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Im sportlichen Disput. So soll es sein am kommenden Sonntag zwischen dem SV Babelsberg und Energie Cottbus: Dass sich auf dem Platz auseinandergesetzt wird, wie es Andis Shala, Leonard Koch und José-Junior Matuwila (v.l.n.r.) im vergangenen Derby getan haben.

© Jan Kuppert

Nach Nazi-Skandal im Stadion: Energie Cottbus gegen SV Babelsberg: Zeit für Fußball

Am Sonntag spielt der SV Babelsberg 03 gegen Energie Cottbus. Die Verlängerung des Regionalliga-Derbys vom vergangenen April dauert noch an. Der Nordostdeutsche Fußballverband hat ein neues Verfahren eingeleitet und sein Präsident sendet einen Appell.

164 Tage werden am kommenden Sonntag vergangenen sein, wenn es nach dem folgenreichen Brandenburg-Derby vom vergangenen Frühjahr erneut zum Aufeinandertreffen zwischen dem SV Babelsberg 03 und dem FC Energie Cottbus kommt. Fußballerisch ein absolutes Highlight der Hinrunde in der laufenden Regionalligasaison.

Der FC Energie marschiert bislang ungeschlagen an der Tabellenspitze. Der einstige Bundesligist lässt keinen Zweifel daran, dass das verlängerte Gastspiel in der vierten Liga im nächsten Sommer mit der Rückkehr in den Profifußball beendet werden soll. Die junge Mannschaft des SVB hat sich in den vergangenen Wochen den Ruf erarbeitet, sich partout nicht geschlagen geben zu wollen. Zwar ganz nach dem Motto „Jugend forscht“, wie man auch gefährlich in den gegnerischen Strafraum kommt, um Tore zu schießen, stemmt sich die Mannschaft von Trainer Almedin Civa mit reichlich Willen und Charakter gegen Niederlagen. Und wenn Torjäger Andis Shala seine Rolle als Leitwolf findet, wobei ihm vielleicht seine drei Tore bei der 4:2-Aufholjagd im Landespokalspiel gegen den Brandenburger SC Süd 05 am vergangenen Samstag helfen, bekommt der SVB Führungsstärke auf den Platz, die zuweilen vermisst wird.

Viele Fragen kamen nach vergangenem Duell auf

Shala wäre vielleicht auch zentrale Figur jedes Vorberichtes für das anstehende Derby im Stadion der Freundschaft (Beginn: 13.30 Uhr) gewesen. Die energischen Avancen, den 28-Jährigen in die Lausitz zu holen, hielten den ganzen Sommer an – und werden mit der nächsten Wechselperiode womöglich erneut aufleben.

Doch ist seit dem Spiel im vergangenen April mehr passiert als ein sommerlicher Wechselflirt. Im Nachgang der Begegnung sind viele Fragen aufgekommen: über die Qualität der Sportgerichtsbarkeit, über faire, angemessene und nachvollziehbare Strafen, über den sportkameradschaftlichen Umgang zwischen einem Verband und dessen Mitgliedsverein, über Dialogfähigkeit.

Künftig soll es mündliche NOFV-Verhandlungen geben

Zur Erinnerung: Die hässlichen Szenen rechtsextremer Krawallmacher im Cottbuser Gästeblock und deren Aufarbeitung durch das Sportgericht des Nordostdeutschen Fußballverbandes (NOFV) haben zu reichlich Irritation, Verwunderung und Protest geführt. Während der SV Babelsberg 03 zu einer Geldstrafe von 7.000 Euro verurteilt wurde und sich bislang erfolglos dagegen wehrt, dass er wegen „Nazi-Schweine raus“-Rufen bestraft werde, fand das Treiben im Gästeblock im NOFV-Urteile gegen Cottbus keinerlei Erwähnung. Der dafür heftig gescholtene Verband behauptet – allem schwarz auf weiß Gedrucktem in seiner Urteilsbegründung zum Trotz –, dass der SVB nicht wegen Nazi-raus-Rufe bestraft worden sei. Und von dem – in diversen sozialen Netzwerken und Medienberichten dokumentierten – Nazi-Krawallen habe das Sportgericht nichts gewusst. Erst ein offener Brief vom SVB-Vorsitzenden Archibald Horlitz an den obersten deutschen Fußballchef führte dazu, dass DFB-Boss Reinhard Grindel das NOFV-Sportgericht veranlasste, wegen der Vorfälle im Gästeblock im vergangenen April ein Verfahren einzuleiten. „Das ist inzwischen passiert“, bestätigt NOFV-Präsident Reiner Milkoreit auf PNN-Anfrage.

