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Doch kein Riss. Inka Weselys Kreuzband ist nur gedehnt und angerissen.

©  J. Kuppert

Knieverletzungen im Frauenfußball: Von Natur aus mehr gefährdet

Studien belegen, dass die Kreuzbandrissgefahr bei Frauen deutlich höher ist als bei Männern. Warum das so ist, erklärt ein Sportmediziner von der Universität Potsdam.

Von Tobias Gutsche

Inka Wesely hatte in der vergangenen Woche Grund zu „riesiger Freude und Erleichterung“, wie die Fußballerin von Turbine Potsdam erzählt. Bei einer Operation an ihrem verletzten linken Knie stellte sich nämlich heraus, dass das Kreuzband doch nicht – wie zunächst angenommen – komplett gerissen, sondern nur gedehnt und angerissen ist. Außerdem war der Meniskus beschädigt. „Das ist alles weitaus weniger schlimm und wurde bei der OP jetzt gleich behandelt“, sagt Wesely, die sich die Verletzung im Pokalspiel gegen Hoffenheim zugezogen hatte. „Wenn sich das Knie in der Reha wieder gut stabilisiert, brauche ich nicht noch mal unter das Messer und kann vielleicht in vier oder fünf Monaten wieder spielen.“

Noch länger – und zwar weit über ein halbes Jahr – müssen derweil Weselys Teamkolleginnen Johanna Elsig, Amela Krso und Magdalena Szaj auf ihr Comeback warten, denn bei ihnen wurde in der aktuellen Saison eine gänzliche Ruptur des Kreuzbandes diagnostiziert. Also gleich vier Kreuzbandverletzungen hat Turbine binnen drei Monaten zu beklagen. Dr. Michael Cassel, Sportmediziner an der Universität Potsdam, sagt: „Das ist schon eine außergewöhnliche Häufung.“

Problematisch bei Frauen: Vermehrte Innenrotation der Hüfte und X-Bein-Stellung bei Belastungen

In den vier Fällen ist jeweils das vordere Kreuzband betroffen, das gemeinsam mit dem hinteren die Verbindung zwischen Oberschenkelknochen und Schienbein herstellt und damit für die notwendige Stabilität des Gelenks sorgt. Zwar können natürlich beide Bänder reißen, doch weitaus öfter geschieht dies beim vorderen. In Forschungsberichten ist vom Verhältnis 15:1 die Rede. Während das hintere Kreuzband vor allem wie bei einem Autounfall durch Gewalteinwirkung von außen in Mitleidenschaft gezogen wird, entstehen Verletzungen des vorderen Bandes überwiegend beim Sport. Vornehmlich bei den sogenannten Stop-and-Go-Sportarten wie Fußball, Handball oder Basketball. In 70 Prozent der Fälle liegt dabei keine Fremdeinwirkung vor, Ursachen sind stattdessen zu hohe Belastungen bei Abbremsbewegungen, dem Landen nach Sprüngen oder Verdrehungen des Gelenks.

Die Anfälligkeit für einen Kreuzbandriss hängt in besonderem Maße auch mit einem Aspekt zusammen: dem Geschlecht. Medizinische Studien beziffern ein etwa drei -bis zehnmal so hohes Risiko für weibliche Sportlerinnen im Vergleich zu ihren männlichen Pendants. Doch woran liegt das? „Einerseits scheinen Frauen aufgrund ihres laxeren Bindegewebes verbunden mit laxeren Bandverhältnissen gefährdeter“, erklärt Dr. Cassel. „Ganz wesentlich und auch wissenschaftlich nachgewiesen ist aber, dass besonders junge Frauen zur vermehrten Innenrotation in der Hüfte und einer verstärkten X-Bein-Stellung während Belastungen wie Sprüngen oder schnellen Richtungswechseln neigen. Auf das Knie und vor allem das vordere Kreuzband wirken dadurch erhöhte Kräfte ein.“ Können diese nicht mehr richtig abgefangen werden, gibt das Band nach.

Prävention: Kräftigung der Muskulatur und genügend Erholung

Viele Sportler – wie die Turbine-Kickerinnen Inka Wesely, Johanna Elsig, Magdalena Szaj und Stefanie Draws – ereilt ein solches Unglück sogar mehrfach in der Karriere. „Mal passiert es auf derselben, mal auf der anderen Seite“, sagt der Potsdamer Arzt und Wissenschaftler und erklärt, wie man in den risikobehafteten Sportarten einem Kreuzbandriss bestmöglich vorbeugen kann: „In jedes Training müssen Übungen zur Kräftigung der Muskulatur – speziell der Hüftaußenrotatoren und des Oberschenkels – eingebunden werden. Zudem ist die funktionelle Stabilisierung des Rumpfes und der unteren Extremitäten wichtig. Wirkungsvoll ist das alles aber nur, wenn man es sorgfältig ausführt.“ Zu beachten sei obendrein, dass dem Körper genügend Erholung gegeben wird, „denn bei zu hoher Ermüdung steigt die Verletzungsgefahr deutlich an.“

In der Bundesliga empfängt der von Verletzungssorgen geplagte Tabellendrittletzte Turbine Potsdam am Sonntag (14 Uhr/Karl-Liebknecht-Stadion) den bislang sieglosen Aufsteiger 1. FC Köln, der am Ende des Klassements steht.

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