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Gut mit den Händen und gut zu Fuß. Der US-amerikanische Quarterback Jacob Tucker ist in seiner Spielweise sehr flexibel. Bei seinen bisherigen drei Partien für Potsdam war er an 13 Touchdowns direkt beteiligt. Sechsmal legte er per Pass vor, siebenmal beförderte er den Ball per Lauf selbst in die Endzone.

© Gerhard Pohl

Potsdam Royals: Wie ein Finale

Die American-Football-Mannschaften Potsdam Royals und Düsseldorf Panther dominieren die Nordstaffel der zweiten Liga. Nun treffen sie zum großen Showdown am Rhein aufeinander. Mit dabei ist Potsdams Quarterback Jacob Tucker, der zum Glücks- im Unglücksfall wurde.

Von Tobias Gutsche

Es sind Trockenübungen im doppelten Sinne. Die American-Football-Offensive der Potsdam Royals exerziert gerade auf dem Kleinmachnower BBIS-Sportgelände ein paar ihrer Angriffsvarianten. Ohne Gegner und mit eher mäßigem Tempo, es geht nur um das Verfestigen der Abläufe. Unüblicherweise machen die breitschultrigen Athleten dies barfuß – denn sie stehen in der Halle und nicht auf dem Kunstrasenplatz. „Für den Theorieteil, wo viel gesprochen und verharrt wird, müssen wir uns jetzt nicht unbedingt draußen ins Nasse stellen“, sagt Royals-Cheftrainer Michael Vogt, während der Regen an die große Fensterfront peitscht. „Da nehmen wir einfach Rücksicht aufs Wochenende.“

Kein unnötiges Erkältungsrisiko eingehen vor dem Gipfeltreffen der German Football League 2 Nord, das womöglich entscheidenden, finalen Charakter für die gesamte Hauptrundensaison hat. Die derzeit mit einer makellosen Bilanz von 18:0 Punkten zweitplatzierten Potsdamer gastieren am morgigen Samstag beim Spitzenreiter Düsseldorf Panther (Beginn: 17 Uhr), der bereits zwei Partien mehr absolviert hat und auf 20:2 Zähler kommt. „Für beide Mannschaften steht alles auf dem Spiel“, betont Vogt. „Der Verlierer wird wohl raus sein aus dem Rennen um Tabellenrang eins – und kann damit die Teilnahme an der Relegation um den Erstliga-Aufstieg abhaken.“

Royals brachten Panther bisher einzige Saisonpleite bei

Den Sprung hinauf in die Beletage – für Potsdam wäre es eine Premiere, für Düsseldorf hingegen die direkte Rückkehr nach dem Abstieg im Vorjahr – haben sich beide Clubs zum Ziel gesetzt. Zwar seien noch ein paar weitere Matches zu bestreiten, doch angesichts der Dominanz der Royals und Panther sei kaum zu erwarten, dass einer von ihnen noch Federn lässt, meint Vogt.

Daher verdichtet sich der Zweikampf auf den direkten Vergleich, in dem bisher das Team aus Brandenburg vorne liegt. Gleich am ersten Spieltag hatten die Königlichen daheim die schwarzen Raubkatzen gezähmt und ihnen so die bislang einzige Saisonpleite beigebracht. Allerdings: Der Sieg fiel nach packendem Verlauf nur mit einem Punkt Unterschied aus, 21:20 hieß es. „Das ist quasi nichts. Daher dürfen wir uns sicherlich keine Niederlage in Düsseldorf erlauben, denn sobald es auch nur zwei Punkte Differenz sind, hängen wir zurück“, weiß der Potsdamer Coach.

Tucker lässt für die Royals seinen eigentlichen Pläne ruhen

Hinter ihm probt unterdessen weiter fleißig sein Angriffskollektiv. Mittendrin: Jacob Tucker, für die Royals ein Glücks- im Unglücksfall. Anfang Juni hatte sich Potsdams starker Stamm-Quarterback Zach Shaw beim Auswärtssieg in Paderborn das Schlüsselbein gebrochen. Doch zu einem Bruch der Royals-Erfolgsserie führte dies nicht, da der Verein kurzerhand einen anderen Spielgestalter aus den USA – Jacob Tucker – verpflichtete. Und er schlug ein wie ein hartes Tackling. Unter der Führung des 24-Jährigen gelangen drei haushohe Siege, bei denen er an 13 Touchdowns direkt beteiligt war. „Es läuft super. Wir haben, seitdem ich hier bin, noch kein perfektes Spiel abgeliefert, aber waren schon ziemlich nah dran“, sagt der in Tennessee aufgewachsene Footballer, der zuletzt fünf Jahre lang an der University of North Alabama studierte und spielte.

