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Nicht zimperlich. Die Prussian Fat Cats gehen im Spiel ordentlich zur Sache. Auch ihr politisches Engagement verbergen die Skaterinnen nicht. 

© Sophie Marschner/Verein

Roller Derby in Potsdam: Keine lieben Mädels

Die Prussian Fat Cats sind ein Potsdamer Team in der Vollkontaktsportart Roller Derby. Sie würden gern in den Brandenburgischen Rollsport und Inline Verband eintreten. Doch die Aufnahme wird ihnen verwehrt - weil sie zu politisch und radikal seien.

Beim Roller Derby geht es robust zur Sache. Bei dem aus den USA kommenden Vollkontaktsport, der vor allem von Frauen betrieben wird, kreisen zwei Mannschaften auf Rollschuhen um eine Bahn mit dem Ziel, dass ein Spieler eines Quintetts – der sogenannte Jammer – die Akteure des gegnerischen Teams überrundet und dafür Punkte bekommt. Die anderen vier Spieler versuchen, den eigenen Jammer zu schützen und den des Gegners zu blocken.

Auf ganz andere Art ausgebremst fühlt sich die bislang einzige Potsdamer Roller-Derby-Abteilung: Die Aufnahme in den Brandenburgischen Rollsport und Inline Verband (BBRIV) ist den Prussian Fat Cats vor genau einem Jahr verwehrt worden. Zu politisch würden sie auftreten, hieß es in der Begründung. „Der Internet- und Potsdamer Garnisonkirche zeigt und wo sie zum Protest gegen „Lieblingsbonzen“ sowie „Alt-Nazis und Neu-Reiche“ aufrufen. Mit „militant wirkendem Auftreten“ und öffentlichen Sprüchen wie „Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat“ sieht BBRIV-Vizepräsident Tobias Borstel eine Grenze überschritten.

Team gehört als Abteilung zum SV Babelsberg 03

Ton und Wortwahl ließen den Landesvorstand beim Votum über den Aufnahmeantrag mehrheitlich den Kopf schütteln: „Der Auftritt der Prussian Fat Cats wendet sich gegen den bestehenden Rechtsstaat.“ Andererseits staatliche Förderung zu beanspruchen, was als Mitglied im Landesverband möglich wäre, würde dem widersprechen, so der BBRIV. Auch an der Art und Weise, wie die Prussian Fat Cats „Kleingeld für neues Equipment“ verdienen, stößt sich der Verbandsvorstand. Regelmäßig luden die Roller-Derby-Damen ins inzwischen vorübergehend geschlossene Studentische Kulturzentrum (Kuze) in der Hermann-Elflein-Straße. Sie arbeiteten hinter dem Tresen und nutzen dabei die Gelegenheit, Gäste fürs Roller Derby zu begeistern und danach den einen oder anderen Drink zu nehmen. Dies, kritisiert der BBRIV, stehe „mit den in unserer Satzung verankerten Grundsätzen wie zum Beispiel Förderung von Kinder- und Jugendsport nicht in Übereinstimmung“.

Seit zwei Jahren gibt es die Prussian Fat Cats, die ihre Gründungsheimat beim ESV Lok Potsdam haben, seit einem Jahr aber eine Abteilung des SV Babelsberg 03 sind. Es war kein Wechsel im Streit, „aber der SV Babelsberg passt kulturell besser zu uns“, sagt Claudia Fortunato, die das politische Engagement ihrer Sportkameradinnen gar nicht leugnet – und sich auch nicht verbieten lassen will. „Die Ansicht, dass sich sportliche und politische Aktivitäten nicht vermischen dürfen, halten wir für falsch“, meinen die Prussian Fat Cats. „Sport ist Teil der Gesellschaft. Gesellschaftliche Zustände spiegeln sich somit auch im Sport wider.“

Roller Derby und Politik sind seit jeher verbunden

Die Geschichte des Roller-Derby-Sports, deren Anfang 1935 in Chicago geschrieben wurde, hat seit jeher eine politische Note. „Im Roller Derby geht es um Geschwindigkeit, Adrenalin und darum, Gegnerinnen und weibliche Rollenklischees gleichermaßen aus dem Weg zu räumen“, schrieb die Autorin und Journalistin Meredith Haaf vor einigen Jahren in einer der ersten Ausgaben des bis heute publizierten Frauen-Journals „Missy Magazin“. Politisches Engagement und Roller Derby gehören zusammen und sind ein weltweites Selbstverständnis der Sportart: „Wir sind nicht die klassischen lieben Mädchen von nebenan. Wir sind stolz und gerne wildere Frauen“, wird etwa Victoria Siempre von der Wiener Roller-Derby-Mannschaft zitiert. Auch für Claudia Fortunato, die während ihres Auslandsstudiums in Lissabon Roller Derby kennenlernte, ist es eine stark politisch verbundene Sportart. „Dessen sind wir uns bewusst und das ist einer der Gründe, warum wir uns für diese Sportart entschieden haben“, sagt sie.

Weltweit hat der Sport in den vergangenen Jahren an Popularität gewonnen – in Australien, Neuseeland, in Süd- und Mittelamerika und auch in Deutschland, wo es mittlerweile eine Bundesliga gibt. Zu den dort sieben Teams möchte sich auch die Potsdamer Mannschaft gesellen. Doch dafür ist eine Mitgliedschaft im märkischen Landesverband Voraussetzung. Dass den sportlichen Ambitionen der derzeit 25 Aktiven durch den Landesverband eine Absage erteilt wird, ist dem SV Babelsberg 03 völlig unverständlich. „Wir könnten diesen Sport, der sich auch in Potsdam einer wachsenden Beliebtheit erfreut, aktiv mitgestalten, wenn sich durch eine Verbandsmitgliedschaft die Türen zur Teilnahme an der Roller-Derby-Bundesliga öffnen“, sagt SVB-Marketingchef Thoralf Höntze. Darüber hinaus verweist der SVB auf sein traditionelles Selbstverständnis als Verein, der für sein gesellschaftspolitisches Engagement bekannt ist. Und nicht nur der: Als Dachorganisation für alle Potsdamer Sportvereine ruft der Stadtsportbund immer dann zur aktiven Teilnahme an politischen Demonstrationen auf, wenn es nötig ist, dass Potsdam Farbe bekennt – etwa im vergangenen Frühjahr, als sich gegen Pegida-Aufmärsche in der Landeshauptstadt gewehrt wurde. Das gesellschaftspolitische Engagement Potsdamer Sportvereine zählt zu einer Stärke der Stadt.

Eneute Entscheidung über Aufnahme steht bevor

Roller Derby bleibt für die Babelsberger Aktiven auch künftig ein Sport, „der mit einer politischen Vergangenheit und Gegenwart verknüpft ist“. Doch vor allem gehe es ums Sporttreiben. Dafür stünden die „vielen Stunden, die wir schwitzend in Turnhallen, bei Kraft- und Ausdauerübungen und zusätzlichen Trainingseinheiten verbringen – nur um danach noch wendiger, ausdauernder, kräftiger auf dem Track stehen zu können“, heißt es in einer Antwort an den Landesverband. Erst vergangenen Sonntag luden die Prussian Fat Cats das erste Mal überhaupt zu einem Heimspiel ein – gegen Roller Derby Erfurt. Sie unterlagen 115:230.

Am 18. März wird der BBRIV erneut über die Aufnahme der Potsdamer Mannschaft entscheiden.

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