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Lange Zeit dabei. Seit 1983 arbeitete Mathias Pönisch am Potsdamer Stützpunkt. Nun wird er Schulschwimmlehrer für Teltow-Fläming.

© Tobias Gutsche

Potsdams Schwimmtrainer Mathias Pönisch: Die Hupe vom Luftschiffhafen

Mathias Pönisch beendet seine Karriere als Leistungssporttrainer. Er prägte Potsdams Schwimmsport 36 Jahre lang – auch akustisch. Für Doppel-Olympiasiegerin Britta Steffen ist er der „Papa“ ihres Erfolgs.

Von Tobias Gutsche

Potsdam - Mathias Pönisch ist eigentlich niemand, der in einer Menschenmenge sofort hervorsticht. Brille und Schnauzbart verpassen ihm zwar ein markantes Gesicht, aber mit 1,75 Meter Körperhöhe sowie schmächtiger Statur bewegt er sich eher unscheinbar durch die Massen. Doch der Schwimmtrainer versteht es, auf akustische Weise aufzufallen wie kein anderer. Bei einem Wettkampf können während des Einschwimmens hunderte Sportler im Wasser sein, dazu Musik aus den Hallenboxen dröhnen, dutzende Coaches sich am Beckenrand in einer Traube versammeln und ihren Athleten wild durcheinander unterschiedliche Startsignale für Sprints geben – wer dann von Mathias Pönisch betreut wird, hört es ganz genau.

Der Potsdamer hupt. Ein lautes, kräftiges, schrilles Geräusch. „Das ist mein Markenzeichen“, erzählt er und grinst. Die Frage, warum der Sportschul-Lehrertrainer diese Art des Kommandos nutzt, beantwortet er simpel: „Ich kann nicht laut pfeifen. Und eine Trillerpfeife ist manchmal nicht praktisch, wenn man schnell und impulsiv reagieren muss. Deshalb habe ich mir diesen Kehllaut angeeignet.“ So wurde Mathias Pönisch zur Hupe vom Luftschiffhafen. Generationen Potsdamer Schwimmer hörten das Geräusch, registrierten es wegen der Intensität und Außergewöhnlichkeit sogar im Wasser und wussten es derart zu schätzen, dass sie es zum Spaß selbst als Erkennungszeichen im Alltag intonierten.

Sieben-Tage-Arbeitswochen, in der Halle von 6.30 bis 19.30 Uhr

Das Original wird künftig aber nicht mehr am Bundesstützpunkt der Brandenburger Landeshauptstadt erklingen. Mathias Pönisch hat seine überaus erfolgreiche Arbeit als Schwimmcoach in Potsdams Leistungssport beendet, am Mittwoch war sein letzter Diensttag. Nach 36 Jahren, mehr als der Hälfte seines bisherigen Lebens. „Ich sage dem Schwimmsport aber nicht adé. Das kann ich auch nicht“, erklärt der bald 60-Jährige. Er hat sich entschieden, in seinem letzten Arbeitsabschnitt bis zur Rente als Schwimmlehrer für Drittklässler des Landkreises Teltow-Fläming tätig zu sein. „Eine tolle, wichtige Aufgabe“, meint er. Zudem wird er an der Grundschule Großbeeren, der er zugeordnet ist, allgemeinen Sportunterricht geben.

Leben im Dienste des Schwimmsports. Mathias Pönisch arbeitete akribisch, leidenschaftlich - und erfolgreich.
Leben im Dienste des Schwimmsports. Mathias Pönisch arbeitete akribisch, leidenschaftlich - und erfolgreich.

© Tobias Gutsche

Mathias Pönisch sitzt in seinem Büro der Luftschiffhafen-Halle. Seine persönlichen Sachen sind längst rausgeräumt, an der Wand zeugen Klebereste und Nägel von einst dort aufgehängten Bildern und Kalendern. „Ich gehe mit einem lachenden und einem weinenden Auge“, sagt er. Einerseits sei die Freude groß, nun kürzer, ruhiger treten zu können, mehr Zeit für die Familie zu haben. Über Jahrzehnte hatte Pönisch oft Sieben-Tage-Arbeitswochen. Er war meist vom Stützpunkt der erste, der gegen 6.30 Uhr in die Halle kam, und der letzte, der um 19.30 Uhr wieder ging. Wochenenden bedeuteten für ihn Wettkampffahrten, in den Ferien standen Trainingslagerreisen an. „Das war eine hohe Belastung – für mich und meine Angehörigen“, sagt der Mann, der an der DHfK Leipzig Sport studiert hatte und 1983 Trainer im Potsdamer Schwimmzentrum wurde. Doch so anstrengend dieser Full-Life-Job auch war, er konnte Mathias Pönisch etwas bieten, das er für immer mit Stolz in sich tragen wird und ihm die Entscheidung zum Abschied nicht leicht machte. „Der gemeinsame Erfolg ist das Größte. Er treibt an und sorgt für wunderbare Erinnerungen.“

