann teil. Ihr Ehemann Ernst war Vorsitzender der Kommunistischen Partei und war 1944 im Konzentrationslager Buchenwald von Nazis erschossen worden. Nach ihm wurde das Stadion in Potsdam benannt. 20.000 Zuschauer füllten restlos die Ränge des weiten Runds bei der Einweihung. Und der Chef der Landespolizeibehörde, Richard Staimer, betonte in seiner Begrüßungsansprache: „Im sportlichen Wettkampf sollen hier die Kräfte für den Frieden und für die Einheit gestählt werden. Das ist Zweck und das Ziel unseres Stadions.“

Anfangs wurde das Thälmann-Stadion vorrangig von Polizisten im Dienstsport genutzt. Nach der Gründung der Sportvereinigung „Deutsche Volkspolizei“ am 3. April 1950 befand sich an dem Standort aber fortan auch ein Leichtathletikschwerpunkt. Mancher, der dort hart trainiert hatte, gelangte zu internationalen Ehren. Dazu zählten Christa Fischer-Stubnick, die bei den Olympischen Spielen 1965 zwei Silbermedaillen im Sprint holte, sowie Ilona Slupianek, Kugelstoß-Olympiasiegerin 1980 und bis heute Deutsche Rekordhalterin. Aber auch Kevin Kuske erlernte im Trainingszentrum der SG Dynamo Potsdam das Sprinten, ehe er später dank dieser Grundlagen zum erfolgreichsten Bobanschieber der Olympiageschichte reifte. Und sogar die tschechoslowakische Lauflegende Emil Zatopek trainierte in Potsdams Mitte.

Stabhochsprung-Europarekord mit Bambusstab

Bei Länderkämpfen und Meetings waren internationale Top-Athleten im Wettstreit zu erleben. Der Olympia-Zweite Enrique Figuerola aus Kuba sprintete auf der roten Aschebahn die 100 Meter in 10,3 Sekunden, während der Leipziger Manfred Preußger 1957 im Thälmann-Stadion einen Stabhochsprung-Europarekord aufstellte – 4,52 Meter, noch mit Bambusstab und Landung im Sand.

Zudem hatten Mannschaftssportarten dort ihr Zuhause. Rugby war ein Schwerpunkt. Die Fußballer der Volkspolizei trugen Anfang der 1950-er-Jahre ihre Ligapunktspiele dort aus und durften 1951 die damals berühmte Elf von Dynamo Moskau zu einer Freundschaftspartie empfangen. Vor mehreren tausend Zuschauern kickten auch die Frauen von Turbine Potsdam unter der Regie ihrer Trainerikone Bernd Schröder. Besondere Highlights im dann prall gefüllten Thälmann-Stadion waren die drei Etappenankünfte der Friedensfahrt. 1966, 1970 und 1973 wurde über den staubigen Grund mit Rennrädern Richtung Ziel gesprintet. In der „Arena“ begann Mitte der Sechziger auch die einmalige Erfolgsbilanz des Potsdamer Fanfarenzuges, der inzwischen zig nationale und internationale Meistertitel erspielen konnte.

Neben der sportlichen Nutzung fanden viele kulturelle Veranstaltungen im Thälmann-Stadion statt – wie die Sommerfilmtage, Konzerte und Ausstellungen. 1990,1991 und 1993, zur 1000-Jahrfeier der Stadt, war es jeweils Ort einer großen Polizeischau vor bis zu 8000 Zuschauern. Im Jahre 1974 wurde das Pressefest vor 20.000 Besuchern eröffnet.

Ende der Achtziger wurden die Stadionanlagen einschließlich des Rasens noch einmal für knapp zwei Millionen Mark modernisiert. Nach 1989, als der neu gegründete PSV Potsdam dort ansässig wurde, schoben sich das Ministerium des Innern und die Stadt die Verantwortlichkeit hin und her. Die Instandhaltung stockte, der bauliche Zustand wurde immer schlechter. Schaden richteten auch dortige Hubschrauberlandungen an. Als zum Beispiel im April 1991 Belgiens Königin Beatrix in Begleitung vom damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker zu Besuch nach Potsdam kam, wurden durch den Wirbel der Rotoren Kunststoffbelege herausgerissen und Flutlichtlampen zerstört.

Die BuGa war das Ende

Am 30. Mai 1994 ging die Sportstätte vom Innenministerium an die Stadt über. Im gleichen Jahr besuchte der Präsident des Deutschen Sportbundes Hans Hansen die Stätte, wo ihm seinerseits kommunale Vertreter eine Verjüngungskur für das Stadion zusicherten – die Rekonstruktion solle nächstes Jahr im Sport- und Entwicklungsplan von Potsdam ausgewiesen werden, hieß es seinerzeit. Doch dazu kam es nicht. Im Zuge der Mitte-Neugestaltung für die Bundesgartenschau 2001 fand das Ernst-Thälmann-Stadion sein Ende. Das große Problem für die dort beheimateten Vereine war, dass keine gleichwertige Anlage als Alternative errichtet wurde, wie es zunächst angekündigt worden war. Bis heute fehlt ein adäquater Ersatz. So wurde etwa dem Fußballverein Potsdamer Kickers später als neue Heimat lediglich ein Kunstrasenplatz an der Kirschallee zugeteilt. Ein Feld mit Minimum-Format, auf dem man mit einem Bein im Seitenaus und dem anderen im Strafraum stehen kann.

Der Abriss des Ernst-Thälmann-Stadions hinterließ ein Loch im Potsdamer Sportleben. Die Stadt verlor einen geschichtsträchtigen Ort – und viele Kapazitäten für Training und Wettkampf. Sollte es gelingen, eine ähnliche Stätte irgendwo im Stadtgebiet zu bauen, wäre das ein großer Erfolg hinsichtlich der angespannten Sportplatzlage.

Gerhard Pohl

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