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Rasante Entwicklung. Als 19-Jährige gehört Natalie Wilczek beim SC Potsdam zur Startformation.

© Gerhard Pohl

Potsdamer Talente: Volleyballerin Natalie Wilczek: Emporkömmling an der Netzkante

Natalie Wilczek ist in dieser Volleyball-Bundesligasaison die große Entdeckung des Halbfinalisten SC Potsdam. Die 19 Jahre alte Mittelblockerin hat sich Anerkennung erarbeitet und auf den Radar der deutschen Frauen-Nationalmannschaft gespielt. 

Von Tobias Gutsche

Potsdam - Verletzt auszufallen, hinterlässt bei Sportlern eigentlich nie ein gutes Gefühl. Allerdings gibt es Momente, in denen persönlich auch etwas Positives hängen bleibt, wenn man angeschlagen lediglich den anderen zuschauen kann. Natalie Wilczek erlebte dies am Samstag.

Als die Bundesliga-Volleyballerin des SC Potsdam während Satz drei im Playoff-Halbfinalheimspiel gegen den Schweriner SC nach einem Sprung unglücklich landet und sich am Fuß wehtut, richten sich anschließend sorgenvolle Blicke auf sie. Eine dicke Bandage kommt um die Blessur. Die Fans bangen, die Vereinsmanager sowie Cheftrainer Guillermo Hernandez auch, und ihre Teamkolleginnen genauso. Wie schwer ist sie verletzt? Kann sie weitermachen? Kann sie nicht. Aber nach der Partie, die letztlich 1:3 verloren geht, gibt Natalie Wilczek Entwarnung. „Nichts Schlimmes, das geht schon“, sagt sie auf dem Hallenboden sitzend und reibt sich leicht den in Mitleidenschaft gezogenen Fuß.

Anfangs hatte sie im Potsdamer Erstligateam einen schweren Stand

Die Reaktionen angesichts ihres Ausfalls hatte die Mittelblockerin registriert. „Ich hätte lieber der Mannschaft weitergeholfen. Aber den Rückhalt zu spüren, tat gut“, erzählt sie. Das ist ein Zeichen der Wertschätzung. Dafür, wie wichtig sie für den Top-4-Club aus Brandenburg ist. Und das im Alter von gerade einmal 19 Jahren. Natalie Wilczek ist die Entdeckung der Saison beim SC Potsdam. Ein Emporkömmling an der Netzkante.

Aus den eigenen Reihen. Der SCP führte Natalie Wilczek vom Jugendbereich in die Frauen-Bundesliga.
Aus den eigenen Reihen. Der SCP führte Natalie Wilczek vom Jugendbereich in die Frauen-Bundesliga.

© Verein

Das beachtliche Standing innerhalb der Mannschaft hat sich der Youngster hart erarbeitet. Vor knapp zwei Jahren, als sie aus Potsdams zweitem Frauenteam ins erste befördert wurde, hielt sich der Respekt gegenüber ihr noch arg in Grenzen. Talent und Potenzial wurden der Sportschülerin attestiert. „Aber sie kam von der dritten Liga und sollte jetzt auf Erstliganiveau mitmachen. Da wurde sie von der einen oder anderen belächelt“, erinnert sich SCP-Sportdirektor Toni Rieger. „Das war keine leichte Situation.“ Er und der damalige Cheftrainer Davide Carli glaubten allerdings an Natalie Wilczek. Rieger sprach Mut zu, Carli forderte und förderte sie intensiv.

Natalie Wilczek ist ein Ass bei der Angabe

Wenn die anderen bereits nach dem Training Richtung nach Hause aufbrachen, ließ der Italiener sie individuell weiterüben, an Details feilen. „Vor allem im Aufschlag habe ich einen großen Sprung gemacht“, sagt Wilczek. Sie schaffte es, eine Technik zu verinnerlichen, die die Gegner schon bald zur Verzweiflung bringen sollte. Den Ball schlägt sie so tückisch, dass er flatternd durch die Luft fliegt und dann überraschend schnell zu Boden stürzt. Im buchstäblichen Sinne wurde die 1,86 Meter große Akteurin ein Ass bei der Angabe. „Eine super Qualität von ihr. Damit machte sie sich im Aufschlag unersetzbar“, erklärt Rieger. „Das war der erste Schritt. Danach hat sie in vielen anderen Belangen nachgelegt. Ihr Selbstvertrauen stieg.“ Und so erkämpfte sich Natalie Wilczek diese Saison einen Platz in der Startformation des nunmehr von Hernandez gecoachten SCP.

