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Meistens eine Einheit. Die Fans des SV Babelsberg 03 freuen sich nach einem Erfolg gern mit ihrer Mannschaft. Nach einigen Spielen ohne den erhofften Punktgewinn wurde das Team zuletzt jedoch auch schon mal lautstark kritisiert.

© Jan Kuppert

Sport: Sport und Kommerz – ein ständiger Drahtseilakt

Der SV Babelsberg 03 ist inzwischen eine feste Adresse in Deutschland geworden – schließlich ist er einer von 56 Profiklubs in der Republik.

Mit schöner Regelmäßigkeit kommt es vor, dass die Gästetrainer im Karl-Liebknecht-Stadion ein Lob aussprechen. Ein Lob für den SV Babelsberg, egal, ob sie zuvor mit ihrer Mannschaft gewonnen oder verloren haben. Sie heben dann die „sehr angenehme Atmosphäre“ hervor und sagen Sätze wie „Wir kommen gern nach Babelsberg“ oder „Es ist schon erstaunlich, wie dieser kleine Verein es schafft, sich mit derart geringen Mitteln in der 3. Liga zu behaupten“. Für solche Komplimente kann sich Babelsberg 03 zwar nichts kaufen. Aber sie machen deutlich, dass der Verein inzwischen eine feste Adresse in Fußball-Deutschland ist.

Babelsberg ist schließlich einer von 56 Profiklubs in der Republik – noch, muss man angesichts der aktuellen Situation sagen. Dabei ist das dritte Drittligajahr in Folge kaum anders als die beiden ersten, in denen jeweils kurz vor dem Saisonende der Klassenerhalt gesichert wurde. Babelsberg spielt immer am Limit, sportlich wie finanziell. Das gehört bei den Nulldreiern schlichtweg dazu. Gleichfalls positiv wie negativ: Langeweile ist seit Jahren ein Fremdwort am Babelsberger Park, auch – oder vor allem – weil sich die eigenen Fans einmischen. Sie machen sich Sorgen um ihren Verein, wollen mitbestimmen. Und die Vereinsführung muss ihre Fans ernst nehmen. Etwas anderes kann sie sich nicht leisten, auch wenn sich wohl so manch einer aus der Vorstandsriege wünscht, dass einige Fans und Mitglieder etwas weniger Politik machen würden. Der Mann mit dem dicken Geldkoffer ist jedenfalls nicht automatisch willkommen. Und eine aus Sicht der Fans politisch nicht korrekte Werbung auf der Trikotbrust wird der harte Kern auf der Stehplatztribüne nie akzeptieren.

Das alles kommt zumindest bei den Anhängern anderer Vereine ebenso prima an wie das Abspielen des Vereinsliedes der Gäste kurz vor dem Anpfiff – alles andere als eine Selbstverständlichkeit in deutschen Stadien. Innerhalb der gut vernetzten Fan-Szenen steht Babelsberg 03 jedenfalls besser da, als es der derzeitige Tabellenplatz in der 3. Liga aussagt. Für den Vorstand wird die Arbeit dadurch aber nicht unbedingt einfacher. Dennoch muss sich die Vereinsspitze immer der schwierigen Aufgabe stellen, den „etwas anderen Verein“ mit seiner nunmehr 110 Jahre langen Tradition zu führen.

Apropos Vereinsspitze: Die ständigen personellen Wechsel im Vorstand und im Aufsichtsrat haben dem Verein zuletzt alles andere als gut getan. Es scheint, als würde die Uhr ständig zurück auf Null gedreht, um gemeinsam einen Neustart zu wagen. Aktuell fehlt den Profis ein Ansprechpartner hinsichtlich anstehender Vertragsverlängerungen. Sechs Wochen vor dem Saisonende herrscht keinerlei Planungssicherheit für das kommende Spieljahr. Jetzt, wo die Konkurrenz in der Regel längst einen Großteil des neuen Kaders unter Dach und Fach haben sollte, weiß nicht einmal der Trainer, ob er nach dem 30. Juni für Babelsberg 03 arbeiten darf oder nicht. Dieser Schwebezustand darf nicht mit der offenen sportlichen Situation begründet werden, weil im Moment niemand wissen kann, ob der Verein in der neuen Saison Dritt- oder Viertligist ist. Die unsichere Zukunft beim Trainer und bei einigen Spielern wirkt sich zwangsläufig auf die Leistung aus. Acht Platzverweise in 28 Spielen – negativer Spitzenwert der Liga – passen da irgendwie ins Bild, egal, ob sie berechtigt waren oder nicht. Und weil der Verein auch noch nicht das Geld für den Etat der kommenden Saison zusammen hat, verliert er das Vertrauen beim Personal.

Dass Babelsberg 03 seit dieser Woche nunmehr von einem Notvorstand geführt werden muss, ist wohl der Gipfel an negativen Schlagzeilen, die der Verein in jüngster Zeit produziert hat. Nahezu kein Fettnäpfchen wurde in den vergangenen Monaten ausgelassen – sei es die fristlose Kündigung des Ersatztorwarts mit anschließendem Gang vors Arbeitsgericht, die in der Öffentlichkeit ausgetragene Fehde mit Turbine Potsdam oder die Beurlaubung des Geschäftsführers, nachdem dieser erst wenige Tage zuvor in den Vorstand gehievt worden war. Obwohl die Spiele zuletzt wetterbedingt immer wieder ausfielen, gab es abseits des Platzes reichlich über Babelsberg 03 zu berichten. Leider hielt sich das Positive in Grenzen.

Dabei hat die Mannschaft zweifelsohne das Format, die 3. Liga zu halten. Das hat sie in der Hinrunde zumindest auf eigenem Platz mehrfach bewiesen. Aufstiegskandidaten wie Osnabrück und Münster mussten im Karl-Liebknecht-Stadion Niederlagen quittieren. Der aktuelle Tabellenführer Karlsruher SC war froh, mit einem 0:0 davongekommen zu sein. In Babelsberg zu gewinnen, das ist nicht einfach. Das hatte sich in der Liga schon vor Saisonbeginn längst herumgesprochen.

Aber hat auch die Vereinsführung Drittligaformat? Von einem festen Fundament und gewachsenen Strukturen außerhalb des grünen Rasens kann jedenfalls seit dem Aufstieg ins Profigeschäft im Sommer 2010 keine Rede sein. Es ist wohl eher ein ständiger Akt auf dem Drahtseil, den die Verantwortlichen zu vollführen haben. Zuletzt sind einige herunter geplumpst. So ist das, nicht nur im Fußball. Ein etwas anderer Verein verlangt halt auch eine etwas andere Vereinsführung.

Ulli Meyer (48) ist Redakteur der „Fußball-Woche“ und berichtet seit mehreren Jahren von den Heimspielen des SV Babelsberg 03.

Ulli Meyer

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