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Es soll begeisternd werden. Das Berliner Olympiastadion soll während der Leichtathletik-EM zur Event-Bühne werden, auf der sich Spitzensport und Entertainment treffen.

© Berlin2018/Camera4

Leichtathletik-EM in Berlin: „Die Leute sollen überrascht sein“

Frank Kowalski ist der Cheforganisator der Leichtathletik-Europameisterschaft in Berlin. Was das Berliner Olympiastadion auszeichnet und wie er die Leichtathletik bei der EM völlig neu präsentieren möchte, erklärt er im Interview.

Herr Kowalski, von Ihrem Arbeitsplatz ist es nur ein Steinwurf ins Berliner Olympiastadion. Was gefällt Ihnen am Olympiastadion, was macht es für Sie besonders?

Da kann ich gleich sehr privat antworten. Ich war mit 14 Jahren das erste Mal in Berlin als noch sehr junger Speerwerfer. Das war 1978, da gab es noch Deutsche Schülermeisterschaften. Es war meine erste Reise von Zuhause weg und ich habe in diesem Stadion Speer geworfen. Und seitdem fasziniert mich dieses Stadion unglaublich. Ich bekomme jedes Mal Gänsehaut, wenn ich es betrete. Jetzt schließt sich für mich persönlich ein großer Kreis und es ist für mich eine große Ehre, dieses Stadion als Veranstalter und Hauptverantwortlicher bespielen zu dürfen. Dieses Olympiastadion ist in der Architektur und auch in seiner Harmonie mit der blauen Laufbahn etwas Einzigartiges und für mich das schönste Leichtathletik-Stadion nicht nur in Europa, sondern weltweit. Die Verbindung von Tradition und Moderne ist einmalig.

Alles gute Gründe, das Olympiastadion Berlin einmal zu besuchen. Warum sollte man aber vor allem in der Woche vom 6. bis 12. August hingehen?

Weil wir in der Zeit großen Sport zu bieten haben und weil wir eine Veranstaltung dort präsentieren, die erstmals das Stadion in seiner Gesamtheit bespielt und nicht nur den Rasen. Es sind bei diesen Europameisterschaften der Leichtathleten insgesamt 48 Entscheidungen zu sehen, sechs davon werden ausgelagert und in der Innenstadt stattfinden. Es wird ein hohes Maß an Abwechslung und ein Format einer Europameisterschaft geboten, wie man es so noch nie gesehen hat. Wir haben den Zeitplan komplett überarbeitet und werden jeden Abend zweieinhalb Stunden kompakt Leichtathletik auf hohem Niveau anbieten – topmodern präsentiert mit allen Möglichkeiten, die man heutzutage hat: LED-Banden, wir werden zusätzlich Videowalls einbinden und arbeiten mit Laserlinien im Weitsprung und Dreisprung zur Orientierung für den Zuschauer. Wir werden mit Moderationen aus dem Innenraum und dem Umlauf des Stadions sowie mit sehr viel Musik das ganze Geschehen aufbereiten. Die Zuschauer erwartet ein Live-Entertainment und sie bekommen fünf, sechs Finals am Abend. Das sollte man sich nicht entgehen lassen.

Ganz traditionellen Leichtathletik-Fans reicht es, wenn sie sehen, wer am schnellsten läuft, am höchsten springt und am weitesten wirft. Warum genügt das nicht mehr, um Stadien zu füllen?

Die Gesellschaft verändert sich auch im Sportkonsum. Leichtathletik ist sehr komplex, aber der Zuschauer will es einfach. Es gönnt sich ja sonst keine Sportart, fünf oder sechs Disziplinen parallel durchzuführen. Wir wollen darin stark sein, dem Zuschauer zu vermitteln, dass er geführt wird und ihm kein Ergebnis entgeht. Es ist doch das Schlimmste, wenn man im Stadion gerade wegen einer Disziplin wie dem Weitsprung sitzt und nicht weiß, wie der Wettkampf ausgeht. Unser Anspruch ist, dass zu keinem Zeitpunkt an keiner Stelle im Publikum eine Information verloren geht. Wir werden den Zuschauer durch das Geschehen von fünf, sechs gleichzeitig laufenden Disziplinen navigieren, ohne, dass er etwas verpasst. Er kann vom Hochsprung bis zum Kugelstoßen den Wettkampf verfolgen und bekommt mit, wenn ein Athlet eine neue Bestleistung erzielt und wer aktuell auf Platz eins, drei oder fünf liegt. Das ist die Herausforderung, die wir zur EM angenommen haben. Wir nennen das Event-Präsentation, hinter der mittlerweile 20 Leute stehen, um sie umzusetzen.

Mit welchem Leitstrahl wollen Sie die Bevölkerung aus dem Umland nach Berlin ziehen und den vielleicht eher etwas zurückhaltenden Brandenburger für die EM begeistern? Oder ist das Konzept so überzeugend, dass es selbst den knorrigen Märker anspricht?

