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Ein brasilianischer Sebastian. Einer der ärgsten Kontrahenten von Sebastian Brendel (l.) ist seit Jahren der Brasilianer Isaquias Queiroz. Der hat nun seinen Sohn nach seinem großen Idol benannt. Bei der WM grüßte Brendel geehrt den Neuankömmling.

© Ute Freise

Potsdamer Kanu-Rennsport: Nennen Sie Ihren Sohn Sebastian

Erstmalig in seiner ruhmreichen Karriere gewinnt Sebastian Brendel dreimal Gold bei einer Weltmeisterschaft. Als großes Vorbild ist der Potsdamer Kanute inzwischen sogar Namenspatron. Neben ihm sorgten aber auch weitere Paddler aus Potsdam für glänzende WM-Momente.

Von Tobias Gutsche

Als Waldemar Cierpinski 1980 seinen zweiten Marathon-Olympiasieg holte, huldigte ihn DDR-Sportreporter Heinz-Florian Oertel mit einem besonderen Tipp für die Fernsehzuschauer. „Liebe junge Väter oder angehende, haben Sie Mut! Nennen Sie Ihre Neuankömmlinge des heutigen Tages ruhig Waldemar“, sagte Oertel. Was Cierpinski damals war, ist der Potsdamer Kanute Sebastian Brendel heutzutage: eine Ikone des Sports. Und im Falle Brendels führte diese Vorbildrolle auch tatsächlich dazu, Namenspatron zu sein. Der Brasilianer Isaquias Queiroz hat seinen vor kurzem geborenen Sohn Sebastian genannt, also nach dem Mann, zu dem er seit Jahren aufschaut.

WM-Titel Nummer sechs bis acht für Sebastian Brendel

Bei der Weltmeisterschaft im tschechischen Racice machte Queiroz das am vergangenen Samstag wieder. Er blickte von der dritten Stufe des Siegerpodests hoch Richtung Brendel, der den WM-Titelhattrick im Canadier-Einer über 1000 Meter perfekt gemacht hatte. In einem packenden Rennen verwies er den tschechischen Lokalmatadoren Martin Fuksa auf Platz zwei. 2014 und 2015 gewann der Athlet des KC Potsdam auch bereits Gold beim Weltchampionat, zudem wurde er auf seiner Paradestrecke 2012 und 2016 Olympiasieger. Wegen jener Triumphe – und gewiss auch aufgrund der fairen, sympathischen Art von Brendel – gibt es nun einen brasilianischen Sebastian. Für ihn sei das eine „große Ehre“, sagte der KCP-Paddler, der sich für die Medaillenübergabe prompt eine nette Gegen-Geste einfallen ließ: „Welcome Sebastian Queiroz“ hatte er auf sein T-Shirt geschrieben.

Es blieb nicht das letzte Mal, dass Sebastian Brendel in Racice die Spitze des Podiums erklomm. Am Sonntag holte der Dreifach-Olympiasieger noch seine WM-Titel Nummer sieben und acht, womit er erstmalig in seiner ruhmreichen Karriere drei Goldmedaillengewinne bei einer internationalen Meisterschaft feiern durfte. Zusammen mit seinen Vereinskollegen Jan Vandrey und Stefan Kiraj sowie dem Berliner Conrad Scheibner wurde Brendel gestern zunächst Erster im Vierer über 1000 Meter und legte dann im Einer über 5000 Meter – beides gehört nicht zum olympischen Programm – nach. Nahtlos knüpfte der 29-Jährige an seine beeindruckenden Leistungen der Vorjahre an, obwohl er im Anschluss an die Sommerspiele von Rio eine viermonatige Erholungspause eingelegt hatte und folglich eine Saison mit stark verringertem Trainingspensum absolvierte. „Ich bin froh, dass ich wieder so zurückkommen konnte“, sagte er.

