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Es entlädt sich. Potsdams Top-Angreiferin Marta Drpa kann energiegeladen und explosiv schmettern wie kaum eine andere Spielerin der Liga.

© Gerhard Pohl

SC Potsdam: Zwischen Genie und Wahnsinn

Der Frauenvolleyball-Bundesligist SC Potsdam kämpft daheim im zweiten Playoffspiel gegen den Dresdner SC um den Halbfinaleinzug. Erfolg hängt bei der Potsdamer Mannschaft stark von Marta Drpa ab. Sie ist eine ganz spezielle Akteurin.

Von Tobias Gutsche

Davide Carli war in der aktuellen Saison unentwegt darum bemüht, nach außen Ruhe auszustrahlen. Für seinen Frauenvolleyball-Bundesligisten SC Potsdam lief es über weite Strecken der Hauptrunde nicht rund. Er forderte aber stets, Geduld mit der jungen Mannschaft zu haben. „Wir machen Fortschritte und wollen uns weiterentwickeln, um dann in den Playoffs unser Top-Niveau zu erreichen“, sagte der SCP-Cheftrainer gebetsmühlenartig. Das ist ihm und seinem Team gelungen.

"Das war unser bestes Spiel der Saison"

Vergangenen Samstag gewann der Tabellensiebte überraschend die erste Viertelfinalpartie beim Zweitplatzierten und Titelanwärter Dresdner SC. „Das war unser bestes Spiel der Saison“, findet Angreiferin Marta Drpa. Nun nochmal so eine Leistung, nochmal gewinnen – und der Potsdamer Verein steht erstmalig im Halbfinale der deutschen Meisterschaft. „Dafür werden wir kämpfen. Alles ist möglich“, erzählt Drpa vor dem zweiten Duell der „Best-of-Three“-Serie am Sonntag in der heimischen MBS-Arena (Beginn: 17 Uhr). Sie betont jedoch auch: „Dresden bleibt absoluter Favorit und wir sind immer noch ein Außenseiter, der einen sehr guten Tag hatte.“

Was vor allem damit zusammenhing, dass die Serbin selbst stark drauf war. Herausragende 31 Punkte steuerte sie zum Triumph bei. In der SCP-Fangemeinde wird gerne als ungeschriebenes Gesetz festgehalten: Läuft es bei Marta Drpa, läuft es beim Team. Viel Wahres ist daran. Die 28-Jährige, die 2016 an den Luftschiffhafen kam, ist eine Ausnahmekönnerin in der Frauenvolleyball-Bundesliga. 1,92 Meter groß, gertenschlank, mit ewig langen Armen und Beinen. Dabei wirkt es, als würde sie morgens die Körperspannung zuhause lassen. Wenig lässt beim Anblick dieses schlacksigen Körpers vermuten, dass von seinem linken Arm aus energiegeladene und explosive Schmetterbälle abgefeuert werden, wie es ligaweit kaum eine andere Spielerin besser hinbekommt. Mit 351 erzielten Punkten war Marta Drpa zweitbeste Scorerin der diesjährigen Hauptrunde, nur Schwerins Louisa Lippmann (358) war ein bisschen erfolgreicher. Ihr Potenzial schöpft Drpa aber noch lange nicht voll aus, meint Davide Carli: „Vor allem im mentalen Bereich kann sie noch viel herausholen.“

Wie Paul Gascoigne und George Best

Wenn man den Coach auf seine Top-Angreiferin anspricht, dann seufzt er und sagt: „Ach ja, Marta. Das ist eine ganz besondere Person. Sie hat ausgezeichnete Fähigkeiten im Volleyball – von ihr können wir alle jeden Tag etwas lernen. Sie ist gleichzeitig kompliziert und verrückt.“ Der Italiener zieht den Vergleich zu den ehemaligen Fußballstars Paul Gascoigne und George Best. Immer zwischen Genie und Wahnsinn. Jenes Motto passt zu Marta Drpa und im Umkehrschluss auch zur SCP-Mannschaft, die diese Saison sehr große Leistungsschwankungen zeigten. Von bärenstark bis desolat. Manchmal klappten die schwersten Dinge in Perfektion, manchmal die leichtesten nicht ansatzweise.

Häuft sich Letzteres bei Marta Drpa, erweckt die Frau mit der Trikotnummer eins, die zum Stressabbau während der Spiele Kaugummi kaut, für die Zuschauer oft einen lustlosen Eindruck. „Der ist aber falsch“, bekräftigt sie. Nach einem Training hat sie auf einer Holzbank in der MBS-Arena Platz genommen und zupft an weißen Tapepflastern, die ihre Finger vor Verletzungen schützen sollen. „Noch nie in meinem Leben hatte ich keine Lust bei einem Spiel. Ich möchte immer spielen. Aber ich möchte auch immer gewinnen“, sagt sie entschlossen. „Und wenn ich nicht gewinne, werde ich sauer. Dann zeige ich auch mal meine schlechte, trotzige Seite. Dennoch bin ich bei Spielen immer voll motiviert.“

Hoffen auf weiteren sehr guten Tag

Im Training, gesteht Drpa, habe sie da schon eher ihre Probleme. Daher kommt es auf Davide Carlis zwischenmenschliche Fähigkeiten an, damit sie jede Einheit alles gibt. „Marta ist eine Herausforderung. Ich muss einiges aus ihr herauskitzeln. Das macht aber auch Spaß“, sagt er. Aussagen, die sie zum verschmitzten Lächeln bringen. „Ich weiß, dass ich nicht gerade leicht zu händeln bin.“

Und alle beim SC Potsdam wiederum wissen, dass ihre linke Schmetterhand enorm wertvoll für die Mannschaft ist. Als Älteste und Erfahrenste im Kader stehe sie in der Pflicht, Verantwortung auf dem Feld zu übernehmen, voranzugehen, sagt Marta Drpa. „Ich möchte meine Energie an die anderen weitergeben. Das kriege ich natürlich besonders gut hin, wenn ich selbst einen sehr guten Tag erwische.“ Wie jüngst in Dresden. Aus SCP-Sicht wird nun gehofft, dass übermorgen wieder ein solcher für sie ist. Ergo auch für das Potsdamer Team.

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