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Geschafft, aber glücklich. Marcel Bossog nach seinem Hawaii-Ironman.

© privat

Marcel Bossog aus Geltow: Ein Sportlerleben am Limit

Marcel Bossog aus Geltow stellt sich leidenschaftlich Extrembelastungen. Einst war er nach einer Bahn Schwimmen völlig am Ende, nun hat er den Ironman auf Hawaii gemeistert. Und schon ist das nächste große Ziel gesetzt.

In der Sahara fängt es an. Marcel Bossog nimmt 2009 an einem Ultralauf durch die Wüste teil und trifft einen Triathleten. Der schwärmt von seiner Sportart. Bossog merkt: Triathlon, das ist es. Laufen und Radfahren kann er gut, fehlt noch Schwimmen. Zurück zu Hause geht Bossog in Potsdam ins Bad am Brauhausberg, krault eine Bahn – und ist am Ende. „Ich dachte, ich brauche ein Sauerstoffzelt“, erinnert sich der Mann aus Geltow.

Ist wohl doch nicht das Wahre, hätten andere vielleicht gefolgert. Jetzt erst recht, denkt Bossog. Er trainiert mit einem Schwimmcoach, ackert verbissen, wenige Monate später absolviert er seinen ersten Triathlon.

"Ich habe meinen inneren Schweinehund besiegt"

Mitte Oktober 2019, Hawaii, Ironman. Die größtmögliche Herausforderung, gleichzeitig der größte Traum für viele Triathleten. Bossog ist erstmals dabei. Doch sein Körper macht nicht mit. Das merkt er schnell. Krämpfe, Qualen wie noch bei keinem seiner über 30 Triathlons zuvor. Aber es ist Hawaii. Aufgeben ist keine Option. Die Zeit spielt keine Rolle mehr, es geht nur noch ums Durchkommen. Diese Erkenntnis verändert alles. Auf einmal kann der 43-Jährige – so komisch das bei der Extrembelastung klingt – die Sache gelassener angehen.

Die Härte. Beim Triathlon auf Hawaii fuhr Marcel Bossog mit dem Rad durch die Lavawüste.
Die Härte. Beim Triathlon auf Hawaii fuhr Marcel Bossog mit dem Rad durch die Lavawüste.

© imago/Belga

Unterwegs plaudert Bossog sogar mit anderen Teilnehmern. Er weiß da längst, dass er Stunden über seiner Bestzeit bleiben wird. Aber er kommt an. Nach 3,8 Kilometern Schwimmen, 180 Kilometern auf dem Rad und einem Marathonlauf über die 42,195 Kilometer. Auf Platz 1740 insgesamt und Rang 245 in seiner Altersklasse. „Ich fühle mich als Sieger, weil ich meinen inneren Schweinehund besiegt habe“, sagt er.

Seine Bestzeit liegt bei knapp unter zehn Stunden

Zwischen dem missglückten Schwimmversuch im Brauhausberg-Bad und dem Ironman auf Hawaii liegen fast zehn Jahre. Bossog setzte sich stets neue und höhere Ziele. Die Mittelstrecke schaffen. Schnell erledigt. Die Langstrecke schaffen. Rasch abgehakt. Den sehr bekannten Triathlon in Roth gleich in mehreren Jahren nacheinander bewältigen. Alles gepackt. „Dann habe ich mir bestimmte Zeiten vorgenommen“, sagt er. Unter elf Stunden, unter zehn Stunden. Seine Bestzeit liegt bei 9:44:46 Stunden.

Er liebte schon immer die großen sportlichen Herausforderungen, je anstrengender, desto besser. In seiner Jugend war er erfolgreicher Kanute, hörte wegen Verletzungen auf, lief später Marathons. Ein Leben am sportlichen Limit, das Austesten der eigenen Grenzen: Wo liegen sie? Kann ich sie verschieben?

„Ich war ein Getriebener"

Bossog wollte immer mehr, ordnete dem Triathlon alles unter. Essen, schlafen, die Arbeit als Angestellter im Gesundheitswesen, bis zu 20 Stunden pro Woche trainieren – und wieder von vorn. „Ich war ein Getriebener. Ich hatte kaum noch soziale Kontakte außerhalb der Triathlon-Szene“, sagt der Athlet vom Zeppelin Team OSC Potsdam. 2016 reifte ein neuer Gedanke: Du musst dich für Hawaii qualifizieren. Verletzungen und Krankheiten stoppten das Projekt zunächst. Aber im Herbst 2018 bei einem Wettkampf in Südkorea klappte die Qualifikation in seiner Altersklasse.

Ehre. Marcel Bossog zusammen mit den Ironman-Legenden Mark Allen (r.) und Dave Scott.
Ehre. Marcel Bossog zusammen mit den Ironman-Legenden Mark Allen (r.) und Dave Scott.

© privat

Das wäre der perfekte Moment gewesen, Pause zu machen. Doch Bossog startete bald danach in Australien. „Damit habe ich meinem Körper zu viel zugemutet“, sagt er. Zu physischen Problemen gesellten sich fehlende Lust aufs Training und zum ersten Mal der Gedanke, keine sportlichen Ziele mehr zu haben. Das wirkt eigenartig mit dem Ironman vor Augen, „aber für mich war die erfolgreiche Qualifikation schon der Ritterschlag“.

Körper und Seele signalisierten deutliche Stoppzeichen, dazu kam in der Vorbereitung ein Ellenbogenbruch. Und privat verschoben sich die Prioritäten. Bossog hat seit Juni eine Freundin. „Diese glückliche Beziehung gab mir viel mehr als der Sport.“ Aber für die Ironman-Weltmeisterschaft stellte er noch einmal andere Dinge hinten an, wollte unter elf Stunden bleiben. Zwölfeinhalb wurden es. Egal. Das Erlebnis Hawaii kann ihm keiner mehr nehmen. Die Genugtuung, allen Widrigkeiten zum Trotz durchgehalten zu haben, auch nicht.

„Ich werde noch einmal auf Hawaii starten"

Und nun? „Es reicht“, sagt Bossog. Zwei Worte voller Endgültigkeit. Okay, schiebt er schnell nach, er werde noch ab und zu an Staffeln teilnehmen. Aber ohne Druck. Angst, in ein Loch zu fallen, hat er nicht. Denn er hat bereits neue Pläne: Mountainbike! Auch mit viel Training, jedoch anders. Mehr Fitness, kein Schwimmen. Bossog will einfach Spaß haben. Den Spaß, den er zuletzt beim Triathlon vermisste. Nächstes Ziel ist ein Radrennen in Südafrika Ende April 2020, 900 Kilometer in neun Tagen, 15.000 Höhenmeter. Halbe Sachen sind eben seine Sache nicht.

Triathlon, sagt er zum Schluss, „bleibt der tollste Sport. Es bleibt mein Sport.“ Und eines stehe für ihn fest: „Ich werde noch einmal auf Hawaii starten.“ Irgendwann. Druck macht er sich keinen. Nicht mehr.

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