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Platzverweis für Nulldrei? Der Regionalverband fordert die umstrittene Strafzahlung vom SV Babelsberg 03 ein. Reagiert der Club nicht, soll es schwerwiegende Konsequenzen geben.

© Sebastian Wells

Nach Skandalspiel Babelsberg gegen Cottbus: Drohgebärde an Nulldrei

Der Nordostdeutsche Fußballverband droht, den SV Babelsberg 03 bei Nichtzahlung der Strafe nach dem Skandalurteil aus dem Regionalliga-Spielbetrieb zu nehmen. Das Ultimatum steht, doch der Babelsberger Verein wird nicht zahlen. Derweil handelt der NOFV in einem ähnlichen Fall wieder irritierend.

Potsdam/Babelsberg - Ausschluss-Drohungen, zwei im Kampf vereinte Klubs und eine klare Antwort des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) an den SV Babelsberg 03: In dessen Auseinandersetzung mit dem Nordostdeutschen Fußballverband (NOFV) um Rücknahme des Urteils nach dem Derby gegen Energie Cottbus im vergangenen April erhöht der Verband den Druck.

Der NOFV hat dieser Tage den SVB zum zweiten Mal gemahnt, die 7000 Euro Strafe zu überweisen, zu der Nulldrei rechtskräftig verurteilt ist. Zahlungsfrist: Freitag. Gleichzeitig droht der Verband an, den SVB  bei nicht fristgerechter Zahlung aus dem Spielbetrieb der Regionalliga zu nehmen.

Doch der SVB wird nicht zahlen. „Alles andere als eine Neubewertung des Urteils ist unvorstellbar“, beharrt Nulldrei-Vorstandschef Archibald Horlitz mit Bezug auf die Entwicklungen in den vergangenen Wochen und auf einen aktuellen Beitrag des Deutschlandfunks vom Wochenende. Dort hat der Vorsitzende des NOFV-Sportgerichtes Stephan Oberholz eingeräumt, dass es ein Fehler war, in die Urteilsbegründung gegen den SVB zu schreiben, dass ein Babelsberger Fan „Nazischweine raus“ gerufen hat. „Das hätte man besser rausgelassen. Weil das hat ja nur zu Unklarheiten und Verwirrung geführt und zu dem durchaus nachzuvollziehenden Vorwurf des Vereins, wir hätten genau diese Äußerung bestraft. De facto ist dieses nicht geschehen."

SVB-Fanrufe "eine Art moralische Notwehr"

Eben Letzteres sieht der SVB anders. Ebenso dessen Anwalt Nathan Gelbart, der den Begründungstext zugehörig zum Urteil sieht, zumal das Sportgericht den „Nazischwein-raus“-Ruf im Zusammenhang mit dem „Beleidigungsparagrafen“ seiner Rechtssatzung zitiert. Zudem sagt Gelbart im Deutschlandfunk: „Tatsache ist, dass die Skandierung ,Nazischweine raus’ nur eine Reaktion war auf nachhaltig antisemitische und rassistische Sprüche, die aus dem Fan-Block des Energie Cottbus kam. Das würde ich eher als eine Art moralische Notwehr bezeichnen.“

Dass die fremdenfeindlichen Sprüche, Nazigesänge und Hitlergrüße dem NOFV nicht bekannt gewesen sein wollen, behauptet NOFV-Richter Oberholz in dem Radio-Beitrag weiterhin: „Da wussten wir nichts von, schlicht und ergreifend.“ SVB-Chef Horlitz platzt dabei der Kragen: „Sie lügen, schlicht und ergreifend“, wirft er Oberholz vor und erinnert ein weiteres Mal daran, wie deutlich die Vorgänge im Energie-Gästeblock in Videos, auf Fotos, in Presseberichten und in Stellungnahmen beider Vereine dokumentiert waren. Erst als der DFB intervenierte, dass der NOFV diese Vorfälle nicht länger ignorieren solle, nahm der Verband Ermittlungen auf, verurteilte den Lausitzklub nachträglich. Der ging in Berufung, der NOFV nahm das nachträgliche Urteile wieder zurück. Das wiederum erboste den DFB, der inzwischen durch sein Bundesgericht Revision eingelegt hat.

