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Der Beste. David Storl gewann wie 2017 das Potsdamer Meeting.

© Gerhard Pohl

Leichtathletik in Potsdam: Events und Entwicklungen

Potsdam ist Leichtathletik-Standort mit Tradition. Diese erhält durch reizvolle Meetings und Nachwuchsförderung frische Impulse.

Von Tobias Gutsche

Potsdam - Brandenburg und vor allem Potsdam haben eine lange Leichtathletik-Tradition. Es gab Medaillen bei Europa- und Weltmeisterschaft sowie Olympia – die letzten liegen jedoch schon einige Jahre zurück. Neue Erfolge sollen am Luftschiffhafen produziert werden, am bis 2024 anerkannten Bundesstützpunkt, der besonders für Wurf- und Stoßdisziplinen sowie das Gehen und Stabhochspringen zuständig ist. Internationale Meetings – eines gewann Kugelstoßer David Storl am Mittwochabend in der MBS-Arena – sind der Potsdamer Versuch, die bundesweit zuletzt immer mehr aus dem Fokus der Öffentlichkeit rückende Leichtathletik wieder interessant zu machen. Gleichsam besteht die große Herausforderung, die eigenen Talente so zu unterstützen, dass sie in der Zukunft die Spitze erreichen.

Neues Förderteam im Nachwuchsbereich vorgestellt

Einen Tag, nachdem Ex-Weltmeister David Storl am Luftschiffhafen triumphiert hatte, wurde nur einen Kugelstoß von der MBS-Arena entfernt in der modernen Leichtathletikhalle ein Projekt vorgestellt, das selbst einschlagen soll wie Storls Arbeitsgeräte. Im sogenannten Team „3F – fit for future“ werden fortan fünf Potsdamer Nachwuchsleichtathleten gefördert, denen herausragendes Potenzial attestiert wird. Das Förderprogramm ist eine Initiative des Leichtathletik-Verbands Brandenburg und der AOK Nordost in Zusammenarbeit mit artiva und Intersport Voswinkel.

Die Sportler stünden mit ihren 14 bis 16 Jahren an einer sensiblen Schwelle im Leistungssport, erklärte am Donnerstag der leitende Landestrainer Kai-Uwe Meier. Im deutschen Fördersystem wird diese Altersstufe dem Nachwuchskader 3 zugeordnet. „Daran sind aber noch keine konkreten Unterstützungen gekoppelt“, sagte Meier. „Landesverbände und Vereine sind allein auf sich gestellt, um die Athleten beim nächsten Entwicklungsschritt hin zu den Junioren zu begleiten.“ Deshalb richte sich das neue märkische Förderteam mit finanzieller und materieller Hilfe genau an diese Gruppe.

Hoffnungsträger für die Zukunft: Nils Albrecht, Lena Sonntag, Luc Mehnert, Alyssa John und Mathilde Frenzl (v.l.).
Hoffnungsträger für die Zukunft: Nils Albrecht, Lena Sonntag, Luc Mehnert, Alyssa John und Mathilde Frenzl (v.l.).

© AOK Nordost

Die ersten Mitglieder kommen allesamt aus Potsdam: die Geherinnen Mathilde Frenzl und Lena Sonntag, die Speerwerfer Alyssa John und Nils Albrecht und Mehrkämpfer Luc Mehnert können nationale Meriten wie Deutsche Meistertitel und Rekorde vorweisen. Sie setzten sich nach interner Analyse des Landesverbands, der in Cottbus ebenfalls eine Sportschule für Leichtathletik hat, durch. Perspektivisch solle das Projekt noch weiter ausgebaut werden, hieß es.

Ähnliche Nachwuchsprogramme wurden durch die AOK Nordost auch schon bei Frauenfußball-Bundesligist Turbine Potsdam und beim Kanu Club Potsdam im OSC etabliert. Mit Erfolg. So konnte beispielsweise Felicitas Rauch zur A-Nationalkickerin reifen – und Annika Loske wurde die erste deutsche Canadierfahrerin, die eine Weltmeisterschaftsmedaille gewann.

