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Ausgebremst. Beim Finale über 200 Meter riss die Rückenstarthilfe von Christian Diener aus der Verankerung und die Medaillenchance war dahin.

© Jens Dresling/Ritzau/AP/dpa

Potsdamer Schwimmsport: Hindernis statt Hilfe

Christian Diener wird die diesjährige Kurzbahn-Europameisterschaft wohl nie vergessen – wegen eines bitteren Fauxpas im ungünstigsten Zeitpunkt. Doch dieses Ärgernis war noch nicht einmal das einzige, das dem Schwimmer des Potsdamer SV im Kopenhagener Wasser widerfuhr.

Kopenhagen - Er hat viele Rennen bestritten, dabei verbissen gekämpft, doch ein Medaillengewinn war Christian Diener bei der Kurzbahn-Europameisterschaft in Kopenhagen nicht vergönnt. Aber auch ohne Edelmetall wird ihm diese Meisterschaft vermutlich für immer in Erinnerung bleiben – und ihn auf seinem sportlichen Weg weiter begleiten. Das wurde in Kopenhagen beispielsweise beim Vorlauf über 100 Meter deutlich.

Im Finale reißt Rückenstarthilfe aus Verankerung

Christian Diener springt ins Wasser, schnappt sich die Bänder der Starthilfe, die für Rückenschwimmer am Startblock befestigt ist, zieht kräftig daran und hängt sich zur Sicherheit noch einmal mit seinem ganzen Körpergewicht rein. „Ich dachte nur: Aahh, nicht abrutschen!“, sagte der Potsdamer zu diesem ungewöhnlichen Vorgehen. Nicht abrutschen? Christian Diener ist erfahrener Schwimmer, Starts gehören zu seinem täglich Trainingsbrot. Warum also hat ausgerechnet Deutschlands schnellster Rückenspezialist Sorge, beim Start abzurutschen? Weil es ihm passiert ist. Zum wohl ungünstigsten Zeitpunkt des Jahres.

Diener hatte tags zuvor über 200 Meter Rücken mit der schnellsten Vorlaufzeit von 1:49,77 Minute die eigenen Medaillenambitionen eindrucksvoll bestätigt. „Das sah richtig gut aus, so schnell ist er noch nie im Vorlauf geschwommen“, sagte Trainer Jörg Hoffmann: „Ich hätte gerne gesehen, was er daraus gemacht hätte.“ Hätte. Doch stattdessen riss beim Start die Rückstarthilfe aus der Verankerung. Der 24-Jährige verlor den Halt. Statt sich in hohem Bogen schwungvoll in sein Medaillenrennen zu stoßen, rutschte er runter. „Was für ein Pech kann man denn haben bitte?“, fragte der gebürtige Cottbuser später in die Runde. Wut, Enttäuschung, Frust – all das habe sich in ihm aufgestaut. „Ich war gebrochen.“ Denn: „Ich habe mich so gut gefühlt vor dem Rennen.“

Protest des DSV wurde in zwei Insztanzen abgelehnt

Der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) legte Protest ein, dieser wurde jedoch in zwei Instanzen abgelehnt. Diener habe die Starthilfe selbst eingestellt, daher sei er auch selbst für deren Halt verantwortlich. „Klar habe ich das selbst gemacht, wie immer, wie jeder andere auch“, sagte der Olympiafinalist von Rio, dem die Lust auf eine zweite Chance ohnehin längst vergangen war: „Selbst wenn sie gesagt hätten, der ganze Lauf schwimmt noch mal, hätte ich das nicht gewollt. Und alleine wäre ich niemals so eine Zeit geschwommen wie die ersten drei“, sagte der Sportsoldat, der im Sommer die WM-Qualifikation verpasst, sich dann aber mit starken Ergebnissen auf der Weltcup-Tour zurückgemeldet hatte und seinem Jahr in Dänemarks Hauptstadt einen positiven Ausklang verschaffen wollte.

Die EM-Veranstalter hatten neue Starthilfen für diese Kontinentalmeisterschaft eingeführt, offenbar ohne sie vorher unter Wettkampfbedingungen getestet zu haben. Mehrere Rückenschwimmer rutschten an den fünf EM-Tagen von den Starthilfen ab. So auch in der 4x50-Meter-Mixed-Lagen-Staffel der Italiener, die damit trotz bester Empfehlungen hinter dem viertplatzierten deutschen Quartett um Christian Diener, der in 22,94 Sekunden Bestzeit hingelegt hatte, abgeschlagen auf Rang acht landeten. Doch das eigentliche Problem hat weniger mit der fehlerhaften Technik als vielmehr mit den Nachwirkungen zu tun. „Da ist doch das Vertrauen in die Starthilfe zerstört“, sagte Coach Jörg Hoffmann. „Das wieder herzustellen ist schon schwierig“ – klar zu erkennen bei jedem Start seines Schützlings seither. „Ich hatte immer wieder Gedanken ans 200-Rücken-Rennen“, sagte auch Diener selbst, der im Finale über 100 Meter Rücken mit 50,41 Sekunden seine Bestzeit nur knapp verpasste – und als Vierter ebenso knapp das Podest.

Diener frustriert: "Haste einmal Scheiße am Schuh"

Für Diener spricht, dass er sich auf den ersten 100 Metern des von Beginn an verkorksten 200-Meter-Rennens noch auf Rang drei vorgekämpft hatte. „Ich hab halt sauviel investiert in die ersten 100 und versucht, noch mal irgendwie cool zu sein“, erklärte er und musste dann selbst laut über sich und wie er dabei ausgesehen haben mag lachen. „Ich dachte: Vielleicht reicht es ja noch für die Top- Fünf. Das hätte schon gut ausgesehen, glaube ich.“ Am Ende standen jedoch Platz acht und 1:53,41 Minute für Diener zu Buche. Dass er sich über einen solchen fünften Rang trotz aller Medaillenchancen womöglich ähnlich hätte freuen können, gehört zu den herausragenden Eigenschaften des Kämpfer-Typs Diener.

Zum EM-Abschluss stand er am gestrigen Sonntag dann noch mal in zwei Finals. Mit der Männer-Lagenstaffel sprang der fünfte Platz heraus. Zuvor war das PSV-Ass Achter über 50 Meter Rücken geworden – dabei war ihm die Hose gerissen. „Haste einmal Scheiße am Schuh“ – mehr fiel Diener nach fünf Tagen Pleiten, Pech und Pannen nicht mehr ein.

Sabrina Knoll

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