Das mit dem Märker will ich so nicht bestätigen, da fehlt mir die Erfahrung. Aber in der Tat: Diese Veranstaltung hat eine wahnsinnige, internationale Strahlkraft. Wir werden unglaublich viele Gäste aus dem Ausland haben und ich baue ein bisschen darauf, dass sich Berlin und sein Umland als Gastgeber zeigen für die größte Sportveranstaltung in Deutschland. Ich glaube, dass es eine zusätzliche Emotionalisierung nach den Deutschen Leichtathletikmeisterschaften am kommenden Wochenende in Nürnberg geben wird, wenn feststeht, welche Berliner und auch Potsdamer Athleten dabei sind. Es geht ja auch um Lokalkolorit und darum, die heimischen Athleten anzufeuern, für die eine Europameisterschaft im eigenen Land einmalig in ihrer sportlichen Karriere sein wird. Da muss das Publikum dahinterstehen. Das hat 2009 bei der Weltmeisterschaft funktioniert. Und ein Leitstrahl ist für uns Diskuswerfer Robert Harting. Er hat es einfach verdient, jetzt noch einmal in diesem Stadion zu stehen. Er wird sich bei den Deutschen Meisterschaften hoffentlich qualifizieren und dann wird sicher noch einmal ein Ruck durch die Bevölkerung gehen. Denn es ist die letzte Chance, diesen Heroen noch einmal zu bewundern.

Einmalig ist auch das Konzept, eine Arena neben der Arena zu installieren. Es wird auf dem Breitscheidplatz eine große Sport-Kultur-Entertainment-Arena geben mit Public Viewing. Welche Idee steckt dahinter?

Auch dort gibt es mehrere Ziele, die wir damit verfolgen. Für die deutsche Leichtathletik wird es immer schwieriger, internationale Veranstaltungen ins Land zu holen. Die Kosten werden immer höher und Einnahmen zu generieren immer schwieriger. Im Schnitt hat man vielleicht alle zehn Jahre eine solche Veranstaltung. Wir kämpfen in dieser Sportart um unseren Stellenwert: Es ist die olympische Kernsportart, aber die mediale Reichweite ist immer geringer geworden. Nun kann man entscheiden, ob man diese sechs Tage EM „nur“ im Stadion durchführt oder sich weitere Schauplätze schafft. Es war seit 2013 schon unsere Idee, dass wir eine Woche Leichtathletik nicht nur ins Olympiastadion, sondern mitten in die Berliner Metropole bringen wollen. Und so ist das Konzept der Europäischen Meile entstanden. Das haben wir mit sehr viel Herzblut und viel Überzeugung verfolgt, auch nach dem perfiden Anschlag auf dem Breitscheidplatz im Dezember 2016, der uns alle geschockt hat. Jetzt stehen wir vor der Realisierung. Die Budapester Straße wird für eine Woche geschlossen und die Generali-Arena entsteht. Wir führen die Siegerehrungen dort durch und die Straßenwettbewerbe im Gehen und Marathon mit Start und Ziel sowie die Kugelstoß-Qualifikationen – mit all dem wollen wir die Leichtathletik und die EM der Bevölkerung erlebbarer machen, aber auch die Athleten den Leuten näherbringen. Bei einer Siegerehrung im Stadion sieht man die Athleten in Miniaturgröße, in der Generali-Arena auf dem Breitscheidplatz kommt man an die Athleten ran. Es bringt einfach Nähe. Es wird ein abendliches Get-Together mit Sportlern, Trainern, Journalisten und Zuschauern, an dem man teilnehmen kann, ohne sich ein Ticket kaufen zu müssen.

Wann sagen Sie am 12. August, wenn die letzte Entscheidung gefallen ist und die letzten Sieger geehrt sind, dass Sie zufrieden sind und einen guten Job gemacht haben?

Das hängt von mehreren Faktoren ab. Zunächst geht es bei einem so großen Projekt auch um wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Die muss man im Lot halten. Wenn man mit einer schwarzen Null rauskommt oder von den Zuwendungen sogar etwas zurückspielen konnte, dann ist man logischerweise zufrieden. Zufriedenheit heißt aber auch, unsere Gäste in einen Zustand zu versetzen, dass sie überrascht sind. Sie sollen begeistert nach Hause gehen und sagen: Wow, das habe ich so nicht erwartet. Wenn das passiert, ist das der Ritterschlag für uns. Das ist das Entscheidende für uns neben all dem Organisatorischen, was auch funktionieren muss. Aber das wird ja von einem deutschen Veranstalter auch erwartet.

Wie zufrieden waren Sie vor 40 Jahren im Olympiastadion – beim Speerwerfen?

Das war für mich eine große Enttäuschung. Ich war damals ein unbeleckter Bub aus der Pfalz, der keine Speerwurf-Spikes hatte. Es hat damals leider geregnet und ich bin dreimal weggerutscht und blieb weit unter meinen Möglichkeiten. Das treibt mich jetzt schon viele Jahrzehnte an, um es jetzt in eine komplett andere Richtung zu drehen und diesmal erfolgreich im Olympiastadion zu sein.

ZUR PERSON: Frank Kowalski (54) ist seit 2015 Geschäftsführer der Berlin Leichtathletik-EM 2018 GmbH. Zuvor war er Veranstaltungsdirektor des Deutschen Leichtathletikverbandes.

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