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Institution am Beckenrand. Norbert Warnatzsch gehört zu den erfolgreichsten Schwimmtrainern der Welt.

© dpa

Potsdamer Schwimmsport: Noch keine Lust auf die Rente

Der deutsche Schwimm-Erfolgstrainer Norbert Warnatzsch wird 70 Jahre alt. Er formte in seiner bisherigen Karriere zahlreiche Spitzenathleten, hatte aber auch gegen Widerständen anzukämpfen. In Potsdam gibt er einem Rohdiamanten den Schliff.

Norbert Warnatzsch ist schon sonntagmorgens um acht auch ohne seinen obligatorischen Espresso in der Schwimmhalle gesprächig. Pünktlich holt er den Besucher am Eingang des Potsdamer Olympiastützpunktes ab, erzählt auf dem Weg zu seinem Arbeitsplatz Geschichte und Geschichten des verschneiten Geländes am Templiner See. Die Rente mit 67 war kein Thema für einen der erfolgreichsten deutschen Schwimmtrainer.

„Trainer zu sein, ist Passion, Berufung. Mit jungen Menschen zusammenzusein, mich deren Problemen zu widmen, ist für mich Genuss pur“, sagt Warnatzsch kurz vor seinem heutigen 70. Geburtstag. „Die Frage sollte doch sein: Was leistet man? Und nicht: Wie alt ist man?“ Warnatzschs Erfolge in zwei deutschen Systemen reichen für mehrere Karrieren. 1980 führte er Jörg Woithe über 100 Meter Freistil für die DDR zum Olympiasieg und zwei Jahre später zum WM-Titel gegen die US-Konkurrenz. Franziska van Almsick erlebte mit Warnatzsch 2002 mit Weltrekord und fünf EM-Titeln ein spätes Karrierehoch. Britta Steffen reifte unter ihm zur Weltspitze, holte 2008 zweimal Olympia-Gold und ein Jahr später zwei WM-Titel. „Britta war das doppelte Lottchen, sie hat alles doppelt gemacht“, erinnert sich Warnatzsch schmunzelnd. „Er brachte mich zum Lachen, seine Witze waren auch zum 100. Mal erzählt noch Balsam für meine Sportlerseele“, erzählt die in ihrer aktiven Laufbahn oft besonders sensible Steffen.

„Es ist ein Witz, welchen Stellenwert Trainer haben“

„Ich mache mich oft zum Clown“, sagt Warnatzsch. Der Spagat zwischen Respektsperson mit aller notwendigen Autorität und dem lockeren, so ganz anderen Trainertypus als zu Beginn seiner Arbeit 1969 bei Dynamo Berlin – er hat ihn im Laufe von fast fünf Jahrzehnten gelernt. „Ich war kein Diktator, aber streng. Heute brauche ich das nicht mehr. Es passiert mehr und mehr auf Augenhöhe“, sagt der frühere Moderne Fünfkämpfer. Heutzutage ist der mündige Athlet gefragt; Warnatzsch fordert auch die Nachwuchsschwimmer „zum Mitdenken auf“.

Jenseits aller Altersmilde hatte die Laufbahn von Norbert Warnatzsch auch ihre Brüche. Deutschlands Wiedervereinigung war auch eine Zäsur in seiner Vita. Nicht alle DDR-Trainer waren willkommen, so empfand er es damals. Nach der Wende arbeite Warnatzsch anderthalb Jahre als Cheftrainer in Indonesien – ohne ein Wort Englisch zu sprechen. „In Indonesien wurde ich angebetet. In der DDR war die Anerkennung geregelt mit entsprechenden Prämien und Auszeichnungen“, erinnert sich der Vater zweier Kinder. „Woanders sind Olympiasieger Nationalhelden. Bei uns wird die Anerkennung der Gesellschaft immer weniger. Es ist ein Witz, welchen Stellenwert Trainer haben.“

Ein Männer-Weltrekord ist ein verbliebenes Ziel

2008 kamen während Olympia in Peking Doping-Vorwürfe – ein Verfahren wurde 1997 wegen Geringfügigkeit eingestellt – und Fragen zu einer Stasi-Historie auf. Reden will Warnatzsch darüber nicht mehr: „Es wurde viel Falsches berichtet.“ Als Trainer bei Dynamo Berlin war er automatisch in die Stasi-Hierarchie eingeordnet und hatte zuletzt den Rang eines Majors. „Die Situation ist doch die, dass meine Vergangenheit offen liegt. Das ist doch bekannt. Ich habe nie irgendwas verheimlicht“ , sagte er vor Jahren und betonte, er habe nie jemandem geschadet.

Ein verbliebenes Ziel hegt Warnatzsch noch: einen Männer-Weltrekord. Den mit seinem aktuellen Athleten Johannes Hintze zu erreichen, dürfte trotz des unbestrittenen Talentes des jungen Potsdamer Lagenschwimmers schwierig werden. Dass Warnatzsch mit jungen Menschen kann, bestätigt auch Steffen. Erst war er primär Respektsperson, mit zunehmendem Alter Steffens wurde es ein partnerschaftliches Miteinander. „Die harte tägliche Arbeit entwickelte sich zu einer Freundschaft, die besonders war“, schwärmt Steffen. „Ich liebte ihn wie meinen Vater, auch wenn ich oft genug rebellierte, alles brachte uns weiter.“ dpa

Marc Zeilhofer

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