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Potsdamer Leichtathletik: Ohne Zubrot zur WM

Bei der Verabschiedung der vier Potsdamer Teilnehmer an der Leichtathletik-Weltmeisterschaft in London herrschte gedrückte Stimmung, denn der SC Potsdam hadert mit der städtischen Förderung. Gelder für Top-Athleten bleiben aus, weshalb sie offen über einen Vereinswechsel sprechen.

Von Tobias Gutsche

Gelb-rote Rosen überreichte Lutz Nichelmann am gestrigen Dienstagmittag an Stabhochspringerin Friedelinde Petershofen sowie die Geher Christopher Linke, Hagen Pohle und Nils Brembach. Viel lieber hätte der stellvertretende Geschäftsführer des SC Potsdam den vier demnächst an der Weltmeisterschaft in London teilnehmenden Leichtathleten allerdings ein paar Euroscheine in die Hände gedrückt. „Wir haben große Sorgen. Die aktuelle Situation tut uns in der Seele weh“, sagte Nichelmann und bezog sich damit auf die finanzielle Unterstützung für die SCP-Kadersportler.

Geher-Coach Weigel sieht für Zukunft schwarz

Mit 20 Aktiven hat der Verein nach eigenen Angaben Verträge geschlossen, die unter anderem monatliche Geldleistungen beinhalten. „Leider können wir die Vereinbarungen inzwischen nicht mehr einhalten“, erklärte er. Grund dafür seien die Veränderungen bei den Sportsponsoring-Aktivitäten des städtischen Unternehmens Energie und Wasser Potsdam (EWP). „Bis vergangenes Jahr hat der SC Potsdam von der EWP eine Förderung als Gesamtverein bekommen – also für Volleyball, Leichtathletik, paralympisches Schwimmen, Bobsport, soziale Projekte und so weiter. Seit 2017 gibt es die Unterstützung nur noch direkt für das Frauenvolleyball-Bundesligateam. Wir sind dankbar, dass so toll geholfen wird, die Volleyballerinnen voranzubringen, jedoch ist es für uns als Club eine Katastrophe, wenn alles andere hinten runterfällt.“

Besonders hart trifft dies die Leichtathletik-Abteilung. Laut Nichelmann wendet der SCP hierbei jährlich allein 120.000 Euro für seine Kadersportler auf. Die städtische Finanzspritze zählte zu den wichtigsten Säulen. Daher wurde gestern eindringlich appelliert, dass die Stadt – sei es über die EWP oder ein anderes ihrer Unternehmen – wieder das Engagement verstärkt. „Ansonsten sehe ich für die Zukunft des Vereins und der Athleten hier schwarz. So etwas liegt einem schwer im Magen“, sagte Ronald Weigel.

Förderprobleme erweisen sich als mentale Bremse

Er ist Bundestrainer der Geher und hat inzwischen zum vierten Mal in Folge ein Potsdamer Trio zum Jahres-Wettkampfhöhepunkt – WM, EM oder Olympia – geführt. Der Erfolgreichste von ihnen ist Christopher Linke, der vorige Saison bei den Sommerspielen in Rio als Fünfter über 20 Kilometer glänzte und nun für die vom 4. bis 13. August an der Themse stattfindenden Welttitelkämpfe einen Medaillengewinn zum Ziel hat. Die zuletzt ausbleibende Förderung erweist sich allerdings als mentale Bremse. „Das beschäftigt mich. Vor einer WM kann ich solch negative Gedanken natürlich überhaupt nicht gebrauchen“, meinte er und fand klare Worte: „Die Stadt Potsdam präsentiert sich gerne mit uns, aber möchte dafür keinen Cent bezahlen. Das ist in meinen Augen ein schlechter Deal. Ein sehr schlechter.“

Und um als Mann von Weltklasse-Format letztlich nicht wie ein Verlierer dazustehen, erwägt Christopher Linke auch einen radikalen Schritt. „Meine Zukunft beim SC Potsdam steht auf der Kippe. Ich weiß nicht, ob ich unter diesen Voraussetzungen die nächsten Jahre weiterhin für Potsdam starte. Ich investiere viel, mache Profisport – und dementsprechend möchte ich auch ein kleines Zubrot bekommen“, sagte der Sportsoldat, für den die aktuelle Lage bedeute: „Ich muss mich zwangsläufig nach anderen Vereinen umschauen.“

SCP-Präsident Bork in Gesprächen mit der Stadt

Vize-Geschäftsführer Lutz Nichelmann hat für jene Einstellung Verständnis. Es sei vollkommen nachvollziehbar, sollten sich erfolgreiche SCP-Aktive – wie die WM-Starter der Leichtathletik, die erfolgreiche Bobfahrer oder auch die schwimmenden Paralympics-Medaillengewinner Torben Schmidtke und Maike Naomi Schnittger – umorientieren. Und Nichelmann weiß: „Bei anderen Vereinen würden sie mit Kusshand genommen werden.“ Doch so weit soll es nicht kommen. Clubpräsident Torsten K. Bork stehe in Gesprächen mit den Stadtverantwortlichen, es lebe die Hoffnung auf eine zufriedenstellende Lösung. „Es geht darum, die sportliche Entwicklung und die Chance auf Erfolge in der Zukunft zu sichern“, betonte Geher-Coach Weigel.

Vor allem für die traditionsreiche Leichtathletik-Gilde des SCP, die mehr als 800 Mitglieder hat. Den überwiegenden Teil stellen Kinder und Jugendliche. Sie sind die nächste Generation möglicher internationaler Top-Akteure und stehen im engen Zusammenhang mit der aktuellen Förderung von Assen wie Petershofen, Linke, Pohle und Brembach. So erläuterte es Lutz Nichelmann: „Wenn uns die Spitze wegbrechen sollte, weil wir sie nicht finanzieren können, wäre es tragisch. Die jungen Sportler würden hier im Verein keine Vorbilder mehr haben, an denen sie sich hochziehen können.“

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