zum Hauptinhalt
Die Faust des Seriensiegers. Sebastian Brendel ist seit knapp zwei Jahren im Canadier-Einer über die olympischen 1000 Meter ungeschlagen. Setzt er den Lauf bei der WM in Mailand fort?

©  dpa

Sport: Mehr als nur eine Meisterschaft

Bei den Kanu-Welttitelkämpfen in Mailand geht es neben den Medaillen auch um Olympia-Quotenplätze

Von Tobias Gutsche

Tausende Kilometer Luftlinie trennen Mailand und Rio de Janeiro. Um es zu präzisieren: etwa 9300. Für die Kanu-Rennsportler liegen diese beiden Orte aber ab dem kommenden Donnerstag vier Tage lang ganz nah beieinander. Denn bei der WM in der italienischen Metropole geht es nicht nur um Titel und Medaillen, sondern zugleich auch um Startplätze – im Fachjargon wird von Quotenplätzen gesprochen – für die Olympischen Spiele 2016 am Zuckerhut. Es ist mehr als nur eine Meisterschaft.

„Dieser Wettkampf“, sagt der Potsdamer Canadier-Olympiasieger Sebastian Brendel, „hat einen besonderen Stellenwert. Weil es um die Quotenplätze geht, versteckt sich jetzt niemand mehr. Keiner drückt sich, alle Top-Leute sind am Start. Das Leistungsniveau bei der WM wird höher sein als in den beiden Vorjahren.“ Brendel ist einer aus der großen Flotte, die der KC Potsdam bei den Welttitelkämpfen stellt. Neben ihm paddeln auf dem Idroscalo-See auch Franziska Weber, Conny Waßmuth, Ronald Rauhe, Stefan Kiraj und Ronald Verch. Nur Letztgenannter ist nicht in einer der zwölf olympischen Bootsklassen am Start, die anderen müssen sich im Kampf um Olympia-Tickets beweisen.

Wie man diese buchen kann, sei dabei durchaus kompliziert, erklärt Chef-Bundestrainer Reiner Kießler: „Die Regelungen bei der Quotenplatzvergabe sind sehr unterschiedlich und es spielen einige Faktoren rein, die Verschiebungen nach sich ziehen können. Generell kann man aber sagen: Mit einem Platz unter den Top 7 ist man meist auf der sicheren Seite.“ An dieses Ufer sollen möglichst viele deutsche Boote gelangen. „Unser Ziel ist ganz klar, in allen zwölf Disziplinen auch auf den Olympia-Quotenplätzen zu landen“, sagt Kießler und möchte somit dem nervenaufreibenden „Nachsitzen im Mai 2016“, wie er es nennt, aus dem Weg gehen. Dann können die Nationen nämlich bei einer weiteren kontinentalen Quali-Runde in Duisburg noch freie Plätze ergattern.

Dies allerdings nur in Einer- oder Zweierrennen. In den beiden Großbooten, den Kajak-Vierern, steigt in Mailand bereits der große Showdown. Die Teams auf den WM-Plätzen eins bis zehn dürfen dann auch in Rio auf das olympische Gewässer gehen. „Das erzeugt natürlich Druck. Man weiß: Wenn es hier – aus welchen Gründen auch immer – nicht klappt, platzt dieser Olympiatraum“, erzählt Franziska Weber, die den Frauen-Vierer mit ihrer KCP-Vereinskollegin Conny Waßmuth sowie Tina Dietze aus Leizpzig und der Karlsruherin Verena Hantl nach Brasilien steuern möchte.

Für die Sommerspiele 2016 hat der Deutsche Kanu-Verband sechs Medaillen als Zielvorgabe formuliert. „Bei der WM in Mailand wollen wir bestenfalls auch in diese Dimensionen vorstoßen“, sagt Coach Kießler. Dass dies für den erfolgsverwöhnten Verband keinesfalls eine Selbstverständlichkeit ist, wurde bei der WM im vergangenen Jahr deutlich. Die Tage in Moskau boten Edelmetall-Magerkost. Es wirkte wie eine Diät nach Jahren der Völle. Nur drei Medaillen in den olympischen Bootsklassen sowie lediglich acht Podiumsplätze insgesamt bedeuteten die schlechteste Bilanz seit der deutschen Wiedervereinigung.

„Es gab viele Enttäuschungen“, findet Kießler. Die Potsdamer Athleten bildeten da im Großen und Ganzen eine Ausnahme. An sechs der acht Medaillengewinne war der KCP beteiligt. Allen voran Sebastian Brendel glänzte mit zweimal Gold, einmal Silber und Weltbestzeit über die olympischen 1000 Meter. Aber grundsätzlich stimmte das Abschneiden nachdenklich. Kießler erläutert einen Fehler, der im Vorjahr gemacht wurde: „Wir hatten versucht, sowohl bei der Heim-EM in Brandenburg als auch bei der WM eine hohe Leistungsfähigkeit zu erreichen. Dieser schwierige Spagat hat nicht geklappt.“

In der aktuellen Saison wurde nun alles auf Mailand ausgerichtet, volle Konzentration auf die Wettbewerbe um Quotenplätze. Wer diese erkämpft, stellt der Cheftrainer klar, ist aber nicht automatisch für die Spiele qualifiziert. „Damit ist erst einmal nur das Startrecht für die jeweilige Bootsklasse gesichert.“ Über die Platzvergabe in den Gefährten entscheiden einzig die Leistungen im Olympiajahr. „Wir wollen schließlich nur die zu diesem Zeitpunkt Besten in Rio an den Start bringen.“ Der Weg bis dorthin ist also doch noch recht lang und wellig. Tobias Gutsche

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false