Dass es erst des Fingerzeigs vom DFB-Präsidenten geben musste, will Milkoreit nicht als Kritik am NOFV-Gericht und dessen Vorsitzenden Jürgen Lischewski sehen, mit dem schon andere die Erfahrungen willkürlicher Regelauslegungen gemacht haben wollen. „Das will ich nicht bewerten. Das ist nicht meine Aufgabe“, so Milkoreit. Aber er appelliert an das Sportgericht seines Verbandes, künftig mündlich zu verhandeln, was im Fall des SVB mit merkwürdigen Begründungen abgelehnt wurde. „Ich hätte mir eine mündliche Verhandlung gewünscht, um Ungereimheiten zu vermeiden“, sagt Milkoreit. Denn bei gründlicher Betrachtung aller vorhandenen Dokumente und Bilder, die Nazi-Gesänge und Hitlergruß deutlich zeigen, kommt der NOFV-Präsident nicht umhin zu sagen: „Es erschließt sich mir nicht, wie es zu solch unterschiedlichen Auffassungen kommt.“

Energie Cottbus stellt Maßnahmenplan gegen Rechts auf

Doch verwahrt sich der NOFV-Präsident vehement gegen Vorwürfe, dass der Verband und seine Organe leichtfertig und nachlässig mit dem Thema Rechtsextremismus umgehen würden. „Das geht entschieden zu weit und gehört sich nicht“, empört er sich. Aber bei allem Unmut zeigt er sich gesprächsbereit. „Wenn es Interesse gibt – von unsere Seite ist es gegeben“, sagt er. Auch der SV Babelsberg 03 hat wiederholt ein Gesprächsangebot gemacht, zuletzt am gestrigen Dienstag, als dem NOFV signalisiert wurde, sich gern über eine Neubewertung der SVB-Strafe zu verständigen, wenn der NOFV die Vorfälle vom April transparent und vollständig aufarbeitet.

Während sich NOFV und SVB Rauchzeichen senden, informierte der FC Energie Cottbus am gestrigen Dienstag im Vorfeld des brisanten Derbys über einen Maßnahmeplan, dessen Ziel „ein friedliches Stadionerlebnis für alle Stadionbesucher“ ist. Die Rede ist dabei von internen als auch externen Maßnahmen, welche alle an den sicherheitsrelevanten Vorgängen rund um das Erlebnis ,Fußballspiel’ beteiligten Netzwerkpartner inkludiert. An einem „Runden Tisch für Vielfalt“ sollen sich künftig regelmäßig Vertreter von Sicherheitsbehörden, des DFB und NOFV, von Bundes- und Landespolizei, der Stadt Cottbus, des Verfassungsschutzes und des Fanprojektes austauschen. Zudem werde der FC Energie bei Heimspielen ausschließlich mit zertifiziert geschulten Sicherheits- und Ordnungskräften zusammenarbeiten, für die ein Verhaltenskodex erstellt wurde. Zu den Maßnahmen gehört auch die Beteiligung an einem Pilotprojekt der Brandenburgischen Technischen Universität zur Thematik „bengalische Feuer“. Bis zum Jahresende soll zudem die Planstelle eines Beauftragten für Vielfalt und Toleranz ausgeschrieben werden. Unlängst sendeten zudem Cottbuser Anhänger selbst ein Signal, dass sie keine Rechtsextremen in ihrer Fan-Kurve möchten - auf Facebook wurde die Initiative "FC Energie Cottbus - Fans gegen Nazis" öffentlich gemacht. Aufkleber sind ebenfalls Teil dieser Aktion - sie tauchten auch schon im Potsdamer Stadtbild auf.    

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