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Emotionaler Abend. Nach einer miserablen ersten Halbzeit kämpfte sich Liga-Neuling HV Grün-Weiß Werder in Durchgang zwei Tor um Tor gegen den SV Anhalt Bernburg heran. Der Jubel war dabei groß: auf der Bank, auf dem Platz, auf der Tribüne. Am Ende wurde das Unentschieden gefeiert.

© Sylvia Göres

HV Grün-Weiß Werder: Werderaner Handball-Wahnsinn

Der HV Grün-Weiß hat nach hohem Rückstand noch ein Remis gegen Bernburg und damit seinen ersten Drittligapunkt geholt. Durch Kampfgeist, einen Taktik-Clou sowie Fan-Unterstützung kam Werder zum Erfolg und wurde auch durch das Auftreten der Gegner angestachelt.

Von Tobias Gutsche

59:58 Minuten, 59:59, 60:00. Schluss. Als am Samstagabend die Handball-Drittligapartie zwischen dem HV Grün-Weiß Werder und SV Anhalt Bernburg endete, begannen zugleich die Feierlichkeiten auf Seiten der Werderaner. Die Spieler rannten völlig losgelöst über das Feld, sprangen sich in die Arme, tanzten im Kreis, während die Grün-Weiß-Fans mit ihrem Jubelexzess die Belastbarkeit der Tribüne auf die Probe stellten. Der Liga-Neuling aus der Blütenstadt hatte zuvor zwar nicht gewonnen, am achten Spieltag war aber immerhin mit dem 28:28 (12:18) der erste Punktgewinn gelungen. Ein historischer Moment, dessen Zustandekommen – insofern das Ganze ein Film gewesen wäre – ins Genre Thriller eingeordnet werden müsste.

Die erste Halbzeit mutete für Werder zwei Tage vor Halloween zunächst jedoch wie ein Horrorstreifen an. Kaum etwas funktionierte bei den Hausherren, sie lagen zwischenzeitlich mit neun Toren zurück. Nach Meinung von Trainer Silvio Krause lag das nicht an einer schlechten Einstellung seiner Mannschaft. Ganz im Gegenteil. „Am Anfang waren wir übermotiviert. Jeder wollte, hat sich viel vorgenommen und war hochkonzentriert. Allerdings waren alle eben nur auf sich fokussiert, sodass wir nicht zusammengestanden haben“, urteilte der Coach. Bei der Kabinenansprache in der Halbzeitpause – der Rückstand betrug sechs Treffer – sei Krause dann „nicht laut, aber energisch wie immer“ gewesen, erzählte er. Er habe gegenüber seinen Schützlingen vor allem eines betont: „Wir können auch mit sechs Toren Differenz eine Halbzeit gewinnen.“ Krauses positives, kämpferisches Denken nahmen die Adressaten auf. Sie entwickelten den Glauben an die eigene Stärke. Und Glaube kann dem Sprichwort zufolge bekanntlich Berge versetzen. Im Falle des HV Grün-Weiß war es am vergangenen Samstag sogar ein kleines Gebirge.

Manndeckung gegen Bernburgs Regisseur zeigte großen Effekt

Nach der miserablen ersten Hälfte traten die Werderaner nun deutlich verbessert auf. Insbesondere defensiv, was einem cleveren taktischen Kniff von Silvio Krause geschuldet war. Er setzte seinen Linksaußen Joe Boede als Manndecker auf Steffen Cieszynski – Bernburgs Regisseur – an, sodass der nicht mehr schalten und walten konnte. „Dadurch haben wir deren gesamtes Angriffsspiel kaputt gemacht“, analysierte Boede. Werder wurde wiederum offensiv immer erfolgreicher, zeigte mehr Variabilität sowie Durchschlagskraft, schob sich Tor für Tor heran. „Über Handballästhetik brauchen wir dabei nicht zu sprechen. Aber an Willen und Kampfgeist war das nicht zu überbieten“, sagte Co-Trainer Max Ziegler hinsichtlich der Aufholjagd.

Bei dieser wurden die Grün-Weißen auch durch das Auftreten der Gegner angestachelt. Als ihr Vorsprung noch komfortabel war, wirkten die Bernburger Spieler sehr von sich überzeugt – mit einem Hang zur Arroganz. Ein paar markige, überhebliche Sprüche in Richtung des Gastgebers seien auch gefallen, berichtete HV-Rückraummann Robin Huntz und meinte ganz trocken: „Ich denke, das haben wir ihnen dann ordentlich zurückgezahlt.“

Die Werderaner standen sogar kurz davor, die Partie zu gewinnen 

Werder dominierte das Geschehen und schrieb am Drehbuch für das eigene Handballmärchen, in dem auch die Zuschauer eine wichtige Rolle übernahmen. Die Kesselgrundstraße, in der sich die erneut mit 199 Besuchern ausverkaufte Halle befindet, hatte am Samstag eine Umbenennung in Hexenkesselgrundstraße verdient. „Die Stimmung war der Wahnsinn“, meinte der siebenfache Torschütze Robin Huntz, der gemeinsam mit Joe Boede (sieben Treffer) und Tobias Frank (acht) ein furioses Offensivtrio bildete. „Und man hat gemerkt“, sagte Huntz, „was alles dank der Unterstützung unserer Fans möglich ist.“ Beinahe sogar der Sieg gegen Anhalt Bernburg. 

Das Team in Grün und Weiß hatte sich nämlich knapp fünf Minuten vor dem Ende auf 28:26 abgesetzt, musste in der Schlussphase allerdings zum Teil wegen Zeitstrafen in Unterzahl spielen und letztlich noch zwei Gegentreffer hinnehmen. „Dieser eine Punkt ist trotzdem ein Riesending“, erklärte Trainer Silvio Krause, dessen Truppe zwar weiterhin Tabellenletzter der Nordstaffel ist, aber mit nunmehr 1:15 Zählern eben keine Nullnummer mehr. Der Aufsteiger fühlt sich daher jetzt erst so richtig zugehörig zu seiner neuen sportlichen Gesellschaft. Assistenzcoach Max Ziegler machte dies klar, als er nach Spielschluss den Fans und der Mannschaft via Hallenmikrofon sagte: „Willkommen in der 3. Liga.“ 

Werder: Göres, Petsch – Lemaitre, Harnge, Frank (8), Schugardt, Drescher (2), Huntz (7), Bruck (1), Nehls (2), Boede (7), Jürschke, Schindel (1), Wirt

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