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Aufbauhilfe. Almedin Civa, der nach der Entlassung Christian Benbenneks als Trainer einsprang, vermochte es auch nicht mehr, das Wunder zu vollbringen. Babelsbergs Torhüter Frederic Löhe musste in Münster viermal hinter sich greifen.

© Jan Kuppert

Sport: Neuanfang in der Regionalliga

Der SV Babelsberg 03 ist nach der 1:4-Niederlage bei Preußen Münster aus der Dritten Liga abgestiegen

Wenige Stunden nach dem sportlich feststehenden Abstieg aus der dritten Fußball-Liga haben Vorstand und Aufsichtsrat mit einem Offenen Brief um Vertrauen für einen Neuanfang geworben. Der Brief, der am Samstagabend etwa fünf Stunden nach der 1:4-Niederlage in Münster auf der offiziellen Internetseite veröffentlicht worden war, spricht davon, den Verein zu stärken, zu konsolidieren und einen finanziell abgesicherten Wiederaufstieg anzustreben. Damit müssen sich die Fans wohl auf mindestens zwei bis drei Jahre in der Regionalliga Nordost einrichten.

Die Möglichkeit, dass zwei Teams, die in der Abschlusstabelle vor den Nulldreiern stehen, keine Lizenz bekommen und der SVB doch noch in der Dritten Liga verbleibt, bezeichnete der SVB-Vorstandsvorsitzende Archibald Horlitz gegenüber den PNN als „theoretische Option“. Ob die für die Lizenz nachzureichenden Unterlagen dennoch bis zum 28. Mai beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) in Frankfurt/Main eingereicht werden, ließ er offen. Er gehe davon aus, dass der DFB signalisiere, wann dies noch Sinn habe, so Horlitz. Innerlich habe er für sich einen Schlussstrich unter das Kapitel Dritte Liga gezogen. Zuletzt stand eine Deckungslücke von knapp 500 000 Euro zu Buche, die Horlitz als „letztlich beherrschbar“ einschätzt.

Mit dem Abstieg als Tabellenvorletzter endet eine turbulente Saison, bei der Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklafften wie lange nicht mehr im Karl-Liebknecht-Stadion und die mit einer inflationären Zahl an Rücktritten und Entlassungen in den Führungsgremien ablief. Statt des Blicks in die Zweite Liga, die der damalige Aufsichtsratschef Friedhelm Schatz zu Saisonbeginn wagte, müssen die Potsdamer nun in Liga vier Sponsoren und Zuschauer bei der Stange halten. Statt des sportlichen Konzeptes, das der ehemalige Geschäftsführer Klaus Brüggemann und der ehemalige Trainer Christian Benbennek umsetzen wollten, steht der SVB faktisch ohne Spieler da. Nur der häufig herausragende Süleyman Koc und der kaum eingesetzte Severin Mihm haben Kontrakte für die Vierte Liga. Alle anderen Verträge laufen aus. Für Torwart Frederic Löhe bleibt der SVB dennoch erster Ansprechpartner, sagte er nach dem 1:4.

Vor allem auf Spieler aus der Region, die auch eine innere Bindung zum Verein aufbauen, soll laut Horlitz in Zukunft gesetzt werden. Dazu gehört auch, den Nulldrei-Nachwuchs wieder mehr in den Fokus zu rücken. Vom bisher gängigen Weg, mit zusammengesuchten 22 Spielern irgendwie die Klasse zu halten, will Horlitz bewusst abweichen. Er benannte damit auch das Anforderungsprofil an den oder die künftigen Trainer: Sie sollen mehr in der Region scouten. In dieser Woche soll es Gespräche mit Almedin Civa, dem Sportlichen Leiter und De-facto-Trainer seit der Entlassung Benbenneks, und dem offiziellen Trainer Dieter Timme geben.

Während das sportliche Potenzial fast verschwunden scheint, bleiben mehrere wirtschaftliche Belastungen erhalten. Gespräche strebt Horlitz deshalb mit der Stadt über das Dauerstreitthema Karl-Liebknecht-Stadion an, um eine „vernünftige Lösung“ zu finden. Wie berichtet betreibt der Verein das „Karli“ im Rahmen eines Erbbaurechts, kritisiert aber die kostenlose Nutzung durch Turbine Potsdam. Hauptgläubiger bleibt die Deutsche Kreditbank, die nicht nur Genussscheine hält, sondern auch noch rund 800 000 Euro aus einem Kredit aus dem Jahre 2003 bekommt. Dafür, den feststehenden Abstieg mit einem Insolvenzverfahren einhergehen zu lassen – wie beispielsweise vom Tabellenletzten Aachen angekündigt – und sich damit letztlich in der tieferen Liga auch von diesen Verpflichtungen leichter zu lösen, gibt es laut Horlitz „keine Initiatoren“. Eine Insolvenz sei immer nur das „allerletzte Mittel“. Auch der Offene Brief erwähnt diese Möglichkeit nicht.

Die momentane Situation ist ein bisschen wie nach einem verlorenen Skatspiel: Auf einmal hätte jeder alles anders gemacht. Es wird neu bewertet, Fehler werden deutlicher – und wenn man lange genug sucht, findet man auch einen Sündenbock. Aber dieser Blick in die Vergangenheit nutzt nichts mehr. Zum Schluss kam es so, wie es irgendwie kommen musste. Der SVB 03 ist abgestiegen, nach drei Jahren in der Dritten Liga wieder da, wo er vorher war – in der Regionalliga.

Vielleicht sind diese Schuldzuweisungen auch nötig, kreidet man sie nun dem abgesetzten Vorstand an, der viel versprach, den Verein aber letztlich aus dem Profifußball hinausmanövrierte, oder den Spielern, die mehr hätten geben müssen – aber nicht mit ganzem Herzen für den Verein spielen würden. So ist das auch der zentrale Vorwurf einiger Fans, die seit Jahren ihrem Verein die Treue halten, aber zu viele Spieler kommen und gehen gesehen haben, wie Söldner eben, Legionäre – was aber auch symptomatisch für den Profifußball ist.

Jetzt also das große Schweigen, Katerstimmung bei den Fans, Enttäuschung, die teilweise auch in Wut umschlägt. Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis in allen Köpfen ankommt, dass es zwar weitergeht, aber eben anders, weiter unten, mit kleineren Schritten. Doch als Neuanfang: In dem Offenen Brief wird auf eben diesen eingeschworen: „Unser Verein ist gesellschaftlich engagiert, kreativ, ein Kiezverein mit einzigartigen Fans und einer familiären Atmosphäre. Daran wird sich nichts ändern – ob unsere Gegner aus Rostock und Münster kommen oder aus Magdeburg und Jena.“ Sobald die Katerstimmung verflogen ist, wird es dann auch im „Karli“ weitergehen.

Ingmar Höfgen, Oliver Dietrich

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