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Bei der WM in Doha 2019 verpasste Linke knapp eine Medaille.

© picture alliance/dpa

Potsdams Weltklasse-Geher Christopher Linke: Mit neuer Stärke zur Olympia-Medaille

Deutschlands bester Geher Christopher Linke hat die Coronakrise für viel Alternativtraining genutzt. Nun hofft er auf die Olympischen Spiele im Sommer in Tokio.

Potsdam - Hauptsache etwas Wärme. Gewöhnlich hat das Christopher Linke um diese Jahreszeit. Wenn es in Deutschland im Januar unangenehm nass und kalt ist, checkt der seit Jahren beste deutsche Geher gemeinsam mit seinen Trainingskollegen für mehrere Wochen aus. Südafrika war in den vergangenen Jahren das Ziel für den Leichtathleten des SC Potsdam, um in sonnigen und warmen Gefilden die Grundlagen für eine gute Saison zu legen. 

Seit Beginn der Corona-Pandemie sind die Mechanismen und routinierten Abläufe in der Welt des Sports mächtig aus den Fugen geraten. Auch hinter Christopher Linke liegen Monate des Improvisierens und Verändern Da war es fast schon vertraut, als er am vergangenen Montagabend Anfang Januar in der Fremde landete. Bis Ende des Monats trainiert die deutsche Geher-Elite auf Cran Canaria. Die Kanareninsel ist zwar nicht das typische Trainingsdomizil für Leichtathleten, „es ist auch nicht die beste zweite Wahl, aber das Wetter ist besser als in Deutschland“, sagt Linke. 

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Die erste Wahl wäre wieder Südafrika gewesen, wo sich das deutsche Geherteam in den vergangenen Jahren das Rüstzeug für ihre Saison geholt hat. Für Linke hat das gut funktioniert. 2016 in Rio wurde er Fünfter bei den Olympischen Spielen, ein Jahr später gewann er den Europacup, 2019 bei der Hitzeschlacht in Doha ging er als Vierter bei den Weltmeisterschaften knapp an Bronze vorbei. 2020 sollte es dann endlich klappen mit einer Medaille, nachdem sich der 32-Jährige über Jahre an die Weltspitze herangearbeitet und dort etabliert hatte. 

Erst krank, dann Motivationsprobleme

Doch die weltweite Corona-Pandemie blies das olympische Feuer in Tokio aus und riss die internationale Athletengemeinschaft jäh aus ihrem Vier-Jahres-Zyklus. „Als die Olympischen Spiele abgesagt worden, bin ich sofort krank geworden“, erinnert sich Linke. Eine Entzündung der Nasennebenhöhlen setzte ihn drei Wochen außer Gefecht. „Und danach fiel es mir sehr schwer mich zu motivieren“, sagt Linke. 

Wettkämpfe wurden verschoben oder ganz abgesagt, für viele Athleten stellte sich die Sinnfrage, weshalb sie so hart trainieren sollten. Linke machte erstmal Urlaub und beschloss nach zehn Jahren mit immer den gleichen Abläufen, Vorbereitungen, Trainingslagern, mit Teilnahmen an Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften, 2020 zum „Ruhejahr“ zu machen. 

Neue Reize gesetzt

Als er schließlich vergangenen Sommer wieder einstieg, nutzte er die Gelegenheit, um neue Reize zu setzen. „Ich begann, sehr viel alternativ zu trainieren“, sagt Linke. Er fuhr viel Rennrad, ging mehrmals pro Woche schwimmen. „Ich bin in sechs Wochen so viel geschwommen wie zuvor in fünf Jahren zusammen“, sagt er. Vor allem aber habe er unglaublich viel Krafttraining gemacht. 

Unter Anleitung von Athletiktrainer Marco Gerloff, einst erfolgreicher Hammerwerfer aus Potsdam und Wurf-Trainer von Zehnkampf-As Rico Freimuth, absolvierte Linke ein intensives Crossfit-Training: Vier mal in der Woche bis zu zwei Stunden Arbeit mit einem sechs Kilogramm schweren Medizinball, mit Fitnesseilen, mit Klimmzügen, Situps und Liegestützen. 