Wenig Zuschauer beim Kugelstoß-Meeting

Er hat sie wieder alle k.o. gestoßen. Wie schon 2017 gewann David Storl nun auch die dritte Auflage des internationalen Potsdamer Kugelstoß-Meetings. Am Mittwochabend setzte er sich in der MBS-Arena beim finalen Duell mit 20,50 Metern gegen den Luxemburger Bob Bertemes durch, der keinen gültigen Versuch hatte. Der in k.o.-Runden ausgetragene Wettkampf ist von seinem Format her weltweit einmalig.

Ikonen unter sich. Potsdams Kugelstoß-Olympiasieger Udo Beyer im Gespräch mit David Storl.
Ikonen unter sich. Potsdams Kugelstoß-Olympiasieger Udo Beyer im Gespräch mit David Storl.

© Gerhard Pohl

Storl, der bisher einziger deutscher Kugelstoß-Weltmeister ist und der jüngste WM-Titelträger dieser Disziplin überhaupt, lobte erneut die Veranstaltung. Sie sei ein „außergewöhnliches Highlight“, sagte der Leipziger. Seine Leistung schätzte er als konstant gut ein, „doch der Ausrutscher nach oben war nicht dabei“. Storls bester Versuch des Abends landete bei 20,97 Metern (Hauptrunde). Sein Ziel war die Marke von Ü21. Das schaffte nur Finalist Bob Bertemes, der zwar nicht an Storls Meeting-Rekord (21,32 Meter) herankam, aber bereits bei seinem ersten Stoß in der Qualifikation beachtliche 21,03 Meter hinlegte – persönliche Bestleistung.

Die stellte auch Henning Prüfer auf. Der Mann vom SC Potsdam hat im Nachwuchsbereich mehrere Medaillen bei internationalen Meisterschaften gewonnen – einmal im Kugelstoßen (U18-Vizeweltmeister 2013), aber zumeist im Diskuswerfen. Auf das „Scheibenschmeißen“ hat sich der fast 23-Jährige inzwischen auch spezialisiert. Doch weil krankheitsbedingt einige Kugelstoßer für das Meeting am Mittwoch absagen mussten, sprang Prüfer kurzfristig ein. „Zweieinhalb Stunden vorher habe ich davon erfahren“, erzählte er. Nach knapp eineinhalb Stunden Wettkampf machte der Lokalmatador dann vor Freude eine Vorwärtsrolle über die blauen Matten, die zum Dämpfen des Aufpralls der Kugeln ausgelegt worden waren. Seine persönliche Top-Marke (17,08 Meter) hatte er schrittweise von 18,05 über 18,08 auf 18,20 Meter gesteigert. „Das war super“, sagte Viertelfinalist Prüfer, der im Training zuletzt ohnehin wieder mehr Übungen mit der Kugel einfließen ließ. „Das ist eine gute Abwechslung für den Kopf“, meinte er, betonte jedoch zugleich: „Mein Hauptaugenmerk bleibt beim Diskus.“ Nach Verletzungsproblemen in den vergangenen Jahren sei er mittlerweile wieder beschwerdefrei und wolle nun, da er der U23-Altersklasse entwächst, bei den Erwachsenen angreifen.

Eine Attacke war beim Potsdamer Meeting auch von Michal Haratyk und Konrad Bukowiecki erwartet worden. Die beiden Polen, die bei der Europameisterschaft 2018 in Berlin David Storl auf Rang drei verwiesen hatten, galten als größte Widersacher des Sachsen, kamen aber mit dem Modus nicht zurecht. Sie ereilte bereits in der ersten beziehungsweise zweiten von vier Duellrunden der „Knockout“.

Erfolgreicher Spontan-Start. Lokalmatador Henning Prüfer stellte eine persönliche Bestleistung auf.
Erfolgreicher Spontan-Start. Lokalmatador Henning Prüfer stellte eine persönliche Bestleistung auf.

