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„Brutalpragmatiker“. Notvorstand und Aufsichtsratsmitglied Archibald Horlitz wird als möglicher neuer Präsident des SV Babelsberg 03 gehandelt.

© Andreas Klaer

Neuer Chef des SV Babelsberg 03: Als Notvorstand ist fast alles getan – nur ein Nulldrei-Präsident fehlt noch

Seit heute Nachmittag ist er offiziell neuer Vorstandsvorsitzender des SVB: Archibald Horlitz, im Ruhrgebiet groß geworden und inzwischen in Babelsberg heimisch, galt schon in den vergangenen Wochen als heißer Kandidat für die SVB-Vereinsführung.

Der Mann steht etwas abseits vom Trainingsplatz, wo die Drittliga-Fußballer des SV Babelsberg 03 ihre Übungseinheit absolvieren. Etwas versteckt hinter einem Baum steht Archibald Horlitz und beobachtet, wie die Männer in den blauen Trainingsanzügen abwechselnd auf einem Bein hüpfen. Vielleicht gehen ihm gerade ein paar Bilder der eigenen Jugend durch den Kopf, als er im Essener Stadtteil Heisingen berüchtigt für Eigentore war und regelmäßig Elfmeter verschuldete. Aus seinen fußballerischen Missgeschicken hat Horlitz keinen Hehl gemacht, als er sich vor einigen Tagen erfolgreichen um einen Platz im Aufsichtsrat des SVB bewarb.

Horlitz lugt hinter dem Baumstamm hervor, als wolle er wie beim Versteckspiel herausfinden, ob die Lage rein ist. Ist sie nicht. Die Lage ist brenzlig beim Kiezklub Nulldrei. Der Abstieg droht, die Kassen sind leer und die Führungsriege sortiert sich wieder einmal neu. Und Horlitz, der in der Grenzstraße gleich neben dem Babelsberger Karl-Liebknecht-Stadions wohnt, soll das Feuer löschen. Per Amtsgericht wurde er vor einigen Wochen zum Notvorstand bestellt. Er bekam ein paar Wochen Zeit, um das Nötigste beim SVB in Ordnung zu bringen. Er hat nicht lange gefackelt: Gemeinsam mit seinem Notvorstandskollegen Götz Schulze hat er den glücklosen Trainer Christian Benbennek entlassen, die strittige Manager-Personalie Klaus Brüggemann gelöst, die Wahl eines neuen Aufsichtsrats über die Bühne gebracht und nebenbei eine neue Intrige um die Vereinsspitze im Keim erstickt. „Ich bin ein Brutalpragmatiker“, sagt Horlitz von sich selbst. „Was hätte schlechter daran werden sollen, wenn man mit dem Mann redet?“, erklärt Horlitz etwa, wie er sich mit dem unliebsamen Brüggemann geeinigt hat. Eine gute Stunde habe es gedauert, dann waren die Formalitäten und die Höhe der Abfindung geklärt.

Ein paar Minuten nach seiner Trainingsplatzvisite sitzt Horlitz in der Geschäftsstelle des SVB. Der groß gewachsene Mann füllt das schmale Büro gut aus, er hat die Brille auf die Stirn geschoben, vor ihm flimmert der Bildschirm seines Mac-PC. Horlitz hat stressige Wochen hinter sich. „Duschen, Bäcker, Stadion, Bett“, fasst er den Ablauf der vergangenen Tage zusammen. Doch jetzt wirkt er ganz ruhig, verschränkt die Arme entspannt hinter dem Kopf und lässt die Brust anschwellen, sodass seine tiefe Stimme noch etwas brummiger wird. Als Notvorstand ist fast alles getan, was getan werden musste. Nur noch eine Führungsriege soll bestimmt werden. Und ein neuer Nulldrei-Präsident.

Der offene Reißverschluss von Horlitz‘ Kapuzenjacke trennt die Aufschrift in zwei Teile: Babels und berg. Es gilt einiges zu kitten bei Nulldrei und der Wunsch nach einem starken Mann an der Spitze ist groß. Einer, der es ehrlich meint, wenn er vom Babelsberger Kult und Kiez spricht. Einer, der gut in der Wirtschaft vernetzt, aber nicht mit ihr verstrickt, der mit der Politik verbunden, aber nicht verfilzt ist. Der das Geschäft mit den Banken kennt, aber keine Geschäfte mit ihnen macht. „Ich bin keiner, der sich im Anzug und mit Zigarre auf die Tribüne stellt“, schreibt Horlitz auf seine Visitenkarte.

Das Zupacken hat der 55-Jährige früh gelernt. Im Ruhrgebiet ist er aufgewachsen, die Mutter war Ärztin, der Vater Anwalt. Er hat früh das Ausland und fremde Kulturen entdeckt, mit elf war er in England, mit 16 in Südafrika, dann in Amerika. Noch heute ist er als Geschäftsmann unterwegs, vor ein paar Wochen auf einer Messe in Honkong, kürzlich zu einem Vortrag auf Sardinien. Doch geerdet worden, wie er selbst sagt, ist er unter Tage. In der Zeche Zollverein in Essen. Bevor er mit seinem Bergbaustudium begann, hat er dort geschuftet - „bis zu den Brustwarzen im Wasser, aber für gutes Geld“, wie Horlitz sagt. „Ein Glücksfall, obwohl es knüppelhart war.“ Er reißt die Arme hoch und wuchtet einen imaginären 25-Kilo-Hammer in die Luft. So habe er auf die Steinkohle eingedroschen, als er das erste Mal in den Schacht fuhr.

Sein Ingenieursstudium hat er nicht abgeschlossen. Als Student hat er 1986, inzwischen in Berlin, eine eigene Firma gegründet, nachdem er an Kommilitonen ständig seinen Apple-Computer verleihen musste und immerzu gefragt wurde, ob er ihnen nicht auch so einen Macintosh besorgen könne. Also fuhr Horlitz nach Silicon Valley, sprach mit Apple und gründete sein eigene Versandhandelshaus für Apple-Produkte. Seine GRAVIS AG zählt heute deutschlandweit 28 Filialen und 780 Mitarbeiter. Anfang des Jahres hat Horlitz sein Unternehmen verkauft an ein Mobilfunkunternehmen. „Die Familiennachfolge war nicht absehbar“, sagt der Vater dreier Söhne. Außerdem passe es doch nicht mehr, wenn man mit 60 und grauem Bart noch Lifestyle- Produkte verkauft.

Dann eher Fußball-Präsident. Horlitz schließt das nicht aus. Als er vor wenigen Tagen in den Aufsichtsrat gewählt wurde, hat er vorsorglich schon einmal angekündigt, dass man aus dem Gremium auch in den Vorstand rücken könnte. Möglicherweise ist er der richtige Mann zur jetzigen Zeit. Zumindest weiß Horlitz, wie man von weit unten an die Spitze kommen kann.

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