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Da ist zu bestrafen. Rauchschwaden und Chaoten auf dem Platz während des Spiels gegen Cottbus. Das Urteil gegen die Verstöße lehnt der SV Babelsberg ab.

© Jan Kuppert

Nach Skandalspiel Babelsberg gegen Cottbus: Nulldrei nennt Urteil skandalös

Nach den schweren Ausschreitungen während der Regionalligapartie zwischen dem SV Babelsberg 03 und Energie Cottbus sprach das Sportgericht des Verbandes nun ein Urteil. Selbst Experten sind über die Höhe des Strafmaßes verwundert. Beide Vereine wollen die Strafe nicht hinnehmen.

Babelsberg - Nachdem sich der Rauch verzogen hatte, die ekligen Aufkleber mit Nazi-Sprüchen vom Geländer im Gäste-Fanblock gekratzt und die ersten Eindrücke verarbeitet waren, war klar: Dieses Regionalligaspiel vom 28. April zwischen dem SV Babelsberg 03 und dem FC Energie Cottbus wird Folgen haben. Es wird Strafen dafür geben, dass in den Fanblöcken Pyrotechnik gezündet wurde. Dafür, dass aus dem Cottbuser Block Vermummte über den Zaun gesprungen waren und über die Fußballwiese tobten und auch einige Babelsberger Fans für einen kurzen Moment auf dem Platz standen. Reagiert hatte der Verein sofort, indem er sich vom Fehlverhalten seiner Fans distanziert, die Nazi-Parolen aus dem Gästeblock verurteilt und auf seine intensiven Sicherheitsvorkehrungen im Vorfeld des Spiels hingewiesen hatte.

Beide Vereine legen Berufung gegen das Urteil ein

Nun gibt es ein Urteil vom Sportgericht des Nordostdeutschen Fußballverbandes (NOFV). 7000 Euro Strafe soll der SVB zahlen, zudem wurde ihm ein Regionalliga-Heimspiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit angedroht, falls es bis zum 31. Dezember erneut zu pyrotechnischen Aktionen oder anderem Fehlverhalten der Fans kommt.

„Die Höhe der auferlegten Strafe und die Begründung sind für den SV Babelsberg 03 skandalös, unverständlich und unakzeptabel“, kommentiert die Nulldrei-Führung das Urteil, gegen das bereits Berufung eingelegt wurde. Ähnlich die Reaktionen beim FC Energie, der zu 10 000 Euro Strafe und einem Geisterspiel und weiteren 6000 Euro wegen Verfehlungen der Anhängerschaft bei Punktspielen in Leipzig, Meuselwitz und Bautzen verurteilt wurde. „Das Strafmaß ist katastrophal, entspricht dabei nicht mal ansatzweise den Gegebenheiten und Anstrengungen des Vereins und belastet dabei den Etat des FC Energie gewaltig“, heißt es seitens des Präsidiums. Auch der Lausitzer Regionalligist hat Berufung eingelegt.

Experte zeigt sich über Strafmaß mehr als überrascht

Der Vorsitzende des NOFV-Sportgerichts, Stephan Oberholz, wollte sich auf PNN-Anfrage mit Verweis auf das noch nicht rechtskräftige Urteil weder zum Strafmaß noch zu dessen Begründung äußern. Andere tun das hingegen deutlich, wie etwa der Potsdamer Soziologe und Experte im Wissenschaftsrat der Deutschen Fußballliga, Andreas Klose: „Ich bin über die Höhe des Urteils und über Teile der Urteilsbegründung für einen Regionalligisten mehr als überrascht. Die Strafbemessung erinnert eher an Urteile für ähnliche Vergehen aus der ersten Bundesliga oder zweiten Bundesliga mit völlig anderen ökonomischen und professionellen Voraussetzungen der Vereine“, sagt Klose. In der Tat unterscheidet sich die Geldstrafe nicht von denen, die in diesem Monat vom Deutschen Fußballbund gegen Bundesligavereine verhängt worden. So müssen etwa der SC Freiburg, der FC Ingolstadt oder Darmstadt 98 zwischen 4000 und 8000 Euro wegen des Abbrennens von Pyrotechnik zahlen. Daher befindet SVB-Chef Achibald Horlitz, dass es bei ungleichen Voraussetzungen zwischen einen Erst- und Viertligisten nicht die gleichen Strafen geben kann.

Zumal dem SVB nach dem Heimspiel gegen Cottbus von der Polizei attestiert wurde, ausreichend Sicherheitsvorkehrungen getroffen zu haben; der SVB-Sicherheitsbeauftragte Christian Lippold sprach „von der Grenze des Machbaren“. Tatsächlich werden in der Urteilsbegründung auch keine Mängel, Fehler oder Nachlässigkeiten bei den Sicherheitsmaßnahmen vor und während des Spiels genannt. Doch findet Fußballsicherheitsexperte Klose es völlig unverständlich, dass „die getätigten immensen Anstrengungen und Präventionsleistungen, die der Verein mit ehrenamtlich Verantwortlichen im Vorfeld und am Spieltag geleistet hat, in keinster Weise gewürdigt wird“. Dass selbst der DFB als Veranstalter das Einschleusen und das Abbrennen von Pyrotechnik und Bengalos nicht verhindern könne, habe zuletzt das Pokalfinale im Berliner Olympiastadion gezeigt.

Verfassungswidrige Straftaten werden nicht erwähnt

In seiner Urteilsbegründung sowohl für den SVB als auch für den FC Energie beruft sich das Sportgericht auf einen Paragrafen der NOFV-Rechts- und Verfahrensordnung, wonach „alle Formen unsportlichen Verhaltens im unmittelbaren Zusammenhang mit Fußballspielen sowie fremdenfeindliche, rassistische, politisch extremistische, anstößige und/oder beleidigende Handlungen in Wort und/oder Gestik sowie Mimik“ zu ahnden sind. Als Beleg für das vermeintlich unsportliche Verhalten in der Babelsberger Nordkurve nennt das Sportgericht „eine Person mit rotem Punkerhaarschnitt“, die in der 15. Minute Richtung Cottbuser Fanblock „Nazischweine raus“ gerufen habe. Dass es im Gäste-Fanblock, den nachweislich Anhänger der rechtsextremen Szene und der inzwischen verbotenen rechten Fangruppe „Inferno“ als Bühne nutzen, verfassungswidrige Straftaten wie das Zeigen des Hitlergrußes gab, wird in der Begründung des Cottbuser Urteil hingegen nicht erwähnt. „Nahezu unglaublich“, kommentiert der SVB-Vorstand diese Betrachtungsweise des Sportgerichts.

Angesichts der Urteile stellen sowohl die Babelsberger wie auch die Cottbuser Vereinsführung die Frage, welche Lösungsansätze das Sportgericht des NOFV für Problemsituationen und Herausforderungen mit rassistisch und extremistisch motivierten Fanszenen anbietet. „Drastische Geldstrafen für die Vereine jedenfalls lösen das Problem nicht“, heißt es beim SVB.

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