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„Fair“ heißt das Projekt der Uni Potsdam, bei dem die Werte und Tugenden des Boxen vermittelt werden sollen – nicht nur für sportlichen Erfolg.

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Potsdamer Sport-Integrationsprojekt: Boxen fürs Leben

Mit dem Projekt „Fair“ will der Universitätssportverein Potsdam Kindern und Jugendlichen wichtige Werte des Miteinanders vermitteln und jugendlichen Flüchtlingen bei der Integration helfen. Das Potenzial des Boxen soll dabei genutzt werden. Für sein Vorhaben sucht der USV noch finanzielle Förderer.

In ihrem Kulturbuch „Über Boxen“ schrieb die Schriftstellerin Joyce Carol Oates 1987: „Ich muss Boxen nicht als Sport rechtfertigen, weil ich es nie als Sport angesehen habe – weil es das Leben selbst ist und kaum ein bloßer Sport.“ Besonders aktuell und zutreffend erscheint dieser Satz heute mit Blick auf ein Vorhaben der Universität Potsdam. Die Boxabteilung des Uni-Sportvereins (USV) will Januar nächsten Jahres das sportliche Integrationsprogramm „Fair" starten: Ein Boxtraining vor allem mit und für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund aus Potsdam und Umgebung. Vorerst ist das Projekt auf drei Jahre angelegt.

Im Rahmen des Programms sollen die Kinder und Jugendlichen sportlich und pädagogisch betreut werden. Dabei arbeitet die Uni eng mit dem Jugendamt Potsdam, dem Stadt- und Landessportbund, dem Deutschen Olympischen Sportbund und sozialen Trägern der Region zusammen. Es soll nicht nur die sportliche Leistung im Vordergrund stehen, sondern vor allem die soziale Nachhaltigkeit: Den Jugendlichen soll eine Perspektive geschaffen und geholfen werden, sich in ihrem neuen Umfeld und in den Abläufen des Alltags zurechtzufinden. Das Potenzial der Sportart Boxen soll dabei genutzt werden, um sowohl Physis als auch Psyche der jungen Menschen zu stärken. „Die Jungs und Mädels sollen mehr Selbstbewusstsein gewinnen, Ängste abbauen, sich im Training austoben und ihren Stress kanalisieren“ sagt Projektleiter Felix Hoffmann von der Uni Potsdam. „Der gemeinsame Sport kann die unterschiedlichen Herkünfte vereinen“, sagt Hoffmann und verweist auf „super Erfahrungen, die wir bisher in unserer Flüchtlingsarbeit gesammelt haben“.

USV-Boxer bereits für integrative Arbeit ausgezeichnet

Die Boxabteilung des USV engagiert sich schon länger für Integrationsarbeit und wurde dafür im vergangenen Jahr vom brandenburgischen Ministerium für Bildung, Jugend und Sport mit dem Ehrenamtspreis des Landes Brandenburg ausgezeichnet. Als 2015 der Flüchtlingsstrom nach Deutschland stark anstieg, versuchten die Leiter der USV-Boxabteilung ein Netzwerk zu schaffen, indem sie zuerst aktiv auf Flüchtlinge in deren Unterkünften, auf Betreuer und Sozialarbeiter zugingen, neue Trainingszeiten für alle Altersklassen einführten und die Fragen der Flüchtlinge koordinierten, um möglichst vielen Belangen gerecht zu werden. Bewährt hatte sich dabei der Zuschnitt der Trainingsgruppen, die jeweils zu maximal einem Drittel aus Zugewanderten bestehen. Zwei Drittel waren Deutsche oder Migranten, die schon länger vor Ort sind, um gegebenenfalls zu übersetzen und andere Hilfestellungen zu geben. „Anfangs war es sehr arbeitsintensiv, dann wurde es Alltag und irgendwann selbstverständlich“, erzählt Hoffmann von seinen ersten Erfahrungen der Integrationsarbeit. „Wir erlebten, wie ein Integrationsprozess konkret aussieht. Wie jemand Ängste abbaut, Vertrauen findet, Freundschaften entwickelt, die Sprache lernt, sich vernetzt und beginnt, sich für andere Dinge in Potsdam zu interessieren, davon erzählt und Strukturen, sowie Perspektiven entwickelt.“

Besonders eng soll das geplante „Fair“-Projekt mit dem Potsdamer Jugendamt verknüpft sein. Die Behörde ist in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften organisiert, die das Team weiterhin mit anderen Organisationen und Initiativen vernetzt, die im Bereich der Jugendhilfe tätig sind. So soll sich ein Netzwerk bilden, um auf die verschiedenen Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen eingehen zu können. In diesem Verbund soll künftig die Boxabteilung des USV und das „Fair“-Projekt die Rolle eines sportlich-integrativen Partners einnehmen. Denn neben dem Boxtraining will sich das Projektteam um Einzelfallmanagement oder Freizeitaktivitäten kümmern. Es soll sich ein Vertrauensverhältnis zu den Kindern entwickeln, um sich in Gesprächen über Erlebnisse aus der Vergangenheit, die momentane Lebenssituation und auch über mögliche Perspektiven für die Zukunft austauschen zu können. Entstehen soll dieses Vertrauen nicht nur durch die regelmäßigen Begegnungen in der Boxhalle, sondern auch bei Wochenendausflügen oder in Ferienfreizeiten. Gleichzeitig sollen diese gemeinsamen Ausflüge und Aktivitäten das Lernen der deutschen oder auch englischen Sprache fördern.

Eigenanteil von 18.400 Euro musst gedeckt werden

Auch wenn das Projekt breit angelegt ist, will Hoffmann ganz bewusst den Fokus auf Sport richten. „Leistungssport hat Strahlkraft auf alle Teilnehmer“, sagt er. „Wenn von zehn Kindern ein Kind Wettkämpfe bestreitet, motiviert dieses eine Kind die neun anderen. Es gibt ihnen Motivation, sich zu bewegen, anzustrengen und auszupowern.“ Unterstützt wird das „Fair“-Projekt von der „Aktion Mensch“ mit rund 61.000 Euro pro Jahr. Für den zu finanzierenden Eigenanteil von 18.400 Euro sucht das USV-Projektteam Sponsoren aus der Privatwirtschaft. „In Erscheinung treten können die Projektpartner in der Projektkommunikation, in den Medien, am Trainingsort und auf Wettkämpfen deutschlandweit, aber überwiegend in Berlin und Brandenburg“, sagt Hoffmann.

Bei der Frage, warum sich die Projektleitung für den Namen „Fair“ entschieden habe, antwortet Trainer Felix Hoffmann ganz im Sinne der Schriftstellerin Oates: „Im Sport und ganz besonders im Boxsport spielt Fairness eine wichtige Rolle. Egal ob im Ring oder im richtigen Leben; wir sind nicht allein! Du beanspruchst Gerechtigkeit und Fairness für dich selbst, also gewähre sie auch anderen“, beschreibt Hoffmann das, was er vermitteln möchte. „Die eigene Sportlichkeit ist hierfür sehr hilfreich. Lerne, dich selbst zu schätzen, dann lernst du andere schätzen.“

Fritz Könnicke

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