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Einer der ersten Titelträger. Sebastian Brendel gewann bei der Europaspiele-Premiere in Baku Gold. 

© SERGEY DOLZHENKO/dpa

Potsdam und die Europaspiele 2019: Probleme mit den European Games

An der zweiten Auflage der European Games nehmen neun Potsdamer teil. Für sie ist der Wettkampf nur ein Testlauf. Kanu-Ass Sebastian Brendel hadert mit dem Format der Europaspiele und hält ein anderes Konzept für zukunftsfähiger.

Von Tobias Gutsche

Potsdam - Die Erfolgsgeschichte in anderen Teilen der Welt gab den Anstoß, die Idee war klar: Mit der Einführung der European Games 2015 wurde nach Vorbild Asiens, Panamerikas und Afrikas auch in Europa versucht, ein gut angenommenes Multi-Sport-Event aus der Taufe zu heben. Quasi ein kontinentales Mini-Olympia mit hoher Strahlkraft. So richtig hatte sich diese bei der Europaspiele-Premiere vor vier Jahren in Baku nicht entfaltet. Für die Kanuten sogar überhaupt nicht. Sie paddelten fast 300 Kilometer von Aserbaidschans Hauptstadt entfernt, „irgendwo in der Walachei“, erinnert sich der Potsdamer Sebastian Brendel. Sein Kollege Ronald Rauhe fügt hinzu: „Wir wohnten nicht im Athletendorf, hatten einen isolierten Wettkampf nur für uns. Der Funke wie bei Olympia konnte so nicht überspringen.“

Andächtig. Ronald Rauhe (l.) und Tom Liebscher sprinteten 2015 zu Silber. 
Andächtig. Ronald Rauhe (l.) und Tom Liebscher sprinteten 2015 zu Silber. 

© Bernd Thissen/dpa

Gespannt blickt Routinier Rauhe nun auf die zweite Auflage, die in Minsk stattfindet und am Freitag beginnt. Diesmal werden die Kanuten mittendrin im Geschehen sein. „Da werden wir sehen, ob European Games wirklich einen besonderen Spirit entwickeln“, meint er. 

Auf dem zehntägigen Programm stehen 15 Sportarten (davon 13 olympische). Das sind fünf weniger als 2015, wodurch sowohl die Gesamtteilnehmerzahl (rund 4000 Athleten) als auch die Anzahl deutscher Starter (150) geringer geworden ist. Aus Brandenburg sind 19 Aktive dabei. Neun kommen aus Potsdam: neben den Kanuten Franziska John, Conny Waßmuth, Ophelia Preller, Sebastian Brendel, Ronald Rauhe, Jan Vandrey, Timo Haseleu und Tamas Gecsö (alle KC Potsdam im OSC) auch Speerwerferin Annika Marie Fuchs (SC Potsdam).

Brendel hadert mit "Zwängen" für die Athleten

John, Waßmuth und Rauhe hatten 2015 jeweils die Silbermedaille gewonnen, Brendel reist sogar als Titelverteidiger des Canadier-Einers über 1000 Meter an. Im Gepäck hat er Zweifel hinsichtlich des Formats der Europaspiele. Dass durch die umfangreiche Fernsehberichterstattung von Sport1 eine gute mediale Präsenz erreicht werden könnte, „ist natürlich super für uns“, sagt der 31-Jährige. Doch weil das Europäische Olympische Komitee der Ausrichter ist und nicht die einzelnen Fachverbände entstünden laut ihm „problematische Zwänge durch Regularien“. So ist es den Athleten wie bei Olympia nicht erlaubt, ihre individuellen Sponsoren zur Schau zu tragen. Beispielsweise ist Werbung auf den Booten oder Paddeln verboten. „Wir kämpfen um jeden eigenen Sponsor, der uns unterstützt. Wenn wir dessen Logo dann nicht öffentlich zeigen dürfen, macht es die Situation nicht besser“, meint Brendel. Als weiterer Nachteil kommt hinzu, dass die Europaspiele dieses Jahr für die Kanuten die Alternative zu den Europameisterschaften darstellen. Aber mit weit weniger Bootsklassen. Etliche Athleten müssen zu Hause bleiben.

Bitte lächeln. Martin Fuksa, Sebastian Brendel und Attila Vajda bei ihrer Siegerehrung in Baku. 
Bitte lächeln. Martin Fuksa, Sebastian Brendel und Attila Vajda bei ihrer Siegerehrung in Baku. 

© SERGEY DOLZHENKO/dpa

Daher glaubt der dreifache Olympiasieger, dass sich ein anderes Konzept auf kontinentaler Ebene durchsetzen wird. „Ich hoffe es jedenfalls.“ Brendel meint die European Championships, die 2018 erstmalig durchgeführt wurden. In Glasgow und Umgebung, Edinburgh und Berlin fanden Europameisterschaften für sieben Sportarten (Schwimmen, Leichtathletik, Radsport, Rudern, Turnen, Triathlon, Golf) und ihre jeweiligen Unterdisziplinen gebündelt binnen elf Tagen statt. Deutschlands öffentlich-rechtliche TV-Sender berichteten in großer Fülle, hatten hohe Einschaltquoten. „Das war klasse. Genau das Richtige, um den Sport im Schatten des Fußballs zu stärken“, findet Brendel.

Europaspiele wieder in einem autokratisch geführten Land

Die aufwendige und kostspielige Organisation kann dabei auf mehrere Schultern verteilt werden. Nicht eine einzige Stadt muss die Austragung stemmen. Zumal solche Großereignissen zunehmend insbesondere von Ländern angezogen werden, denen sehr kritisch begegnet werden muss. So steigen die diesjährigen Europaspiele wieder in einem autokratisch geführten Land. Nach Aserbaidschan ist es nun Weißrussland, das als letzte Diktatur Europas gilt – mit Repression gegen Pressevertreter, staatlicher Kontrolle des Internets und Vollstreckung der Todesstrafe. Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, hatte deshalb voriges Jahr zwischenzeitlich sogar einen deutschen European-Games-Boykott nicht ausgeschlossen.

Letztlich ist aber doch eine schwarz-rot-goldene Mannschaft am Start. Der sportliche Wert der Wettkämpfe ist dabei unterschiedlich zu beurteilen. Manch olympische Kern-Sportart wie Schwimmen ist gar nicht vertreten, die Leichtathletik testet ein neues Team-Wettbewerb-Format. In einigen Sportarten können Qualifikationspunkte für Olympia 2020 gesammelt oder gar das direkte Ticket gebucht werden. Andere bieten niveauschwache Startfelder auf. „Für uns ist das ein wichtiger Leistungstest“, ordnet Potsdams Kanu-Cheftrainer Ralph Welke ein. Es sei eine Standortbestimmung auf dem Weg zur WM Ende August in Ungarn. Da geht es dann um Qualifikationsplätze für Tokio. Ursprünglich war das so auch für die European Games gedacht, wurde aber wieder verworfen. Inwiefern die Idee der Europaspiele durchhält, bleibt abzuwarten.

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