Potsdam an neun der zwölf deutschen Medaillengewinne beteilgt

Sebastian Brendel stach damit einmal mehr aus einem enorm starken Team des Deutschen Kanu-Verbandes (DKV) hervor. Dank zwölf Medaillen (sechs Gold/fünf Silber/eine Bronze), wovon die Hälfte (vier Gold/zwei Silber) in den besonders wichtigen olympischen Disziplinen geholt wurden, war Deutschland beste Nation der Titelkämpfe. Der KC Potsdam, der elf der 27 DKV-Starter stellte, half dabei wieder kräftig mit. Beim Gewinn von neun Plaketten (vier Gold/vier Silber/eine Bronze) hatten KCP-Asse ihre Paddel mit im Wasser. „Das ist sensationell. Unser Ziel wurde mehr als übererfüllt“, erklärte Potsdams Cheftrainer Ralph Welke, der „vier, fünf Medaillen – davon mindestens eine goldene“ als Vorgabe für seinen Verein ausgerufen hatte.

Neben den Titeln durch Brendel und dessen Vierer-Crew, gab es in den olympischen Bootsklassen noch drei weitere KCP-Podestplätze: Wie schon in Rio fuhr Kajakspezialistin Franziska Weber über 500 Meter mit dem Zweier sowie Vierer jeweils zu Silber – und Altmeister Ronald Rauhe stillte seine Sehnsucht nach WM-Gold. 2009 hatte er zuletzt solches eingeheimst, acht Jahre später gab es das edelste Metall für ihn nach einem bravourösen Ritt mit dem Kajak-Vierer auf der 500-Meter-Strecke. Das deutsche Quartett steigerte dabei seine eigene zu Saisonbeginn aufgestellte Weltbestzeit um rund eine Sekunde. „Dieser Titel“, sagte der 35-jährige Ronald Rauhe, „ist für mich extrem wichtig, denn er bestätigt mich, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.“ Und zwar nicht – wie anfänglich geplant – schon dieses Jahr die aktive Laufbahn zu beenden, sondern aufgrund der neuen Vierer-Herausforderung bis Olympia 2020 weiterzumachen. „Die Auftritte in dieser Saison verleihen mir unheimlich viel Selbstbewusstsein. Dadurch kann ich Vollgas für Tokio geben.“

Auch etliche Youngsters machen gehörig auf sich aufmerkam

Die Spiele in drei Jahren rücken auch in den Fokus von Potsdamer Talenten. Bei der WM machten etliche auf sich aufmerksam. Ganz besonders Tabea Medert, die als Doppel-Vizeweltmeisterin (Kajak-Zweier 1000 Meter und Kajak-Einer 5000 Meter) überzeugte – ihre ersten WM-Medaillen. Auch Tamas Gecsö gelang der Debüt-Sprung unter die Top 3 der Welt. Er peitschte als Schlagmann den Kajak-Vierer über einen Kilometer zu Bronze. Gut präsentierten sich zudem Timo Haseleu, der zusammen mit Ronald Rauhe auf Rang sechs des 200-Meter-Zweiers sprintete, sowie die Canadier-Hoffnungsträgerinnen Ophelia Preller/Annika Loske, die als jüngstes Duo im Zweier-Finale über 500 Meter Siebte wurden.

Vom Ausmaß der Potsdamer WM-Bilanz in der Spitze und Breite war am Ende Coach Welke völlig überrascht: „Hätte mir einer das vorher prognostiziert, ich hätte es für unmöglich gehalten. Wir können stolz sein auf die Saison.“ Die aber noch nicht zu Ende ist. Von Freitag bis Sonntag steht die deutsche Meisterschaft in München auf dem Plan, eine Woche später folgt der Kanalsprint in Brandenburgs Landeshauptstadt. Beides sind Veranstaltungen, bei denen sich die deutschen Top-Kanuten gerne ihren Fans, den Nachwuchsathleten und Sportinteressierten präsentieren. Sie nehmen sich Zeit für den direkten Kontakt. Trotz aller Erfolge sind sie nahbar geblieben, wahre Vorbilder, nach denen man eben auch gerne die Kinder benennen kann.

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