© Gerhard Pohl

Zwar holperte die Umsetzung des Wettkampfformats wieder etwas, doch bleibt es innovativ und aufregend. Der Zuschauerzuspruch war trotzdem dürftig. Kamen bei der Premiere 2015 noch rund 1000 Besucher und 2017 immerhin 800, waren es diesmal nur 662. Die Verantwortlichen des gastgebenden SC Potsdam und der Luftschiffhafen GmbH, die die defizitäre MBS-Arena betreibt, werden sich selbstkritisch fragen müssen, ob sie genug Eigeninitiative bei der Werbung für das Event gezeigt haben. Schließlich kommen mehrere Tausend Euro auf der Ausgabenseite der Veranstaltung zusammen. Wegen der „erheblichen Kosten“ finde das Kugelstoß-Meeting auch nur im zweijährigen Rhythmus statt, erklärte SCP-Geschäftsführer Peter Rieger.

Stabhochsprung-Meeting auf dem Parkdeck

Über zu wenig Publikum musste der SC Potsdam bei seinem anderen großen internationalen Leichtathletik-Meeting nicht klagen. Die Laufkundschaft beim Stabhochsprung-Wettkampf im Stern-Center sorgte stets für eine gute Kulisse. Ob sich die auch im neuen Gewand der Veranstaltung ergeben wird, bleibt abzuwarten. Nach 19 Auflagen im Stern-Center wird das Springen ab diesem Jahr als Outdoor-Event auf dem obersten Parkdeck der Einkaufsmeile stattfinden. „Dass wir es so durchführen, ist jetzt ein Fakt“, sagte Peter Rieger.

Wie die PNN berichtet hatten, kann das Meeting nicht mehr direkt im Center ausgetragen werden, weil dort bauliche Veränderungen vorgenommen wurden, die ein Stabhochspringen unmöglich machen. Nun soll die Tradition aber auf dem Dach weitergeführt werden. „Ende August oder Anfang September ist der Zeitraum“, erklärt Rieger. Man stecke zwecks des Termins noch in Gesprächen mit den Verantwortlichen des Berliner Istaf, das am 1. September im Olympiastadion steigt. „Wir könnten uns vorstellen, dass unser Meeting eine Art Qualifikationswettkampf für das Istaf wird. Das könnte bei uns die Qualität heben.“

WM in Doha: Hitziger Saison-Höhepunkt 2019

Einen Qualitätsanstieg sollen Deutschlands Leichtathleten im Verlauf der aktuellen Saison zeigen. Wichtige Zwischenstation wird das nationale Championat Anfang August in Berlin, Höhepunkt des Jahres ist die Weltmeisterschaft vom 27. September bis 6. Oktober in Katars Hauptstadt Doha. „Da warten extreme klimatische Bedingungen. Es wird wahnsinnig heiß“, sagte Brandenburgs leitender Landestrainer Kai-Uwe Meier. Gerade für Potsdams starke Gehergilde, die in den vergangenen Jahren verlässlich bei den internationalen Highlights vertreten war und an Podestplätzen kratzte, werde dies eine „riesige Herausforderung“.

Bevor die Saison unter freiem Himmel startet, geht aktuell die Hallenphase auf ihre Zielgerade. An diesem Wochenende wird in Leipzig die Deutsche Indoor-Meisterschaft ausgetragen. Allerdings ist aus Potsdamer Sicht nur Dreispringerin Stefanie Kuhl dabei. Die magere Teilnehmerbilanz kommt einerseits dadurch zustande, dass Potsdams beste Disziplinen – Wurf und Gehen – nicht in dieser nationalen Meisterschaft integriert sind. Und Meier fügte hinzu: „Außerdem fallen einige Athleten noch verletzungsbedingt aus.“ Zum Beispiel im Stabhochsprung die WM-Starterin Friedelinde Petershofen und Jugend-Olympiasiegerin Leni Freyja Wildgrube. Insofern werden auch bei der Hallen-Europameisterschaft Anfang März in Glasgow keine Aktiven vom Luftschiffhafen mitmischen. Doch zumindest einen Vorgeschmack auf diese kontinentalen Titelkämpfe bekamen die Potsdamer Leichtathletik-Fans am Mittwoch durch die Kugelstoßer um David Storl.

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