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Jahresprojekt "Die Firma läuft": Gesundheitsförderung im Risiko-Job

Die Mitarbeiter des Teltower Seniorenheims „Bethesda“ genießen ihren wöchentlichen Sportkurs im Rahmen des Projekts „Die Firma läuft“. In der Altenpflege sind derartige Präventionsmaßnahmen zur Stärkung von Körper und Geist besonders wichtig.

Von Tobias Gutsche

Im Eingangsbereich des evangelischen Seniorenzentrums „Bethesda“ steht Nancy Buchwald mit ihrem lila Sportanzug bekleidet und richtet vor dem Trainingsbeginn eine Bitte an den Coach. „Nicht so doll heute, okay?! Ich gehe morgen tanzen, da möchte ich keinen Muskelkater haben“, hofft sie an dem Freitagnachmittag auf eine eher regenerative statt intensive Einheit am Ende ihrer anstrengenden Arbeitswoche. Nancy Buchwald ist Altenpflegerin und in der Teltower Senioreneinrichtung tätig. Diese macht 2015 wie zwei weitere Betriebe beim Jahresprojekt „Die Firma läuft“ mit, das von den PNN und der AOK Nordost initiiert wurde.

Mit der Teilnahme wollte „Bethesda“ einen Beitrag zur Gesundheitsförderung der Mitarbeiter leisten, erzählt Marleen Skowronek. Als Pflegedienstleiterin organisiert sie die Abläufe in dem Haus. Dort betreuen 60 Angestellte in Früh-, Spät- sowie Nachtschicht die fast 100 Bewohner und leisten damit Schwerstarbeit, wie Skowronek findet: „Vor allem der Stressfaktor ist sehr hoch, die körperliche Belastung ist aber auch enorm.“

Überdurchschnittlich hohe Ausfallzeiten in der Altenpflege

Ein Kopf- und Knochenjob zugleich, der an die Substanz geht. Und auch im besonderen Maße krankmachen kann. Das geht aus einer Studie des Wissenschaftlichen Instituts der AOK hervor. Demnach zählt die Altenpflege zu den Berufszweigen, in denen die gesundheitsbedingten Ausfallzeiten am höchsten sind. Durchschnittlich 26,7 Fehltage – fast jeder Sechste davon wegen psychischer Leiden – summieren sich in dieser Branche pro Person im Jahr, was deutlich über dem allgemeinen Mittelwert von 18,9 Tagen liegt.

„Bei uns ist das nicht anders“, bestätigt Marleen Skowronek. „In Spitzenzeiten haben wir einen Krankenstand von elf Prozent. Man sagt, dass fünf Prozent gerade so noch zu ertragen sind.“ Aufgrund der vielen Mitarbeiterausfälle entwickle sich ein „Teufelskreis“, wie die Pflegedienstleitern erläutert: „Wenn weniger Leute da sind, müssen die anderen noch mehr stemmen. Und das erhöht wiederum die Gefahr, dass auch sie krank werden.“

Betriebliches Gesundheitsmanagement zur Prävention

Mit Präventionsmaßnahmen im Sinne eines betrieblichen Gesundheitsmanagements kann dem körperlichen und seelischen Verschleiß am Arbeitsplatz entgegengewirkt werden. Im „Bethesda“ werden beispielsweise alle zwei Wochen kostengünstige Massagen für die Mitarbeiter angeboten. „Es besteht aber noch viel mehr Handlungsbedarf“, meint Marleen Skowronek und ergänzt im selben Atemzug: „Die Umsetzung ist jedoch nicht einfach, denn das ist immer eine Frage der Kostenübernahme. Wir sind in dieser Hinsicht auf die Kooperation mit unserem Träger LAFIM angewiesen und hoffen, dass wir künftig mehr Möglichkeiten bekommen, um die Gesundheit unseres Personals zu unterstützen.“

Zum Beispiel bei einem wöchentlichen Sportkurs, wie er im Rahmen des Projekts „Die Firma läuft“ stattfindet. Entspannungs- und Koordinationsübungen stehen in dieser Woche hauptsächlich auf dem Trainingsplan der Pflegeheim-Angestellten. Von ihrer Dienststelle gehen sie zunächst im flotten Schritt vorbei an Pferdekoppeln hinaus in die Teltower Natur, schulen dann auf spielerische Weise ihr Bewegungsempfinden mit einem blauen Gummiball, ehe das Herz-Kreislauf-System in Schwung gebracht wird. Es wird gelaufen. Auf einem großflächig eingezäunten Areal, das eigentlich als Spielwiese für Hunde angelegt ist. Nur ein Vierbeiner tollt dort gerade herum, während die Männer und Frauen von „Bethesda“ ihre Runde drehen.

Sport als Ausgleich zum Arbeitsalltag

Mit dabei ist Claudia Calsow. Sie war jahrelang in der Behindertenpflege tätig und absolviert nun als 45-Jährige eine Ausbildung zur Altenpflege-Fachkraft. „Ich wollte mich noch einmal verändern, weil mir mit der Zeit bewusst geworden ist, dass ich meinen vorherigen Job nicht bis zur Rente machen möchte. Bei der Arbeit mit Senioren, was mich persönlich nervlich weniger belastet, sehe ich hingegen diese Perspektive“, sagt Claudia Calsow. Sie läuft über die laubbedeckten Pfade und genießt sichtlich die Bewegung als Ausgleich zum Berufsalltag. „Der gesamte Stress fällt dabei ab, der Kopf wird frei“, meint sie und nennt noch einen weiteren positiven Effekt der Sporteinheiten: „Das ist ein Gemeinschaftsding und gut für unser Kollektiv. Wir haben Spaß dabei und lachen viel.“

Wie unmittelbar nach Beendigung der Laufrunde zu sehen ist. Die Atmosphäre ist locker und gelöst, es wird herzhaft gescherzt. Gleichsam werden aber auch die wohltuenden Momente der Ruhe geschätzt, die beim abschließenden Mix aus Dehn-, Kräftigungs- und Atemübungen einkehren. Erholung für den Körper, Erholung für den Geist. Ein Training, dem Wunsch von Nancy Buchwald entsprechend. „Das war sehr angenehm heute“, sagt sie. Der Tanzabend kann kommen.

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