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Die zweiten Spiele. Maike Naomi Schnittger war bereits 2012 in London am Start. Nun springt sie ins paralympische Wasser von Rio.

© dpa

PNN-Olympiaserie "Rio ruft" - die Paralympics: Nach der Erkundung nun die Spiele

Schwimmerin Maike Naomi Schnittger verfügt nur noch über ein Prozent Sehkraft. Sich damit zurechtzufinden, ist eine Herausforderung. Daher reiste die Potsdamerin bereits einmal vorab nach Rio, um den Paralympics-Ort kennenzulernen, wovon sie jetzt profitiert.

Von Tobias Gutsche

Die Offerte stand. Allen Top-Athleten der deutschen Schwimm-Nationalmannschaft wurde die Möglichkeit geboten, in Vorbereitung auf die Paralympischen Spiele einen Testwettkampf in Rio zu bestreiten. Die Resonanz darauf hielt sich dann jedoch in Grenzen. Einzig Maike Naomi Schnittger sagte zu. „Und ich würde es immer wieder so machen“, erzählt die Schwimmerin des SC Potsdam, die im April gemeinsam mit Bundestrainerin Ute Schinkitz an den Zuckerhut reiste, um die Wettkampfstätte sowie weitere zentrale Schauplätze der Sommerspiele 2016 zu erkunden.

Für die 22-Jährige war dieser Trip von großer Bedeutung, es ging dabei vor allem um eines: Orientierung finden. Denn: Maike Naomi Schnittger verfügt nur noch über etwa ein Prozent Sehkraft, sich damit zurechtzufinden, ist eine Herausforderung, ganz besonders innerhalb einer solch riesigen Metropole wie Rio. „Ohne vorher bereits da gewesen zu sein, wäre ich vermutlich nur rumgeirrt und hätte dadurch viel Nerven und Energie gelassen. So aber habe ich jetzt bereits ein Gefühl für den Ort, für die Wege. Ich komme in eine bekannte Umgebung.“

Wie vor London 2012 plagten sie nun erneut gesundheitliche Probleme

Die Paralympics an sich sind für die SCP-Athletin, die aufgrund einer angeborenen Augenkrankheit im Alter von 13 Jahren binnen weniger Wochen rapide an Sehstärke verlor („Ich bin froh, dass ich zunächst sehen konnte – dadurch habe ich jetzt eine klare Vorstellung von den Dingen“), ebenfalls kein Neuland mehr. 2012 in London war sie schon am Start und belegte zweimal den siebten Rang. Es hätte höchstwahrscheinlich noch besser werden können, aber eine Blinddarmoperation warf sie kurz vor dem Großereignis zurück. „Auch wenn ich mit meiner Leistung nicht zufrieden war“, erinnert sich Schnittger, „habe ich die Zeit in London genossen. Die Atmosphäre bei den Spielen war einmalig. Das hat regelrecht süchtig gemacht, sodass Rio natürlich mein großes Ziel wurde.“

Auf dem Weg dorthin lief es gut. 2013 wechselte sie von ihrem ostwestfälischen Zuhause nach Potsdam, nahm eine positive sportliche Entwicklung, sammelte EM- und WM-Medaillen, trug sich in die Weltrekordliste ein. Doch im vergangenen Oktober der Schock – wieder gesundheitliche Probleme. Im Training zog sich die athletische Frau einen Kreuzbandanriss zu und bekam anschließend auch noch eine Thrombose. „Da war dann erst mal knapp drei Monate Sendepause für mich.“ Aber Maike Naomi Schnittger, die von Christian Prochnow – er wurde 2008 Olympia-15. im Triathlon – gecoacht wird, kämpfte. Sie kehrte zurück ins Becken, feilte an ihrer Form – und überraschte sich selbst. Erst stellte sie im Frühjahr bei Meetings neue Bestzeiten auf, im Mai gelang ihr das zudem bei der Europameisterschaft, was mit Bronze und Silber über 50 sowie 400 Meter Freistil eine glänzende Garnierung erhielt. „Irgendwie“, sagt die Psychologie-Studentin der Universität Potsdam und lacht, „bin ich eine Wundertüte.“

Die nächsten Spiele in Tokio hätten für sie einen besonderen Reiz

Diesen Status macht sie sich auch gleich zunutze, wenn es um ihre Ziele für Rio geht, wo sie über 100 Meter Schmetterling, 400 Meter Freistil sowie ihre beiden Hauptstrecken 50 und 100 Meter Freistil ins Wasser springen wird. „Sicherlich habe ich immer von so einer Medaille geträumt. Aber ich möchte mir nichts vornehmen. Für mich ist erst einmal nur wichtig, dass ich dabei sein darf und nach den zurückliegenden chaotischen Monaten voller Überzeugung sagen kann: Ich habe wirklich alles im Training gegeben. Wofür das reicht, wird sich zeigen“, meint Maike Naomi Schnittger – und lacht erneut.

Als wahre Frohnatur wandelt sie durch die Welt und ist aufgrund eben jener charismatischen Ausstrahlung inzwischen Teil vieler Kampagnen des paralympischen Sports. Womöglich bleibt sie das auch vier weitere Jahre lang, denn eine Teilnahme an den Paralympics 2020 „hätte für mich schon einen riesigen Reiz“. Schließlich steigen die Sommerspiele dann in Tokio. Der Stadt, in der sie die ersten zweieinhalb Jahre ihres Lebens verbrachte, weil ihre Eltern damals an der „Deutschen Schule Tokyo Yokohama“ als Lehrer tätig waren, ehe die Schnittgers 1996 mit der gebürtigen Japanerin Maike Naomi zurück in die Heimat kamen. 

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