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Da ist viel Geld im Spiel. Der NOFV hat nach dem Manipulationsversuch in der Regionalliga einen weiteren Fall aus der Oberliga auf dem Tisch. 

© Marius Becker/dpa

Manipulationsversuch in der Fußball-Regionalliga Nordost: Falsches Spiel

Vor dem Regionalliga-Fußballspiel zwischen dem SV Babelsberg 03 und Germania Halberstadt gab es einen Manipulationsversuch. Das Sportgerichtsurteil gegen Halberstadts Funktionär Andreas Petersen ist deutlich. Doch es fehlen klare Worte.

Potsdam - Heiko Scholz ist vorsichtig geworden. „Jetzt passiert mir das nicht mehr“, versichert der Trainer von Wacker Nordhausen auf die Frage, ob auch er im Vorfeld eines Fußballspiels Spieler der gegnerischen Mannschaft anruft, um sie zu verunsichern. „Man muss wissen, mit wem man das macht und ob der Spaß versteht“, meinte Scholz, bislang einen Maßstab für eventuelle Telefonate zu haben. Seit dem vergangenen November lässt es Scholz lieber sein, sagte er auf der Pressekonferenz nach dem Gastspiel seines Klubs beim SV Babelsberg 03 vorigen Freitag.

Die Grenzen zwischen Spaß und Unsportlichkeit haben sich offenbar bei so manch einem verschoben, seit am 30. November vergangenen Jahres zwei Babelsberger Fußballer einen Anruf erhalten haben. Die Telefonate waren von Spaß weit entfernt, vielmehr werfen sie die Frage auf, wie fair der sportliche Wettbewerb in der Regionalliga eigentlich noch ist und wie aufrichtig es in der viertklassigen Fußball-Niederung überhaupt zugeht.

Petersen-Anwalt möchte SVB-Spieler als Lügner "entlarven" 

Rückblick: Am 30. November hatte vor dem Regionalliga-Spiel des SVB gegen Germania Halberstadt dessen Sportdirektor Andreas Petersen zwei Babelsberger Spieler angerufen. Er soll den beiden ehemaligen Halberstädter und nunmehrigen Babelsberger Spielern Geld dafür angeboten haben, dass sie absichtlich schlecht spielen. Petersen sprach später von einem, „Jux, um die Spieler etwas zu verunsichern.“ Gar nicht lustig findet das der Nordostdeutsche Fußballverband (NOFV), in dessen Zuständigkeit die Regionalliga Nordost gehört. Der hatte sein Sportgericht beauftragt, zu ermitteln, was tatsächlich vorgefallen ist. Und das kam nach Sichtung von WhatsApp-Nachrichten, Protokollen und Anhörungen von Zeugen zu der Überzeugung, dass Petersen versucht hat zu manipulieren. Von einem „falschen Spiel“ spricht der Vorsitzende des NOFV-Sportgerichtes, Stephan Oberholz. Der 53-Jährige ist Berufsrichter am Landgericht Leipzig, zudem Stellvertretender Vorsitzender des Sportgerichtes des Deutschen Fußballbundes. Für den versierten Juristen gibt es „keinen Zweifel“, dass Petersen den Ausgang des Fußballspiels beeinflussen wollte. „Ein gravierender Angriff auf die Integrität des sportlichen Wettbewerbs“, tadelt Oberholz. Es sind bemerkenswert klare Worte des NOFV-Sportrichters. Petersen wurde zu 6000 Euro Strafe und einer einjährigen Funktionssperre verurteilt.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Petersens Anwalt Horst Kletke prüft eine mögliche Berufung. Der Jurist aus Frankfurt am Main ist kein Unbekannter im deutschen Sport. „Seinen Namen kennt man, wenn es um juristische Belange im deutschen (Profi-)Fußball geht“, stellt ihn etwa die Münchner Sport-Campus GmbH, ein privater Bildungsträger, als Gastdozent vor. Der Sportrechtler vertrat in der Vergangenheit etliche Bundesligavereine und Fußballprofis. 2012 war er prägende Figur als Anwalt von Fortuna Düsseldorf im juristischen Nachspiel gegen Hertha BSC nach der Skandal-Relegation um den Bundesliga-Aufstieg. Der „Express“ lobte damals Kletkes „coole Verfahrensweise“, die die Gegner „entlarvte“. Als Lügner sollten – und sollen in einer möglichen Berufungsverhandlung – auch die beiden Babelsberger Spieler entlarvt werden. Die wirklichen Tatsachen seien bisher nicht richtig gewürdigt worden, bemängelt Kletke. Es sei bei den Anrufen nicht um Bestechung gegangen, sondern darum, ob die beiden Kicker nicht in der Winterpause nach Halberstadt wechseln wollten. Die Antwort einer der beiden Babelsberger Spieler auf Petersens Anruf hat mit einer Reaktion auf einen angeblichen Wintertransfer jedoch nichts zu tun. „Ich spiele nicht für Geld absichtlich schlechter. Ich bin ein Sportsmann und will mit so etwas nichts zu tun haben“, verwehrt sich der Spieler in einer WhatsApp gegen jegliche unseriöse Avancen.

Bedenklich: Öffentlicher Umgang mit der Thematik

Zweifel streuen mag für Petersen und seinen Anwalt als Verteidigungsstrategie legitim sein. Bedenklich und bedauerlich aber ist, dass es bislang kein offizielles Statement gibt, das das Handeln der Babelsberger Spieler würdigt. Im Gegenteil: Die ersten Reaktionen nach Bekanntwerden des Manipulationsversuches schützten nicht die Spieler. Er kenne „den Herrn Petersen ja sehr gut“, sagte etwa NOFV-Präsident Erwin Bugar und zeigte sich ungläubig, dass der Germania-Sportdirektor ein falsches Spiel treiben könnte. Der Vereinspräsident der TSG Neustrelitz, Hauke Runge, bezeichnete Petersen, ehemals Trainer des Mecklenburger Klubs, als „vollkommen integer“ und „wahren Ehrenmann“. Hingegen sei von Fußball-Kleinstars ja bekannt, dass sie lügen. Seit vergangenem Freitag ist Neustrelitz selbst Teil eines Manipulationsskandals, nachdem vor einem Oberligaspiel einem Spieler Geld angeboten worden sei. Trotz klarer Deutung des Sportgerichts in der „Causa Petersen“ äußerte sich Nordhausen-Trainer Heiko Scholz vergangenen Freitag noch immer einschränkend: „Wenn da was war ...“

Umso wichtiger, dass NOFV-Sportrichter Oberholz deutliche Worte findet. „Wäre es nicht zu einer solchen Entscheidung gekommen, hätte nie wieder ein Spieler so etwas gemeldet“, glaubt Steve Müller, Ex-Vorstandsmitglied des SVB und im Petersen-Fall wichtiger Zeuge. Nulldrei-Trainer Almedin Civa nennt das Urteil „keine Überraschung“, wenn der Verband verloren gegangene Glaubwürdigkeit in den Sport zurückgewinnen will. Für Civa fängt Unsportlichkeit schon da an, wenn mit Telefonanrufen Spieler zum Spaß verunsichert werden sollen. Aber das macht jetzt ja niemand mehr.

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