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Negativer Höhepunkt. Beim Landespokalfinale 2016 in Luckenwalde kam es zu einem umstrittenen Polizeieinsatz gegen SVB-Fans.

© Jan Kuppert

Über die schwierige Beziehung zwischen Fußball-Fans und Polizei: Wie Hund und Katz

Gewalt, Schuld, Feindbilder: Der Fan-Experte Christoph Ruf hielt in Babelsberg einen Vortrag zum Verhältnis zwischen Fußball-Anhängern und der Polizei, das "nachhaltig vergiftet scheint". Das Thema ist in der Szene des SV Babelsberg 03 sehr präsent.

Potsdam - Auf der Leinwand ist ein aktuelles Bild zu sehen. Aufgenommen am selben Tag am Potsdamer Hauptbahnhof. Es zeigt ein Plakat der Kampagne wir-sind-rechtsstaat.de des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz: Neben einem Foto aus einem Gerichtssaal steht „Wir sind unschuldig. Bis das Gegenteil feststeht“. Sportjournalist und Fan-Experte Christoph Ruf sitzt direkt unter dem Bild und sagt: „Das gilt nicht für Fußball-Fans.“

Der Fanladen Babelsberg ist am Montagabend gut gefüllt. Etwa 40 Leute sind da. Sie sitzen auf einem bunten Mix aus Plastikstühlen, Sofas, Sesseln und großen Sitzkissen, erstehen am Tresen mit dem aufgemalten Wappen des Fußball-Regionalligisten SV Babelsberg 03 günstige Getränke und hören Rufs Ausführungen zum Thema „Wie Hund und Katz – über das schwierige Verhältnis zwischen Fans und Polizei“. Ein Verhältnis, das laut Ankündigung „nachhaltig vergiftet scheint“. Ruf hat mehrere Bücher zum Thema Fans veröffentlicht, unter anderem „Kurvenrebellen“, einen hochinteressanten Einblick in die Ultra-Szene.

Es werde weder eine Abhandlung, „die Rainer Wendt gefällt, noch ein ACAB-Vortrag“, sagt Ruf. Da wird bereits klar, dass etwas Vorwissen nicht schaden kann – aber darüber dürfte das Auditorium in einem Fanladen verfügen. Rainer Wendt ist der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft und wegen Aussagen wie „Wer ins Stadion geht, begibt sich in Lebensgefahr“ für sehr viele Fans eine Reizfigur. ACAB steht für die in Fankurven gebräuchliche Polizei-Schmähung „All Cops are Bastards“.

Ruf spricht derzeit in vielen deutschen Städten vor Fans – und er steht eher auf deren Seite. So referiert er über Polizeigewalt und sagt: „Wenn etwas passiert, wird es oft nicht aufgeklärt. Wenn mal ein Fall vor Gericht landet, endet er meist mit Freisprüchen. Das ist ein beschissenes Gefühl für junge Menschen.“ Bei den Fans entstehe der Eindruck, die Polizei könne sich alles erlauben.

Auch Babelsberger Anhänger kennen solche Geschehnisse. Ein Zuhörer spricht später das Landespokalfinale 2016 in Luckenwalde an, als es nach Abpfiff zum von vielen Seiten als völlig überzogen eingestuften Polizeieinsatz mit Pfefferspray und Schlagstöcken kam. Er beendet sein Statement mit den Worten: „Ich habe meinen Kindern immer gesagt, vor Fans müsst ihr keine Angst haben. Aber wenn die Polizei kommt, müsst ihr weg.“ Dafür gibt es viel Applaus.

Problem Sonderzug

Der – regelmäßig nicht vorhandenen – Unschuldsvermutung widmet sich Ruf ausführlich, unter anderem am Beispiel von Fahrten zu Auswärtsspielen in Sonderzügen. Fans werden vor Ort mit einem riesigen Polizeiaufgebot empfangen, bekommen vorgegeben, wie sie zum Stadion gelangen oder wann sie auf Toilette dürfen. Außerdem seien Beleidigungen oder Drohungen seitens der Beamten nicht selten.

Eine Minderheit, zu der sich Ruf zählt, findet dies skandalös. Eine breite Mehrheit der Gesellschaft könne gut damit leben, handele es sich in ihren Augen bei Fußball-Fans doch ohnehin um potenzielle Gewalttäter. Frei nach dem Motto: es wird schon die Richtigen treffen. Ruf stellt die Frage, ob die Mitreisenden eines Sonderzuges wohl genauso behandelt werden würden, wenn sie ohne Fankleidung in eine andere Stadt fahren, um ins Kino zu gehen. Die Antwort muss er nicht geben.

Ultras nicht unschuldig

Allerdings macht es sich der 47-Jährige nicht so einfach, die Schuld nur der Polizei zu geben. Wenn irgendwo etwas vorgefallen sei, höre er von Ultra-Gruppierungen häufig: „Wir haben gar nichts gemacht.“ Das glaube er inzwischen kaum noch. Darüber hinaus gebe es Gruppen, für die der schönste Sieg und das tollste Spiel ohne Auseinandersetzungen mit der Polizei nicht vollkommen sei.

Beide Seiten könnten kaum weiter voneinander getrennt sein, doch Ruf sieht trotzdem Parallelen: eine hierarchische Struktur, stark männlich dominiert und große Schwierigkeiten damit, nach außen Fehler einzugestehen.

Grundproblem bleibt bestehen

Als ein positives Beispiel für Entspannung nennt Ruf Baden-Württemberg. Dort arbeiten seit einiger Zeit alle Akteure wie Polizei, Vereine, Ordnungsdienst und Kommunen enger zusammen, bei den Spielen sind zudem weniger Polizisten im Einsatz. Und die Zahl der Straftaten stagniert auf niedrigem Niveau. „Fußballspiele sind friedliche Großveranstaltungen“, sagte Uwe Stahlmann, Leiter der Landesinformationsstelle Sporteinsätze im baden-württembergischen Innenministerium in der „Süddeutschen Zeitung“.

Das Grundproblem bleibe jedoch bestehen, fürchtet Ruf. Eben das Verhältnis wie Hund und Katz. „Daran wird sich in absehbarer Zeit nichts ändern.“ Auch, weil die Medien mit ihrer Berichterstattung dazu beitragen und Politiker gern mit populistischen Äußerungen punkten würden. Vor einem Jahr etwa forderten mehrere Innenminister Haftstrafen für das Abbrennen von Pyrotechnik in Stadien, was als Ordnungswidrigkeit eingestuft ist.

Die Hoffnung, dass sich die Beziehung zwischen Fans und Polizei überall und dauerhaft verbessert, hat Ruf nicht aufgegeben. Er denkt da aber nicht in Jahren, sondern eher in Jahrzehnten.

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