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Überraschung in Rio. Jan Vandrey (hinten) fuhr 2016 mit Sebastian Brendel im Zweier zum Olympiasieg.

© Lukas Coch/dpa

Kanute Jan Vandrey: Die Last eines Olympiasieges

2016 holte Jan Vandrey Gold in Rio. Der Potsdamer Kanute genoss den Triumph, der aber auch zum Problem wurde. Dieses Jahr möchte er wieder angreifen.

Von Tobias Gutsche

Potsdam - Es ging alles ganz schnell. Von null auf hundert. Jan Vandrey war bis 2016 noch nicht einmal in der A-Nationalmannschaft des Deutschen Kanu-Verbands (DKV), da durfte er gleich zu den Olympischen Spielen. Und in Rio gelang dem Canadierfahrer des KC Potsdam im OSC mit seinem Vereinskollegen Sebastian Brendel sogar die sensationelle Zweier-Siegesfahrt über 1000 Meter. „Es war ein Moment, der alles verändert hat“, sagt Vandrey in der Rückschau. „Aber er hat es mir nicht unbedingt leichter gemacht.“

Goldener Glücksmoment für das Potsdamer Duo Jan Vandrey (l.) und Sebastian Brendel. 
Goldener Glücksmoment für das Potsdamer Duo Jan Vandrey (l.) und Sebastian Brendel. 

© Soeren Stache/dpa

2016 präsentierte sich der gebürtige Schwedter als Neuling im Weltcup gut. Aber ein Startplatz für die Sommerspiele war zunächst nicht sicher. Erst wegen Dopingvergehen anderer Kanunationen rückte Vandrey mit Brendel im Zweier kurzfristig nach. Und plötzlich stand der 1,88 Meter große Athlet dann gemeinsam mit der Canadier-Ikone im goldenen Olympia-Scheinwerferlicht. „Die Aufmerksamkeit war riesig – und ich habe es genossen“, sagt er. Den Triumph feierte Vandrey ausgiebig. Er habe „alles mitgenommen, was ich kriegen konnte“. Denn er sei „realistisch und ehrlich zu mir selbst“ gewesen. „Mir war klar: Vielleicht klappt es nicht noch mal mit so einem großen Erfolg – dann möchte ich den einen aber richtig ausgekostet haben.“

"Im Training fehlten macnchmal die letzten Prozentpunkte"

Tatsächlich lief es anschließend „nicht so, wie ich es mir selbst gewünscht hatte“, meint Vandrey. „Auch, weil im Training manchmal die letzten Prozentpunkte fehlten – da bin ich ebenfalls ehrlich.“ Zwar holte er 2017 WM-Gold und 2019 -Silber, aber nur im nichtolympischen Canadier-Vierer, in dem er 2018 zudem Rang vier bei den Welttitelkämpfen belegte. Im so lieb gewonnenen Duett mit Dreifach-Olympiasieger Brendel konnte Vandrey bei keinem internationalen Championat mehr antreten, weil sich im DKV-internen Vergleich stets Peter Kretschmer/Yul Oeltze durchsetzten. „Es ärgert mich, dass ich und Basti seit Rio immer nur die Nummer zwei im eigenen Land waren“, sagt der Oberbrandmeister der Brandenburger Feuerwehr-Sportfördergruppe.

Für ihren Olympiasieg wurden Jan Vandrey (r.) und Sebastian Brendel auch als Brandenburgs Sportteam des Jahres 2016 geehrt. 
Für ihren Olympiasieg wurden Jan Vandrey (r.) und Sebastian Brendel auch als Brandenburgs Sportteam des Jahres 2016 geehrt. 

© Manfred Thomas

In dieser Saison wolle er aber einen neuen Angriff starten. Der Grundstein muss nächsten Monat bei den nationalen Sichtungen gelegt werden. Danach entscheidet der Weltcup im Mai über die Nominierung für Tokio. „Die Konkurrenz ist hart“, betont der Potsdamer. Kretschmer/Oeltze wurden 2017 und 2018 jeweils Weltmeister. Voriges Jahr reichte es mit deutlichem Rückstand aber nur zu WM-Rang vier. „Wir glauben an unsere Chance, Deutschlands Beste zu werden“, so Vandrey.

Der Komiker ist nachdenklicher geworden - und reifer

Der schnelle Aufstieg seines Schützlings vor vier Jahren habe Herausforderungen mit sich gebracht, sagt Trainer Ralph Welke. Auf einmal hätten alle in Vandrey bloß noch den Olympiasieger gesehen. „Entsprechend war die Erwartungshaltung im Training und Wettkampf“, sagt der Coach. Wenn es dann nicht rund lief, geriet Vandrey in die Kritik, musste sich rechtfertigen, warum er als olympischer Goldmedaillengewinner nicht ganz vorne mit dabei sei. „Vorher war für ihn alles unbeschwert, jetzt stand er immer auf dem Prüfstand. Das war für ihn schwierig.“ Auf öffentlichen Veranstaltungen gibt Vandrey gerne den Komiker, den Entertainer, der mit lockeren Sprüchen für Stimmung sorgt. „Auch im Training tut Jan damit allen gut. Aber durch den Druck ist er inzwischen schon etwas ruhiger geworden, nachdenklicher“, berichtet Welke.

Jan Vandrey beim Potsdamer Kanalsprint - ein Event, dass der Sport-Entertainer sehr mag. 
Jan Vandrey beim Potsdamer Kanalsprint - ein Event, dass der Sport-Entertainer sehr mag. 

© Manfred Thomas

Doch habe sich der Rechtspaddler gerade durch viel Selbstreflexion persönlich weiterentwickelt. „Er ist wesentlich gereifter als damals“, findet der Canadier-Bundestrainer aus Potsdam. Er attestiert Vandrey auch, mittlerweile die Trainingsinhalte „mehr und besser“ umzusetzen. Trotzdem werde der Kampf ums Olympiaticket „sehr, sehr schwer“. Nur noch der Einer und Zweier über je 1000 Meter gehören bei den Canadier-Männern zum Programm der Sommerspiele. „Wenn wir wie beim Kajak auch noch einen Vierer hätten, wäre Jan voll im Plan“, sagt Welke. „Aber so ist es eben leider nicht.“ Darum wird Vandrey absolute Top-Leistungen brauchen. „Ich werde alles dafür geben“, bekräftigt er. Und sein Trainer hofft: „2016 hat Jan uns alle überrascht – 2020 lassen wir uns gerne wieder überraschen.“

+++ Wegen Coronavirus: Trainingslager in Portugal statt Italien +++

Auf dem Weg zu Olympia 2020 müssen die Canadierfahrer des Deutschen Kanu-Verbandes (DKV) ihre Pläne kurzfristig ändern. Wie der Potsdamer Dreifach-Olympiasieger Sebastian Brendel auf Facebook mitteilte, hat der DKV ein Trainingslager im italienischen Sabaudia wegen der Coronavirus- Ausbreitung abgesagt. Stattdessen wird der am Donnerstag beginnende Lehrgang nach Montebelo in Portugal verlegt. Zwölf Jahre lang habe er im Frühjahr stets in Sabaudia trainiert, schrieb Brendel. „Ich hoffe auf genauso gute Bedingungen bei meinem ersten Trainingslager in Portugal.“

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