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Aufstrebend. Canadierfahrerin Annika Loske erkämpfte zuletzt in Duisburg ihren ersten Weltcup-Podestplatz.

© Ute Freise

Potsdamer Kanu-Rennsport: Hacken und jagen

Zehn Potsdamer Kanu-Rennsportler starten bei der Europameisterschaft in Belgrad und sollen dort "ein Zwischenhoch erreichen". Das Talent Annika Loske ist - anders als in den Vorjahren - ausschließlich als Solistin unterwegs. Und auch für Sebastian Brendel wird es beim Championat ungewohnt.

Von Tobias Gutsche

Für Annika Loske war es ein Rennen mit Überraschungen. Beim Weltcup vor eineinhalb Wochen in Duisburg absolvierte die Kanutin des KC Potsdam ihr Wettkampfdebüt auf der 5000-Meter-Langstrecke. „Ich wusste, dass es hart wird. Aber so doll hatte ich es nicht erwartet“, erinnert sich die Canadierfahrerin zurück an die Strapazen. Noch lieber denkt sie an den erfolgreichen Ausgang des Rennens. Die 20-Jährige schaffte es zum ersten Mal bei einer großen internationalen Regatta der Eliteklasse auf das Podest.

Sie erklomm die oberste Stufe. „Damit hätte ich vorher nie gerechnet“, sagt Annika Loske. „Aber ich weiß, dass ich auch viel Glück hatte.“ Erst stürzte eine kanadische Mitfavoritin. Dann gab es für die Potsdamerin an Land die Botschaft, sie rutsche von Platz zwei auf eins vor, weil die eigentliche Siegerin aus Russland disqualifiziert wurde. Grund: Sie war gegen Loskes Boot gefahren und hatte diese somit behindert. Massenstart, Paddeln im Pulk statt auf einer eigenen Bahn, dazu Wendemanöver um Bojen: Bei der Langstrecke geht es ordentlich zur Sache, „da wird gehackt“, erklärt die frisch gebackene Weltcup-Goldmedaillengewinnerin. In jenes „Gehacke“ wird sie sich nun auch bei der am Freitag beginnenden Europameisterschaft stürzen. Es ist der letzte Wettkampf vor dem Saisonhöhepunkt, der Weltmeisterschaft Ende August in Portugal. „Optimal vorbereitet sind wir zur EM noch nicht. Aber wir wollen ein Zwischenhoch erreichen“, sagt KCP-Cheftrainer Ralph Welke. Zehn Aktive seines Clubs sind in Belgrad am Start.

Duo Loske/Preller in dieser Saison gesprengt

Annika Loske wünschte sich, es wäre besonders noch eine weitere Athletin vom Luftschiffhafen dabei: Ophelia Preller. Seit 2011 trainieren beide zusammen und bilden ein Gespann mit großer Perspektive. In den vergangenen vier Jahren fuhren sie stets bei internationalen Championaten den Zweier. Sie holten dreimal Bronze bei Junioren-Europa- beziehungsweise -Weltmeisterschaften und glänzten 2017 als jüngstes Finalduo über 500 Meter mit Rang fünf der Erwachsenen-WM. Diese Saison plagen Ophelia Preller allerdings arge Schulterprobleme, sodass Annika Loske in der A-Nationalmannschaft ohne sie auskommen muss. Und darum ist sie auch nur als Solistin auf dem Wasser unterwegs. „Das ist schon komisch – nach so vielen gemeinsamen Jahren“, erzählt Loske. Es habe ihr immer sehr geholfen, die Anspannung mit Preller zu teilen. Nun ist sie auf sich allein gestellt. „Schade. Aber für Ophelia ist die Situation natürlich viel schlimmer. Ich kann wenigstens mitpaddeln.“

Bei der EM steht vor der 5000-Meter-Strecke noch der halbe Kilometer auf Loskes Plan. Über letztere Distanz wurde sie im Weltcup von Duisburg Fünfte – es sei für sie auch das wichtigere der beiden Rennen. Die Sportsoldatin, die an der Universität Potsdam ein Psychologiestudium aufgenommen hat, begründet: „Das ist schließlich eine Streckenlänge, die für Olympia interessant ist.“

Brendel "kommt aus der hinteren Position"

2020 wird es die olympische Premiere von Canadierdamen geben – zehn Jahre nachdem die Kategorie offiziell im Wettkampfbetrieb eingeführt wurde. Bei den Sommerspielen in Tokio gehören der Einer über 200 Meter sowie der Zweier über 500 Meter zum Programm. Annika Loske und Ophelia Preller wollen Deutschland im weiblichen Indianerboot-Duett vertreten. „Das ist ganz klar unser Ziel. Aber dafür brauchen wir noch eine ziemliche Steigerung“, meint Loske. National sind momentan Lisa Jahn (Berlin) und die Ex-Potsdamerin Sophie Koch (Karlsruhe) die Nummer eins – zuletzt gewannen sie Weltcup-Bronze mit einer Zeit deutlich unter zwei Minuten. „Die Marke haben wir noch nicht geknackt“, sagt Annika Loske, die aber optimistisch ist: „Wir haben das Zeug für Tokio.“ Sie selbst möchte diese Qualität bei der EM unter Beweis stellen. Eine Finalteilnahme im 500-Meter-Rennen sowie ein Top-5-Rang beim „langen Kanten“ seien ihre Ansprüche.

Auf mehr Paddelkilometer als Annika Loske wird in Belgrad aus KCP-Sicht nur ihr Canadierkollege Sebastian Brendel kommen. Er fährt die Einer über 500, 1000 sowie 5000 Meter. „Wettkampfhärte sammeln, Form stabilisieren und genau beobachten, wie sich die Konkurrenz verhält“, gibt Ralph Welke als Aufgabe vor. „Für Basti ist das ungewohnt, aber auch mal ganz angenehm, aus der hinteren Position zu kommen“, sagt der Coach mit Rückblick auf den vergangenen Weltcup, wo sich sein über Jahre hinweg dominanter Schützling mit Rang drei auf der olympischen 1000-Meter-Strecke abfinden musste. Und dem Verlust der Weltbestzeit. „Jetzt“, betont Welke kämpferisch, „kann Basti jagen!“ 

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