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Im Spagat. Alexander Haase kümmert sich um die Belange der deutschen Handballmänner, aber zugleich auch um die Entwicklung des Brandenburger Handballs - speziell beim VfL Potsdam.

© Lukas Schulze/dpa

Handball-Nationalmannschaft und VfL Potsdam: „Fehler gehören zu jedem Spiel“

Seit Ende 2014 ist der Potsdamer Alexander Haase Assistenztrainer der deutschen Männer-Handballnationalmannschaft. Und er wird es auch weiterhin sein. Im Interview spricht er über die EM-Enttäuschung, den Umgang mit Negativerlebnissen, die Potsdam-Bewegung sowie den VfL Potsdam.

Von Tobias Gutsche

Herr Haase, nach einigen Wochen der Unruhe hat der Deutsche Handballbund nun entschieden: Christian Prokop bleibt Cheftrainer der Männer-Nationalmannschaft und Sie sein Assistent. Was bedeutet Ihnen dieser Vertrauensbeweis?

Sowohl Christian Prokop als auch ich freuen uns sehr, dass wir mit der Mannschaft weiterarbeiten dürfen. Dass die Situation zuletzt sicherlich nicht leicht war, ist allen Beteiligten klar, aber ich bin sehr, sehr guter Dinge für die Zukunft.

Es brandete bereits vor, während und nach der letztlich für Deutschland enttäuschenden Europameisterschaft in Kroatien viel Kritik am neuen Chefcoach Christian Prokop auf. Wie empfanden Sie die aufgeheizte Debatte um ihn?

Man muss ganz klar sagen: Die Medienlage war nicht, Informationen zu liefern, sondern Meinungen zu machen. Jeder Mensch macht Fehler. Wie diese nun öffentlich bewertet wurden, empfand ich in der Art und Weise oft als unangemessen. Das Ganze kann man allerdings gleichzeitig auch ins Positive verkehren.

Und zwar wie?

Das zeigt, wo der Handball in Deutschland derzeitig steht. So eine Diskussion gab es doch bislang nur im Fußball. Durch die Erfolge zuletzt sind wir mehr in den Fokus der Öffentlichkeit geraten – und wenn man dort steht, gehören manche Dinge eben mit dazu.

Hat die Situation auch an Ihnen genagt?

Natürlich hat es das. Erst einmal ist so ein Turnier generell anstrengend und wenn man dann keinen Erfolg hat, geht man mit sehr wenig Energie raus. Das Drumherum bis zuletzt hat es nicht leichter gemacht.

Wie sieht die Selbstkritik aus? Welche Fehler haben Sie denn als Trainerduo bei der eigenen Arbeit erkannt?

Es ist sehr gut, dass die Analyse sehr eingehend vorgenommen wurde. Und dass sie auch intern gemacht wurde – das soll sie auch bleiben. Fakt ist: Wir hätten eine bessere Performance abliefern müssen. Es gibt allerdings nicht den einen Hebel und alles läuft, sondern es sind viele kleine Stellschrauben zu drehen.

Von 2014 bis 2017 waren Sie einer von zwei Assistenten für Chefcoach Dagur Sigurdsson. Nun erlebten Sie das erste Turnier mit Prokop und in der Rolle als alleiniger „Co“. Was hat sich für Sie verändert?

Die Arbeit mit einem anderen Cheftrainer ist logischerweise etwas Anderes, weil es sich um unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Ideen handelt. Das Aufgabenfeld an sich war für mich das gleiche. Eben nur, dass ich mir das jetzt nicht mehr mit Axel Kromer geteilt, sondern komplett alleine übernommen habe. Ich bin Spiegel im Training, Spiegel im Spiel, gebe Informationen, kümmere mich um die Wechselorganisation im Spiel, mache Analysen und tausche mich dazu mit dem Cheftrainer aus. Insgesamt war es allein natürlich intensiver.

Während der EM hat man als Potsdamer bei Auszeiten der deutschen Mannschaft aufgehorcht. Christian Prokop sprach von der Potsdam-Bewegung. Bitte verraten Sie, was das ist.

Die Potsdam-Bewegung ist, wenn ein Rückraumspieler von der Halbposition ins Zentrum rückt und der Rückraum-Mitte-Spieler dann hinten rumkommt. Hilft das? (lacht)

Klingt super. Woher kommt der Begriff? Haben Sie ihn beim Nationalteam eingeführt?

Viele haben mich darauf angesprochen. Aber nein, das ist keine Kreation von mir, ich habe wirklich nichts damit zu tun. Diese Bewegung gehört einfach zu den Standards im Handball. Bei Christian Prokop steht sie eben als Potsdam-Bewegung im persönlichen Portfolio der Bezeichnungen. Warum das bei ihm so heißt, weiß ich gar nicht.

Wie gut hat denn die Potsdam-Bewegung bei der EM funktioniert?

Oh, da müsste ich genau gucken. Man muss jedoch wissen: Die Bewegungen im Handball sind relativ klar, da gibt es wenig Neues, sondern es kommt auf den Mix der ganzen Optionen an und wie man sie ausspielt. Die Potsdam-Bewegung ist, wenn man sie denn bringt, bei einem Spielzug nur ein Zahnrädchen.