DFB sieht im Fall Babelsberg keine Handhabe

Die Hoffnung der Babelsberger, dass sich der DFB auch des SVB-Urteils annimmt und durch das DFB-Bundesgericht überprüfen lässt, wird sich indes nicht erfüllen. Rainer Koch, der für Recht und Satzungsfragen zuständige erste DFB-Vizepräsident, verweist auf die eigenständige unabhängige Verbandsgerichtsbarkeit des NOFV. Auf PNN-Anfrage erklärt er: „Die Sportgerichtsbarkeit des DFB ist keine Superrevisionsinstanz gegenüber Entscheidungen der Verbandsgerichtsbarkeit.“ Nur in absoluten Ausnahmefällen würden die DFB-Gremien Gerichtsentscheidungen der Landes- und Regionalverbände überprüfen. „Dies gilt“, so Koch, „insbesondere dann, wenn rassistisches Verhalten ungeahndet bleibt. Dies ist im Verfahren gegen Energie Cottbus der Fall, nicht hingegen im Verfahren gegen den SV Babelsberg.“

Beim NOFV wiederholt sich derweil das merkwürdige Wahrnehmungsverhalten. Auch bei den Ermittlungen und bei der Urteilsfindung gegen Chemie Leipzig nach dessen Stadtderby gegen Lok Leipzig im vergangenen November will das Sportgericht nichts mitbekommen haben von den Provokationen der Lok-Anhänger. Dabei waren deren Schlachtgesänge „Türken, Zigeuner und Juden – Ultras Chemie“ in der Live-Übertragung des MDR deutlich zu hören – und sind es in der Mediathek noch immer.

NOFV auch wegen Urteil gegen Chemie Leipzig in Kritik

Das Leipziger Online-Stadtmagazin „kreuzer“, das seit 20 Jahren aufmerksamer Beobachter des lokalen Geschehens ist, zeigte sich verwundert angesichts der Seh- und Hörschwäche. Und wiederum behauptete Sportjustiziar Oberholz später im Sportbuzzer: „Dass es solche Gesänge im Stadion gab, war uns bisher einfach nicht bekannt.“ Aufgrund der „kreuzer“-Berichte seien Ermittlungen aufgenommen worden.

Wenn nun also am kommenden Freitag in der Regionalliga Nordost die Winterpause zu Ende geht und der SVB im Karl-Liebknecht-Stadion Chemie Leipzig empfängt (Beginn: 19 Uhr), gibt es bei aller sportlichen Rivalität einige Gemeinsamkeiten. So wie sich der SVB seit Monaten gegen seine 7000-Euro-Geldstrafe wehrt, hat auch Chemie Leipzig zunächst Berufung gegen seine Strafe eingelegt. 10.000 Euro soll die BSG zahlen, nachdem deren Fans in den Spielen gegen Altglienicke und vor allem im Stadtderby gegen Lok Leipzig im vergangenen November massiv Pyrotechnik gezündet hatten, was wiederholt zu Spielunterbrechungen führte. Dass dies Konsequenzen haben muss, streitet der Chemie-Vorstand überhaupt nicht ab. Dass die diskriminierende Lok-Schlachtgesänge indes unerwähnt blieben, irritiert sie schon.

Für den SVB wiederholt Archibald Horlitz seine Forderung an den NOFV, das Urteil aufzuheben und es den nachträglich gewonnenen Erkenntnissen anzupassen. Gleichzeitig verstärkt der Verein seine Kampagne „Nazis raus aus den Stadien“: Mit den Erlösen aus T-Shirtverkäufen will er seinen Rechtsstreit finanzieren und andere Vereine in ähnlicher Situation unterstützen – wie Chemie Leipzig.

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