zum Hauptinhalt
Sie boxt sich durch. Zeina Nassar kann dank einer Regeländerung des Deutschen Amateurbox-Verbandes mit Kopftuch antreten. Sie hofft, dass dies nun auch international erlaubt wird. 

© Arne I. Bänsch/dpa

Potsdamer Studentin beim Boxen: Mit Kopftuch in den Ring

Ihr Kopftuch im Boxring fällt auf. Aber die 20 Jahre alte Potsdamer Studentin Zeina Nassar hat mehr zu bieten als Äußerlichkeiten: Sie kämpft gegen Vorurteile, ist Deutsche Meisterin, Theater-Schauspielerin und angehende Erzieherin.

Mit Kopftuch im Boxring? Kein Problem. Für Zeina Nassar sowieso nicht, seit 2013 aber auch nicht für den Deutschen Amateurbox-Verband. Eine Regeländerung ebnete der gläubigen Muslima den Weg in den Ring. Zeina Nassar boxt mit einem Hijab mit dem Logo ihres Sponsors Nike, hat dazu den Körper bis auf das Gesicht völlig verdeckt. „Zuerst haben einige richtig blöd geguckt. Aber dann fanden sie es mit dem Kopftuch okay“, erklärt die Boxerin die „Eingewöhnungsphase“ der Gegnerinnen und des Publikums auf die ungewöhnliche Wettkampfkleidung. Die hat der Internationale Verband AIBA noch nicht abgesegnet.

Die 20-Jährige, die in Potsdam studiert, wurde in ihrem 18. Kampf Deutsche Meisterin im Federgewicht. Jetzt peilt sie Olympia in Tokio an und will vielleicht einmal ins Profilager wechseln. Die Ex-Profi-Weltmeisterin Regina Halmich („die kenne ich gut“) rät ihr jedenfalls dazu. Sie selbst ist vorsichtig: „Nach meinem Studium habe ich Zeit, mich damit auseinanderzusetzen.“

Werbeaufnahmen mit Basketball-Star LeBron James

Zeina Nassar, die es besonders liebt, wenn sie einem Schlag erfolgreich ausweichen kann, so dass sie nur noch den Luftzug im Gesicht spürt, hat mehr zu bieten als Box-Talent. Die Berlinerin, deren Eltern aus dem Libanon stammen, spielt am Maxim-Gorki-Theater, absolviert mit einem Stipendium der „Studienstiftung des Deutschen Volkes“ Erziehungswissenschaften und Soziologie in Potsdam und gibt auch eine gute Figur bei Werbeaufnahmen neben dem US-amerikanischen Basketball-Star LeBron James ab. „Ich möchte nicht auf das Kopftuch reduziert werden. Religion ist mir wichtig. Aber das Kopftuch soll mich nicht vom Sport abhalten“, sagt sie im Trainingszentrum beim TSC Berlin am Velodrom, in dem es nach Schweiß und Leder riecht.

Dort ackert sie fünfmal in der Woche unter der Regie des früheren DDR-Boxers Kay Huste. Im Sparring misst sie sich mit der Profiboxerin Nina Meinke. „Ich will Vorurteile bekämpfen“, sagt sie. Vor vier, fünf Jahren seien noch Flaschen hinter ihr hergeworfen worden, begleitet von Hass-Kommentaren: „Geh zurück in dein Land!“ Dabei besitzt sie einen deutschen Pass. Ausfälle dieser Art seien in letzter Zeit weniger vorgekommen.

"Es geht nicht nur ums Gewinnen oder Verlieren"

Bevor die Amateurboxerin ihrer sportlichen Leidenschaft nachgehen konnte, musste sie den Widerstand ihrer Eltern brechen. „Sie hatten Angst um mich“, berichtet sie. Aber ihr Werben in eigener Sache wurde so vehement und überzeugend vorgetragen, dass die Eltern schließlich nachgaben und ihre Tochter in die Boxhalle ließen. Beim ersten Kampf vor sechs Jahren waren die Eltern dabei und trotz der Niederlage stolz. „Nach dem Kampf kamen viele Zuschauer zu mir und gratulierten. Irgendwann habe ich verstanden, dass es nicht nur ums Gewinnen oder Verlieren geht“, sagt Zeina Nassar. Körperliche Blessuren in einem gefährlichen Sport hielten sich bisher in Grenzen. Als schlimmste Verletzung schildert sie Schmerzen am Kiefer nach einem Treffer: „Ich habe tagelang gelispelt“. Lob erhält die Athletin der Gewichtsklasse bis 57 Kilogramm unter anderem auch von Hans-Peter Miesner. „Sie boxt ein bisschen wie früher Sven Ottke“, meint der Berliner Verbandspräsident. Sie agiere ähnlich schnell und technisch versiert wie der 2004 ungeschlagen zurückgetretene Profi-Weltmeister aus Berlin-Spandau.

Zeina Nassar – Vorbilder: Muhammad Ali und Mike Tyson – will sich auch international durchboxen. Seit zwei Wochen hat sie sogar einen Manager. „Die Anfragen der Medien werden immer mehr. Es zieht immer weitere Kreise“, sagt Zeina Nassar. Das Multitalent will nicht abrücken von ihrer Maxime. Sie steht da und betont entschlossen: „Ich mache das, was ich will, und lasse mich von niemandem unterkriegen.“ dpa

Andreas Zellmer

Zur Startseite