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Sport: Potsdamer Trio für Zürich

Der Erfolg der Potsdamer Geher kommt nicht von ungefähr. Doch liegt der längste Weg noch vor ihnen

Ronald Weigel schwärmt: „Das war der beste Geherwettkampf der letzten Jahre.“ Was den Potsdamer Coach und Bundestrainer derart in Verzücken versetzt, ist die Leistung seiner Athleten bei den Deutschen Meisterschaften über 20 Kilometer vom vergangenen Sonntag in Naumburg. Beim Doppelsieg von Christopher Linke und Hagen Pohle sowie dem vierten Platz von Nils Gloger blieben alle drei Geher vom SC Potsdam unter der vom Deutschen Leichtathletikverband geforderten Norm für die Europameisterschaften (EM) im August in Zürich.

Gleich drei deutsche Starter in einer Langstrecken-Disziplin bei einer EM – das ist eine Weile her. Da der Drittplatzierte von Naumburg, Carl Dohmann (Baden-Baden), in Zürich nach bisherigen Planungen die 50 Kilometer gehen wird, werden die drei Potsdamer im deutschen Nationaltrikot am Start stehen. Dass das Trio beim traditionsreichen internationalen Geher-Meeting in Naumburg den 17 Jahre alten Deutschen Mannschafts-Rekord verbesserte, ist ein weiterer Beleg, dass sich etwas tut in Potsdam, der einstigen Hochburg der Geher und Langstreckenläufer. Weltklasse-Athleten wie ’72-Geher-Olympiasieger Peter Frenkel oder Ronald Weigel selbst, der 1983 Weltmeister wurde und drei olympische Medaillen gewann, stehen hier in einer Traditionslinie. Der Erfolg von Naumburg kommt nicht von ungefähr und ist das Ergebnis einer jahrelangen Arbeit. Weigel betonte in den vergangenen Jahren immer wieder, dass Erfolg langfristig nur mit einer Gruppe starker Athleten möglich ist – so wie er das zu seiner aktiven Zeit selbst erlebt hat und wie es erfolgreiche Langstrecken-Nationen auch heute praktizieren. Deutschland hingegen ist in vielen Sportarten seit Jahren eine Nation sportlicher Individualisten. Eine Erfahrung, die Weigel als zwischenzeitlicher Marathon-Bundestrainer leidvoll bestätigt sah, da es bis heute nicht gelungen ist, im deutschen Langstreckenlauf eine leistungsfördernde Gruppendynamik zu entwickeln.

Während im Laufbereich Deutschland weit von internationalem Anspruch entfernt ist, hat die Potsdamer Geher-Gruppe „das Potenzial, sich Richtung Weltspitze zu entwickeln“, sagt Weigel kühn. In Naumburg war die Weltspitze in Person des amtierenden 50-Kilometer-Weltmeister Robert Heffernan aus Irland ganze neun Sekunden vor Linke ins Ziel gekommen.

Weigel weiß, dass das Resultat lediglich eine erste internationale Wegmarke für seine Geher ist. „Aber jetzt zu wissen, dass sie es können, das wird einen Schub auslösen“, hofft er. Und seine Hoffung nährt sich auch aus der Art und Weise, wie seine Schützlinge den Wettkampf bestritten haben: „Sehr abgeklärt, offensiv und motiviert. Sie wussten, dass die Form stimmt und es eine einmalige Chance ist, die Norm zu gehen“, sagt Weigel.

Seiner eigenen Leistung ganz so sicher war sich Christopher Linke im Vorfeld jedoch nicht. Seit November kämpfte der 25-Jährige mit Trainingsausfällen aufgrund von Problemen im linken Knie. „Auf Naumburg habe ich mich effektiv sechs Wochen vorbereitet“, sagt Linke. Seinen aktuellen Leistungsstand habe er deshalb überhaupt nicht einschätzen können. Dass er und seine Vereinskollegen die EM-Norm unterbieten würden, war für Linke deshalb auch mehr Wunschtraum als greifbare Realität. „Das Ziel war, dass einer von uns die Norm schafft, darauf wollten wir zusammen hinarbeiten“, so Linke. Seit knapp einem Jahr trainieren die fünf Geher des SC Potsdam, Linke, Pohle, Gloger, Nils Brembach und Marcel Lehmberg, gemeinsam in einer Trainingsgruppe. Da kenne man die Stärken und Schwächen des anderen.

„Wir haben in Naumburg gut als Team funktioniert“, bewertet auch Hagen Pohle, der gemeinsam mit Nils Gloger den Großteil der 20-Kilometer-Strecke das Tempo bestimmte. Für Pohle scheint Naumburg ein gutes Pflaster zu sein. Schon im vergangenen Jahr ging er hier persönlichen Rekord und in diesem Jahr unterbot er in neuer Bestzeit die EM-Norm. „Der Druck im Vorfeld war ziemlich groß“, meint Pohle. Doch das Rennen lief gut und schon nach der Hälfte der Strecke war die Führungsgruppe knapp 25 Sekunden unter der angestrebten Norm. „Da rechnet man schon mal zwischendurch, in welche Richtung es gehen kann“, meint Pohle.

Für Christopher Linke seien auch jene Rennen die besten, bei denen er „bei zehn Kilometer denkt: Jetzt kann das Rennen losgehen“. Das nie übermäßig schnelle, aber immer konstante Tempo der Gruppe spielte am Ende die entscheidende Rolle, als sich Linke kurz vor dem Ziel von den anderen absetzen konnte. „Ich weiß, dass ich am Ende noch schneller werde und dass mich dann keiner so schnell kriegt“, so Linke.

Der Erfolg von Naumburg und die Tickets nach Zürich sind für Weigel erst der Anfang. „Wir wollen bei der EM ja nicht nur teilnehmen“, sagt er zum einen. Zum anderen weiß Weigel, dass es weiterhin nur über die Gruppendynamik geht, um die nötigen individuellen Stärken zu entwickeln, die es für die Weltspitze braucht. Der Weg dorthin führt zunächst über Zürich. „Die Vorbereitung dafür wird ähnlich wie für Naumburg sein“, sagt Weigel. Da habe er durchaus etwas experimentiert, gesteht er. Oft trainieren Ausdauerathleten bis nah an einen Wettkampf heran in der leistungsfördernden Höhe. Weigel kam mit seiner Gruppe aus dem Höhencamp in Flagstaff/Arizona indes schon fünf Wochen vor Naumburg zurück. „In der Höhe haben wir gute Kraft-Ausdauer und Grundlagen-Ausdauer trainieren und hier dann die nötige Tempoqualität entwicklen können“, sagt Weigel. Der Plan ging auf. „Man muss auch an seine Idee glauben“, sagt der Trainer. Auch das stärke das Selbstbewusstsein seiner Athleten.

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