Dort arbeitete er unter anderem mit Will Furlong zusammen, mittlerweile Offensiv-Coach der Potsdam Royals. Furlong war dann auch der Strippenzieher für den Wechsel an die Havel. „Eigentlich“, gibt Jacob Tucker zu, „hatte ich andere Pläne.“ Im Mai schaffte er seinen Bachelor-Abschluss in Biologie, wollte direkt die Master-Ausbildung zum Bio-Lehrer folgen lassen, um zeitnah ins Jobleben starten zu können. Aber die Offerte aus Deutschland war zu verlockend. „Ich dachte mir: Mein ganzes Leben werde ich noch arbeiten, doch um Football zu spielen, hat man nicht so viel Zeit. Mir war klar, dass es das ist, was ich gerade möchte.“ Und ab ging es gen Potsdam.

„Wenn ich weiter in Europa spielen sollte, dann für Potsdam“

Dort freuen sich die Verantwortlichen nach dem bitteren Aus des nun vorerst zum Coaching-Stab gehörenden Zach Shaw über den gelungenen Ersatz-Coup. Dank Tucker, der seine College-Truppe 2016 bis ins nationale Finale der Division geführt hatte und zu den besten Akteuren der Liga zählte, habe man das Niveau unvermindert hochgehalten, urteilt Cheftrainer Michael Vogt und lobt die brillante Notlösung: „Jacob ist ein schwer ausrechenbarer Quarterback. Er kann nicht nur gut werfen, sondern auch mit seinen eigenen Beinen ziemlich viel Schaden anrichten.“ Bisher sechs Touchdowns per Pass und gar sieben per Lauf sind Beleg seiner Flexibilität.

Dass ein neuer Spieler in einer Sportart, die herzlich wenig dem Zufall überlasst, sondern auf für jedes Team zugeschnittene, streng durchchoreografierte Spielzüge setzt, gleich derart gut Regie führt, ist durchaus unüblich. Die Sportler-Trainer-Verbindung Tucker-Furlong macht es aber möglich. „Ich kenne seine Philosophie, sein System, finde mich daher klasse zurecht. Und es wird immer besser“, berichtet Tucker. Mit seinen Leistungen hat er sich auch längst für ein über die laufende Saison hinausgehendes Engagement bei den Royals empfohlen. „Er ist sicherlich einer, den man gerne halten möchte“, sagt Michael Vogt. Tucker selbst macht klar: „Wenn ich weiter in Europa spielen sollte, dann für Potsdam. Die Royals haben mich hierhergeholt. Dafür bin ich sehr dankbar.“

Der US-Boy hat erst ein einziges Spiel bei Regen absolviert

Doch die konkreten Zukunftsplanungen sind momentan hinten angestellt. Voller Fokus auf Düsseldorf. „Das ist für unseren Verein das Spiel des Jahres. Ich freue mich drauf, denn genau deswegen bin ich hier: für den großen Wettkampf“, bekräftigt der US-Boy mit den kurzen, schwarzen Haaren und Vollbart.

Inzwischen hat der Regen etwas nachgelassen. Es nieselt nur noch. Zeit, rauszugehen auf den Platz, wo dann intensiv gearbeitet wird. Tucker zieht sich die Schuhe an und trottet in rotem Shirt und lilanen Shorts durch die kühl-feuchte Luft. „Aus Tennessee und North Alabama bin ich anderes Sommerwetter gewohnt – Sonne und Hitze.“ Regen eher nicht. Erst ein einziges Spiel habe er in seiner Karriere bestritten, während Petrus seine Schleusen öffnete. „Daher“, erzählt er, „ist es gar nicht so schlecht, dass ich jetzt noch mal ein bisschen bei diesen Bedingungen, wenn der Ball nass und der Boden rutschig ist, trainieren kann. Kann ja auch sein, dass es am Samstag in Düsseldorf regnet.“ Aber letztlich ist ohnehin nur eines wichtig: Am Ende sollen seine Royals vor Freude strahlen wie die Sommersonne über Tennessee und North Alabama.

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