Sie verteidigt gut und steuerte laut Ligastatistik bereits 90 Punkte während der aktuellen Spielzeit bei. In zwei Partien wurde sie sogar zur wertvollsten Akteurin ihrer Mannschaft gewählt. „Ich“, sagt die smarte Volleyballerin mit einem Glänzen in den Augen, „bin stolz auf meine Entwicklung.“ Die hat sie nun zu einer besonderen Ehrung geführt. Bundestrainer Felix Koslowski nominierte sie (sowie auch ihre Vereinskolleginnen Anne Hölzig und Emilia Weske) für den diesjährigen Auftaktlehrgang des deutschen Frauen-Nationalteams. „Das ist der Wahnsinn. Dass ich es so weit schaffe, hätte ich mir nie erträumen lassen, als ich in meinem kleinen Heimatverein angefangen hatte.“

Im Sommer 2014 von Schwedt an die Potsdamer Sportschule gewechselt

Natalie Wilczek stammt aus Schwedt/Oder. Als Zweitklässlerin kam sie durch eine AG an ihrer Grundschule zum Volleyball beim TSV Blau-Weiß 65. „Eine tolle Sportart“, war ihr von Beginn an klar. „Ich liebe es, im Kollektiv zu sein, zusammen zu trainieren, zu spielen, gemeinsam Ziele zu verfolgen.“ Im Sommer 2014 wechselte sie dann zur neunten Klasse auf die Potsdamer Sportschule. „Jetzt bin ich Bundesligaspielerin, darf beim Nationalteam dabei sein. Das zeigt mir, dass sich die vergangenen Jahre hier an der Schule und beim SC Potsdam absolut gelohnt haben“, sagt sie dankbar.

Auch Toni Rieger ist glücklich, dass sich das Vertrauen in die eigene Nachwuchsarbeit ausgezahlt hat. „Man muss sich mal vorstellen: Natalie ist durch jedes Sichtungsraster im Jugendbereich des Deutschen Volleyball-Verbands gefallen“, sagt der SCP-Manager. „Sie war in keiner U-Nationalmannschaft. Und dann ein solcher Entwicklungssprung.“ Aus dem Nichts auf den Radar.

Kampf um viertes Duell im Playoff-Halbfinale gegen Schwerin

Dort möchte Natalie Wilczek künftig auch bleiben. Anders als in ihrem Sport, bei dem es für sie auf der Mittelblockposition darum geht, abzuheben, verordnet sie sich Bodenhaftung. Die Spielerin mit der Rückennummer 3, die derzeit ein Freiwilliges Soziales Jahr am Standort Potsdam des Olympiastützpunktes Brandenburg absolviert, bleibt demütig. „Das ist alles zuletzt verrückt schnell gegangen. Aber das ist auch für mich der Hinweis, weiter Vollgas zu geben. Ich muss umso härter arbeiten, um die Entwicklung fortzusetzen. Es kommt einem schließlich nichts einfach so zugeflogen.“

Bis auf die Bälle. Sie an vorderster Front abzuwehren, ist zentrale Aufgabe von ihr. Eine anspruchsvolle. „Sie muss die Ideen der gegnerischen Zuspielerinnen lesen können, um richtig zur Stelle zu sein. Da sind viele Erfahrungen wichtig“, betont Toni Rieger. Daher reift Natalie Wilczek mit jeder Partie, mit jedem Spielzug. Auf hohem Niveau bietet sich am Donnerstag die nächste Chance dafür, wenn Potsdam in Schwerin das dritte Halbfinalspiel bestreitet (Beginn: 17.30 Uhr/Fernseh-Liveübertragung auf Sport1). „Ich werde fit sein“, verspricht die junge Mittelfrau. Und nicht nur das: „Wir haben zweimal gut mitgehalten, jetzt wollen wir auch mal gewinnen.“ Ein Sieg soll her, um die Playoffserie auf ein viertes Duell am Samstag daheim zu verlängern. Folgt aber die dritte Niederlage, wäre die Saison für den SC Potsdam vorbei. Es ist schon jetzt die erfolgreichste in der Geschichte des märkischen Vereins, der dadurch viel Anerkennung erntet. Natalie Wilczek hat wesentlich dazu beigetragen. Niemand belächelt sie mehr.

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