„Zwischen den einzelnen Kraftkreisen standen 500 Meter Gehen volle Pulle und mit zusätzlichen Gewichten auf dem Plan“ erzählt Linke. Oft sei er von dem Krafttraining so kaputt gewesen, dass 20- oder 30 Kilometer lange Geheinheiten die reinste Erholung waren. Die Folge: Linke ist bei 1,90 Meter Körpergröße und 65 Kilo noch immer ein Leichtgewicht, „aber ich merke, dass ich ungemein an Kraft gewonnen habe“, sagt er.

Linke glaubt an Olympia-Austragung

Er hofft, dass sich das auszahlt – spätestens bei den Olympischen Spielen im kommenden Sommer, „die ganz sicher stattfinden werden“. Es liegt schier nicht in Linkes Vorstellungskraft, dass Olympia noch einmal verschoben wird. Längst ist er wieder im konzentrierten Trainingsrhythmus, Fokus und Motivation sind wieder auf Höchstlevel. 

Die Wochen vor Weihnachten verbrachte er auf Langlaufski im bayrischen Balderschwang gemeinsam mit anderen deutschen Gehern und Langstreckenläufern, aber ohne Touristen. „Das Hotel hatte nur für uns Athleten aufgemacht“, sagt Linke. Hygienevorschriften, strenge Sicherheitsregeln, mitreisende Ärzte sind Voraussetzungen des Deutschen Leichtathletikverbandes, dass überhaupt Trainingslager stattfinden. 

„Es wird unglaublich viel investiert, dass wir in Trainingslager fahren können“, lobt Linke. Dennoch muss er Abstriche machen. Mit befreundeten Weltklasse-Gehern aus England und Norwegen trainieren und sich bereits im Training mit den Besten messen, ist nicht möglich. Training in der Höhe, was vor allem das Ausdauervermögen fördert, findet nicht statt – zumindest nicht zu Beginn dieses Jahres in Südafrika, das gerade wegen der hohen Infektionszahlen durch den mutierten Coronavirus seine Grenzen geschlossen hat. 

Trainingslager in Südafrika fraglich

Ob es im Frühjahr wie geplant nach Südafrika geht, ist fraglich, ebenso ob es im März und April Wettkämpfe geben wird. „Wir bereiten uns mit Alternativen vor, um Weltklasseformat zu erreichen. Ich gehe Kompromisse ein, doch werden 95 Prozent nicht reichen, um die anderen zu schlagen“, sagt Linke. Im Oktober 2019 hat der Sportsoldat seinen letzten Wettkampf bestritten. 

Dass die internationale Leichtathletikverband es geschafft hat, im vergangenen Herbst trotz Corona die Halbmarathon-Weltmeisterschaften durchzuführen, lässt Linke hoffen, dass auch im Olympiajahr vor den Spielen in Tokio Wettkämpfe stattfinden. „Ansonsten müsste ich schon sehr, sehr gut trainiert haben, um selbstbewusst zu sagen, ich haue alle weg“, sagt er.

Nominierungskriterien erfüllt 

Doch genau an diesem Selbstbewusstsein feilt er. Mit seinem deutschen Rekord über 20 Kilometer von 1:18:46 Stunden im Juni 2019 und der Top-Platzierung bei der WM in Doha hat er die internationale und nationale Olympianorm erfüllt, womit er zumindest von allen Qualifikationssorgen befreit ist. Er ist motivierter denn je, „ich trainiere hart und viel“, sagt Linke. 

Und sein Blick geht über dieses Jahr hinaus. „Ich denke ganz klar auch an die Olympischen Spiele 2024. Und ich werde nicht aufhören, wenn ich in Tokio gewinne“, sagt er. Es klingt nach einer Mischung aus Kampfansage, Entschlossenheit und Vertrauen in die eigene Stärke. Nach fast einem Jahr Corona-Pandemie sagt Christopher Linke: „„Ich fühle mich so stark wie noch nie.“

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