Welche Erkenntnisse nehmen Sie aus der EM mit Richtung Weltmeisterschaft 2019? Die WM hat ja große Bedeutung für den nationalen Handballbund, denn sie findet in Deutschland und Dänemark statt.

Nach der EM-Enttäuschung sind jetzt alle wach. Ich freue mich riesig auf die Heim-WM, die all unsere Kräfte bündeln lässt. Und ich bin felsenfest davon überzeugt, dass wir ein sehr gutes Turnier spielen werden. Es wird darauf ankommen, jetzt einige Dinge zu verbessern. Ein Beispiel ist der Umgang mit den eigenen Fehlern. Das ist das klassische Problem in jeder Spielsportart und für mich eines der größten Geheimnisse bei Mannschaftssportarten. Fehler gehören zu jedem Spiel – das Entscheidende ist, wie jeder einzelne und das Team mit diesen Fehlern umgeht. Aufgabe ist, die negativen Erlebnisse nicht in den Vordergrund treten zu lassen.

Auch beim VfL Potsdam, Ihrem Verein, war diese Fehlertoleranz in der aktuellen Drittligasaison ein wichtiges Thema. Anfangs war die Mannschaft mental instabil, zerbrach regelrecht, wenn etwas nicht gelang. Inzwischen tritt die Truppe völlig verändert auf – mit starker Körpersprache und Entschlossenheit. Zuletzt demonstrierte sie es beim beeindruckenden Sieg gegen das Top-Team TSV Altenholz.

Das war ein erneuter Beleg für die hervorragende Entwicklung, die wir genommen haben. Ganz realistisch hätte das niemand für möglich gehalten, dass wir nach 1:13 Punkten zu Saisonbeginn jetzt 19:19 haben. Da bin ich echt stolz auf alle Beteiligten. Es bestätigt uns dafür, in einer sehr harten Phase kühlen Kopf bewahrt zu haben. Daniel Deutsch und Alexander Schmidt machen als Trainerduo einen Riesenjob, haben es geschafft, dass das Team sein Potenzial nutzt, die richtige Körpersprache zeigt, Ruhe und Selbstvertrauen ausstrahlt.

Am Sonntag geht es um 16 Uhr in der MBS-Arena mit dem nächsten Heimspiel gegen den MTV Braunschweig weiter. Die Braunschweiger haben zuletzt achtmal in Folge verloren.

Ich denke, unsere Mannschaft ist gewarnt. Nach zuvor sechs Siegen in Serie hatte sie im Januar beim ebenfalls im unteren Tabellenbereich liegenden DHK Flensborg verloren und gemerkt: Okay, ohne den hundertprozentigen Einsatz geht es nicht. Die Jungs sollten jetzt sensibilisiert sein. Denselben Fehler dürfen sie nicht nochmal machen. Nichts ist selbstverständlich, alles muss erarbeitet werden.

In den vergangenen Jahren erlebte der VfL Potsdam oft personelle Umbrüche. Jetzt scheint gerade etwas Vielversprechendes zusammenzuwachsen. Das ist doch ein klarer Auftrag für die Klub-Verantwortlichen.

Sicher. Wir wollen, dass der Kern der Mannschaft zusammenbleibt, und uns auf wichtigen Positionen noch verbessern. Wir sind diesbezüglich schon gut dabei.

Was erwarten Sie aus VfL-Sicht noch von dieser Saison?

Wir haben jetzt noch neun Spiele. Davon möchten wir mehr gewinnen als verlieren, damit wir mit einer positiven Punktebilanz rausgehen. Wie gesagt: Das erschien mal unmöglich. Die aktuelle Saison möchten wir auch als starken Ausgangspunkt für nächstes Jahr nehmen, weil ich der Überzeugung bin, dass wir noch weiter oben angreifen können.

Wie nah ist der VfL an der Reife für den Zweitliga-Aufstieg?

Ich denke, wir sind noch ein Stückchen davon entfernt. Aber wir sollten trotz allem dieses Ziel nicht aus den Augen verlieren, wohlwissend, dass dafür noch ein bisschen mehr notwendig ist als Spiele zu gewinnen. Wir als Verein müssen auch strukturell noch weiter nach vorne kommen. Die Weichen, finde ich, stehen in die richtige Richtung.

Abschließend nochmal der Blick auf das Spiel am Sonntag gegen Braunschweig. Werden die Zuschauer die Potsdam-Bewegung von den Adlern sehen?

Naja, unsere Mannschaft spielt die Potsdam-Bewegung nicht so oft, weil wir über eine etwas andere Philosophie kommen. Wir haben nicht so riesige Spieler, weshalb wir mehr Stoßbewegungen und die kleinen Räume nutzen. Aber wir lassen uns überraschen, was sich Daniel Deutsch und Alexander Schmidt so an Taktik überlegen.

ZUR PERSON
Alexander Haase ist seit Ende 2014 Assistenztrainer der deutschen Männer-Handballnationalmannschaft und wurde mit dem Team im Jahr 2016 Europameister sowie Olympiadritter. Der 41 Jahre alte Lehrertrainer der Potsdamer Sportschule fungiert auch als sportlicher Leiter des Drittligisten VfL Potsdam und als Vizepräsident Leistungssport des Handball-Verbandes Brandenburg.

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