Steffen: "Er hat mich nicht verheizt, sondern sorgsam aufgebaut“

Dem vor allem im Juniorenbereich, der Schnittstelle zwischen Nachwuchs- und Erwachsenenklasse erfolgreichen Coach gelangen seine Glanzstücke mit dem zweifachen Junioren-Europameister Benjamin Starke – und besonders mit Britta Steffen. Sie führte er zu achtmal Junioren-EM-Gold und 2000 als damals 16-Jährige zu den Olympischen Spielen in Sydney. Zwei Jahre später, nachdem ihre Leistungen stagniert hatten, wechselte die gebürtige Schwedterin nach Berlin und erhielt dort die erhofften neuen Impulse für ihre Weiterentwicklung. Sie wurde Doppel-Weltmeisterin und Olympiasiegerin, stellte Weltrekorde auf.

„Pönis“ Anteil. Britta Steffens Weg auf den Olymp wurde von Coach Mathias Pönisch in Potsdam geebnet.
„Pönis“ Anteil. Britta Steffens Weg auf den Olymp wurde von Coach Mathias Pönisch in Potsdam geebnet.

© Gero Breloer/dpa

All diese Triumphe, das betont Britta Steffen heute, basieren auf der Arbeit von Mathias Pönisch. „Ich werde ihm immer dankbar sein“, sagt sie. „Pöni“, wie er liebevoll genannt wird, sei für sie im Juniorenalter der beste Trainer gewesen, „den ich mir hätte wünschen können“. Rückblickend fühlt sie sich damals von ihm „voll erkannt. Er wusste um mein Potential als Schwimmerin und hat mich nicht verheizt, sondern sorgsam für alles, was kommen sollte, aufgebaut“.

Mathias Pönisch ist ein Fachmann. Ein akribischer Arbeiter. Ein Herr der Zahlen. Mit völliger Hingabe dokumentierte er stundenlang Trainingspläne und -leistungen, analysierte sie bis ins kleinste Detail, schlussfolgerte daraus für den weiteren Saisonaufbau, schrieb übergeordnete Konzeptionen zum Wohle des Brandenburger Schwimmverbands.

„Nie mit irgendeinem Niveau bei irgendeinem Sportler abgefunden“

Gleichsam hat der Coach, der als aktiver Schwimmer den Sprung auf eine DDR-Sportschule verpasste, viele Qualitäten im zwischenmenschlichen Bereich. Er sei „wie ein zweiter Papa“ für sie gewesen, sagt Britta Steffen. Die 35-Jährige schätzte an Pönisch, „dass ihm jeder Sportler wichtig war. Nicht viele Trainer sind so. Oft gibt es einige Stars in der Gruppe, um die sich vor allem gekümmert wird“. Er allerdings habe versucht, bei allen gleich das individuelle Potenzial auszuschöpfen. „Ich habe mich nie mit irgendeinem Niveau bei irgendeinem Sportler abgefunden“, bekräftigt er selbst. „Ich wollte immer eine Steigerung.“ Bei diesem Unterfangen zeigte sich Pönisch konsequent. Es kam mitunter zu hitzigen Diskussionen am Beckenrand. Britta Steffen erinnert sich an einen Streit, in dem er zu ihr gerufen habe: „Ich fordere dich, weil ich dich achte!“ Sie habe einige Zeit gebraucht, um zu verstehen, wie er das meinte. „Von dem Tage an war ich für jedes kritische Wort dankbar, auch wenn Kritik mich bis heute schmerzlich pikst, weil ich gerne ,alles richtig’ machen möchte.“

Gerade die gemeinsame Zeit mit der späteren deutschen Schwimmikone wurde nach eigener Aussage eine außergewöhnlich wertvolle für ihn. „Es war so eine Symbiose: Sie wollte, ich wollte. Aber wir hatten beide Ecken und Kanten. Dadurch ist im Austausch eine Wechselwirkung entstanden, durch die ich mich als Trainer und Mensch stark weiterentwickelt habe“, urteilt Mathias Pönisch. Seinen großen Erfahrungsschatz lässt er nun nicht mehr in den Potsdamer Leistungssport einfließen. Stattdessen profitieren Teltow-Fläminger Drittklässler beim Schulschwimmen in Ludwigsfelde davon. Und bestimmt wird auch ihnen mal „Pönis“ Hupen in den Ohren klingen.

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