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Schwimmer in Potsdam: Absprung von der Leiste

Seit einigen Monaten trainieren Potsdams Rückenschwimmer mit einer neuen Starthilfe. Diese wird bei der anstehenden nationalen Meisterschaft erstmalig in Deutschland eingesetzt.

Von Tobias Gutsche

Potsdam - Startblock 6 an der Fensterfront der Schwimmhalle am Luftschiffhafen ist gerade besetzt. Nicht etwa von einem Athleten, der gleich ins Wasser springen wird. Sondern von einer technischen Innovation des Schwimmsports. In zwei Laufschienen ist das weiße Gestell auf der Oberseite des Blocks eingehängt. Zwei seitlich daran befestigte Bänder baumeln hinunter ins Becken und sind durch eine schwarze Leiste miteinander verbunden, die parallel zur Wasseroberfläche an der Wand anliegt. Es ist eine Starthilfe für Rückenschwimmer. Von der keilförmigen Strebe, auf der die Füße stehen, können die Sportler kraftvoller abspringen als von der senkrechten Wand. Mitte März wurde die Starthilfe bei einer Versammlung des Deutschen Schwimm-Verbands in Potsdam offiziell für den nationalen Wettkampfgebrauch freigegeben – bei der am Donnerstag in Berlin beginnenden Deutschen Meisterschaft wird sie erstmalig zum Einsatz kommen.

Die Potsdamer Rückenspezialisten sind bereits mit der Starthilfe vertraut. „Seit einigen Monaten nutzen wir sie im Training“, erzählt Vize-Europameister Christian Diener, der die Neuerung auch schon im Wettkampf erprobt hat. „Ich kenne sie von der Weltcup-Serie und anderen Meetings im Ausland.“

Bessere Startzeiten

Die Einführung dieser Technik für Rückenschwimmer lässt sich als Akt der Gleichberechtigung bezeichnen. Denn für alle, die oben vom Block starten, gibt es bereits seit 2009 eine Unterstützung für den Absprung. Ein zusätzliches, geneigtes Trittbrett für den hinteren Fuß ermöglicht seitdem, sich in der Schrittstellung kräftiger abzustoßen. Diverse Untersuchungen haben ergeben, dass aufgrund einer deutlich höheren Absprunggeschwindigkeit bessere Startzeiten erreicht werden. Bis zu 0,2 Sekunden waren Probanden beim Durchqueren der 7,5-Meter-Marke schneller als beim Start von einem herkömmlichen Block.

Eine ähnliche Wirkung soll auch die Rückenstarthilfe haben. Das Gefühl beim Sprung sei auf jeden Fall ein ganz anderes, erzählt 200-Meter-Experte Felix Wolf: „Man springt höher und weiter, hat mehr Tempo. Dadurch besteht aber die Gefahr, dass man zu tief taucht – oder zu weit.“ Nur 15 Meter dürfen unter Wasser verbracht werden, bei Tests schossen einige über diesen Punkt hinaus. „Selbst wenn die Vorrichtung bei Wettkämpfen vorhanden ist, muss sie nicht verpflichtend genutzt werden. Man kann sie auch abnehmen“, sagt Potsdams Cheftrainer Jörg Hoffmann, der noch skeptisch gegenüber dem Absprung von der Leiste ist. „Einen richtig großen Vorteil hat das aber“, wirft Sprinter Carl Louis Schwarz ein. „Es gibt mehr Sicherheit, denn die Starthilfe ist leicht schräg und rau. Das verhindert, dass man abrutscht. An einer glatten Wand kann das schon mal passieren.“

Optimistischer Kampf um WM-Tickets

Christian Diener, Felix Wolf, Carl Louis Schwarz: Dieses Rücken-Trio des Potsdamer SV geht bei der Deutschen Meisterschaft in der Halle an der Landsberger Allee nicht nur auf die Jagd nach Titeln und Medaillen. Die Drei sind auch Anwärter auf eine Teilnahme an der Weltmeisterschaft Anfang August in Kasan. Die nationalen Titelkämpfe sind die erste von zwei Qualifikationsstufen dafür. In Berlin muss man im Vorlauf und Finale eine Norm knacken. Bei einem weiteren Wettkampf, der aus einem Angebot von fünf Meetings ausgewählt werden kann, müssen noch mal in Vor- und Endlauf entsprechende Zeiten erbracht werden. Jörg Hoffmann ist optimistisch, was den Kampf um die WM-Tickets angeht. „Vor allem Christian und Carl haben noch mal einen guten Schub gemacht. Ihre Wettkampfleistungen sind stabiler geworden“, meint der Coach.

Derweil wird Staffel-Europameister von 2014 Yannick Lebherz aufgrund muskulärer Probleme nicht bei der Deutschen Meisterschaft starten. „Lieber jetzt aussetzen als nächstes Jahr vor der Olympia-Qualifikation“, findet Hoffmann. Bis dahin wird dann auch die Rückenstarthilfe längst zur serienmäßigen Ausstattung bei nationalen und internationalen Meisterschaften gehören. 

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