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Duell in luftiger Höhe. Überquert der Ball beim Rugby die Seitenlinie, formieren sich die Teams – Potsdam hier in den schwarz-roten Trikots – zur sogenannten Gasse und kämpfen nach dem Einwurf durchaus artistisch um das eiförmige Spielgerät.

©  Tobias Gutsche

Rugby in Potsdam: Diszipliniertes Raufen seit 60 Jahren

Das Rugbyspielen in Potsdam feierte am vergangenen Samstag Jubiläum. Das bietet Gelegenheit für einen Blick in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft dieses sogenannten "Gentlemen-Sports" in der Brandenburger Landeshauptstadt.

Von Tobias Gutsche

Zum 60-jährigen Jubiläum des Rugby-Sports in Potsdam sorgte die Männer-Mannschaft des hiesigen USV für ein Spektakel. Am Samstagnachmittag gewann sie vor mehreren Hundert Zuschauern auf dem Sportgelände Am Neuen Palais in beeindruckender Manier mit 92:7 gegen den USV aus Jena und kletterte dadurch in der Tabelle der 2. Bundesliga Ost vom vierten auf den zweiten Rang.

Während die Potsdamer und Jenaer Akteure – viele von ihnen mit dem Format einer Massiv-Schrankwand – auf dem Rasen darum kämpften, das eiförmige Spielgerät durch cleveres Passen und intensive Läufe in die gegnerische Endzone – das sogenannte Malfeld – zu befördern, stand Detlef Krüger frisch geduscht an der Seitenlinie und verfolgte interessiert das Zweitliga-Treiben. Krüger, der einige Minuten zuvor noch selbst eine freundschaftliche Partie mit den Potsdamer „Old Boys“ bestritten hatte, ist der Mann, der das Rugbyspielen in der märkischen Landeshauptstadt etabliert hat.

Potsdam war eine Top-Adresse des DDR-Rugbys

Potsdams allererste Rugby-Momente fanden jedoch noch vor seinem Wirken statt, wie der nunmehr 73-Jährige erzählte: „Angefangen hatte es 1956, als das Armee-Sport-Team aus Berlin hier spielte, was jedoch nach kurzer Zeit wieder vorbei war.“ Detlef Krüger kam dann 1961 zum Armeedienst nach Potsdam und sollte auf Wunsch von Erwin Thiesies – er ist der Vater des Rugby-Sports im Land Brandenburg und war Krügers einstiger Trainer in Hennigsdorf – die Sportart an der Havel wiederbeleben. „Ich habe daraufhin eine Interessengemeinschaft an der Pädagogischen Hochschule aufgebaut und es nahm seinen Lauf“, sagte Krüger, der ab 1963 selbst dort Lehramt studierte und später die Laufbahn als Hochschuldozent einschlug. Unter dem Dach der SG Dynamo entwickelte sich Potsdam schließlich zu einer Top-Adresse des DDR-Rugbys. Sechs Vizemeisterschaften und ein Pokalsieg wurden erlangt sowie mehrere Nationalspieler geformt.

Die aus Krügers Arbeit hervorgegangene Studenten-Mannschaft RG 88 wechselte dann im Zuge der deutschen Wiedervereinigung zum Polizeisportverein Potsdam. Die sportliche Heimat war das Ernst-Thälmann-Stadion. Als dieses 1999 im Vorfeld der Bundesgartenschau abgerissen wurde, folgte schließlich der Umzug der Rugby-Spieler ans Neue Palais – verbunden mit dem Wechsel zum USV.

Rugby-Abteilung des USV ist auf fast 140 Mitglieder angewachsen

„Unsere Sportanlage haben wir hier auf Eigeninitiative errichtet. Das ist alles selbst zusammengezimmert“, sagte am Samstag Michael Domaschk. Er war einst in der Männer-Truppe aktiv und ist seit nunmehr etwa zehn Jahren Leiter der Rugby-Abteilung beim USV. „Wir haben uns in den vergangenen Jahren extrem gut weiterentwickelt“, urteilte Domaschk. Dass die Abteilung auf inzwischen fast 140 Mitglieder angewachsen ist, sei durch ein strategischen Umdenken erreicht worden: „Analog zum Rugby-Mutterland England war dieser Sport für Gentlemen, wie es so schön heißt, auch in Potsdam über lange Zeit eine fast rein studentische Angelegenheit. Aber die Leute sind dann nach ihrem Studium wieder weggegangen und es gab Personalprobleme. Also wurde hier angefangen, die Nachwuchsarbeit zu forcieren, was uns sehr gut getan hat.“

Hauptverantwortlicher dieses Prozesses ist Robby Lehmann – ehemaliger Spieler und seit 2001 als Jugend- und Männer-Coach dabei. „Das ist ein hoch engagierter Typ, der ein immens großes Herz für den Rugby-Sport hat“, meinte Abteilungsleiter Michael Domaschk: „Durch Robbys Nachwuchsarbeit haben wir eine Basis im Verein geschaffen.“ Und von dieser wird profitiert. Nach zwei Jahren in der 1. Bundesliga – von 2012 bis 2014 – hatte der USV freiwillig den Rückzug in die Regionalliga angetreten, um der eigenen Jugend mehr Chancen beim Übergang in den Erwachsenenbereich zu geben. „Das ist hervorragend gelungen. Wir sind gleich wieder in die zweite Liga aufgestiegen und wollen uns etablieren.“

Sorgenfalten wegen Sportstättenproblem

Dafür brauche es aber auch weiterhin Nachschub an jungen Akteuren, erklärte Domaschk. Gute Gründe, dass Kinder und Jugendliche mit dem Rugbyspielen, das ab 2016 auch olympisch ist, beginnen, gebe es ihm zufolge reichlich: „Zum einen findet jeder seine Rolle im Team. Die drahtigen und schnellen Leute genauso wie recht stämmige, die beispielsweise im Fußball kaum zum Zuge kommen, hier aber auf gewissen Positionen zwingend gebraucht werden.“ Und auch wenn das Raufen um den Ball von außen betrachtet, sehr hart wirkt, so versicherte er: „Es herrscht durch die klaren Regeln ein außergewöhnlich hohes Maß an Fairness und Disziplin. Das zeigt sich allein schon beim Umgang mit dem Schiedsrichter. Im Fußball wird ständig diskutiert und gemeckert. So etwas gibt es beim Rugby nicht – da ist es verpönt, zu lamentieren.“

Heiße Wortgefechte auf dem Feld waren am Samstag bei der Zweitliga-Partie zwischen Potsdam und Jena in der Tat nicht einmal ansatzweise zu erleben. Außerhalb des Platzes gab es hingegen eine Menge Diskussionsbedarf. Und zwar hinsichtlich des Platzes. Im Rahmen einer geplanten Neugestaltung des Areals soll die USV-Trainings- und -Spielstätte nämlich „plattgemacht werden“, wie Domaschk berichtete: „Nach zwei Verhandlungsrunden mit der Stadt haben wir noch keinen Ersatz-Standort, an dem wir unsere Arbeit gut fortsetzen können, in Aussicht. Angekündigt ist ein Zeitfenster von fünf, sechs Jahren, das wir hier noch haben. Aber sicher ist das nicht.“ Auch Potsdams Rugby-Urgestein Detlef Krüger treibt dieses Sportstättenproblem Sorgenfalten ins Gesicht. Er sagte: „Hoffentlich wird eine vernünftige Lösung gefunden. Nicht dass das ganze, mühsam aufgebaute System auseinanderfliegt.“

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