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Geringes Paddelpensum. Franziska Weber trainiert derzeit wenig.

© Ute Freise

Potsdamer Kanu-Rennsport: Meter machen fernab des Wassers

Die Kanu-Olympiasiegerin Franziska Weber legt ein sportliches Schmalspurjahr ein, um ihre Berufskarriere voranzutreiben. Ausbleibenden Erfolg beim Paddeln nimmt sie in Kauf. Den Kurs Richtung WM-Teilnahme hat die Studentin zumindest schon mal eingeschlagen - wie viele andere Potsdamer auch.

Von Tobias Gutsche

Karl-Heinz Schröter (SPD) gab einen Grundkurs Bauingenieurwesen. Beim traditionellen Spargelessen des Kanu Clubs Potsdam am vergangenen Montag auf dem Erlebnishof in Klaistow erklärte der brandenburgische Innenminister, dass Konstruktionen, die auf drei Beinen stehen, stabil seien. Im übertragenen Sinne, meinte Schröter, zeige sich dies auch beim KCP. Er sei der weltweit erfolgreichste Verein seiner Art, weil bei ihm talentierte Sportler, hochqualifizierte Trainer und treue Förderer ein festes Gefüge bildeten.

Den Exkurs in die Statiktheorie verpasste Franziska Weber – zu diesem Zeitpunkt war die Kanu-Olympiasiegerin kurz außerhalb des Saals. Hinzugelernt hätte sie durch den Vortrag aber ohnehin nicht. Schließlich ist sie mit der Thematik gut vertraut, studiert seit einigen Jahren an der Fachhochschule Potsdam Bauingenieurwesen. Derzeit macht die 28-Jährige dies so intensiv wie noch nie. „Ich möchte endlich dem Ziel des Diplomabschlusses näher kommen“, erzählte sie nach dem Spargelschmaus. „Deshalb muss ich jetzt mal richtig Meter machen im Studium.“

Teilweise nur zehn Trainingsstunden pro Woche

Sonst meterte die Kajakfahrerin mit Priorität auf dem Wasser. Das Training und die Wettkämpfe lagen im Fokus, ihre Hochschulaktivität wurde dem angepasst. Viel Zeit für das Studieren kam nicht herum. „Um richtige Fortschritte zu machen, muss ich einfach mal kontinuierlich da sein. Das ziehe ich jetzt dieses Jahr durch“, sagte Franziska Weber, die den Sport aktuell hintanstellt. Für gewöhnlich machen Top-Athleten so etwas direkt in der nacholympischen Saison. Auch Franziska Weber, die von den Sommerspielen in Rio zweimal Silber mit nach Hause brachte, erhöhte 2017 ihren Studienaufwand. Aber weil die Kursorganisation es nicht besser hergab, schaffte sie nicht so viel wie gewünscht.

Daher also dieses Jahr mit voller Konsequenz. „Ich möchte nicht nur hektisch von A nach B hetzen, kaum Zeit für Essen finden, um sowohl Sport als auch Studium zwanghaft gerecht zu werden. Am Ende hätte ich dann wohl auf beides keine Lust mehr.“ Sie trainiert nur, was sich wirklich harmonisch realisieren lässt. Das seien in den eigentlich auf hohe Umfänge ausgerichteten Wintermonaten mitunter nur zehn Stunden pro Woche gewesen. Für gewöhnlich ist dieses Pensum binnen zwei Tagen erreicht. Auch nur eine große Lehrgangsmaßnahme absolvierte Franziska Weber. Nach Florida flog sie mit, weil Semesterferien waren – als das zweite Camp in Sevilla stattfand, paukte sie daheim.

„Ich kann doch immer so schlecht verlieren“

Abgesegnet ist das Schmalspurjahr der deutschen Kanu-Frontfrau von den Führungskräften des nationalen Fachverbandes und den verantwortlichen Trainern. Webers Potsdamer Heimcoach Ralph Welke zeigt sich unaufgeregt. „Ich kann damit leben. Franzi hat eine klare Ausrichtung – Olympia 2020 in Tokio. Da will sie wieder das ganz große Ding. Den Leistungsaufbau wird sie bis dahin gut hinbekommen“, sagte er. „Wir werden aber eben damit umgehen müssen, wenn dieses Jahr nicht der ganz große Erfolg kommt.“ Für Franziska Weber, eine durch und durch ehrgeizige Athletin, gar nicht so einfach. „Ich kann doch immer so schlecht verlieren“, betonte sie schmunzelnd. „Wenn ich etwas mache, dann möchte ich die Beste sein. Aber in der aktuellen Saison muss ich einfach umdenken und mir eingestehen: So ist es jetzt halt.“

Von einem Medaillengewinn beim Höhepunkt 2018 – der Weltmeisterschaft Ende August im portugiesischen Montemor – spricht die KCP-Dame entsprechend nicht. Vielmehr wäre sie schon stolz, dort überhaupt eine „Hilfe für das deutsche Team“ zu sein. Dass sie auch mit vermindertem Training das Zeug dazu hat, bewies die dreifache Weltmeisterin bei der ersten nationalen Sichtung im April, als sie über 250 Meter gewann und Rang drei auf dem einen Kilometer belegte. Aufgrund dieser Vorstellung wurde Franziska Weber nun auch für den Weltcup vom 25. bis 27. Mai in Duisburg nominiert, bei dem sich Deutschlands Kanuten für WM-Einsätze empfehlen müssen. An der zweiten Sichtung am vergangenen Wochenende hatte sie nicht teilgenommen. Der Grund, natürlich: das Studium. Eine Hausarbeit musste fertiggestellt werden. 

+++ Elf Aktive der Eliteklasse im Weltcup-Aufgebot +++

Nach der zweiten nationalen Sichtungsregatta am vergangenen Wochenende in Duisburg wurden 34 Kanu-Rennsportler in den Kreis der diesjährigen Elite-Nationalmannschaft aufgenommen. Elf von ihnen stellt der KC Potsdam. Sie liegen damit auf Kurs Richtung Weltmeisterschaft, die Ende August im portugiesischen Montemor steigt. Für WM-Einsätze müssen sich die Nominierten nun vom 25. bis 27. Mai beim Weltcup in Duisburg empfehlen. Diese Potsdamer kämpfen um ihre Tickets: Franziska Weber, Conny Waßmuth, Ronald Rauhe, Felix König, Timo Haseleu, Tamas Gecsö (Kajak), Annika Loske, Ophelia Preller, Sebastian Brendel, Stefan Kiraj, Jan Vandrey (Canadier). „Insgesamt sind wir zufrieden. Wir haben wieder viele Leute durch die Sichtungen gebracht“, sagte KCP-Cheftrainer Ralph Welke. „Alles ist aber nicht aufgegangen.“ Beispielsweise schaffte es Tabea Medert, zweifache Vizeweltmeisterin des Vorjahres, nicht in die Auswahl.

Glänzend präsentierte sich derweil der Potsdamer Nachwuchs. Die Junioren vom Luftschiffhafen dominierten das Geschehen ihrer nationalen Qualifikation – zahlreiche Aktive meldeten Ansprüche auf einen Startplatz bei der Junioren-WM (26. bis 29. Juli im bulgarischen Plovdiv) an. Zu Siegen paddelten Martin Hiller und Leonard Busch (Kajak) sowie Florian Köppen und Isabelle Zanin (Canadier) ein. 

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