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Erstes internationales Kräftemessen der Saison. Franziska Weber vom KC Potsdam startet bei der EM im Kajak-Einer über die olympische 500-Meter-Distanz.

©  dpa

Sport: Geschmeidig über das Wasser gleiten

Von ihrer Leistung bei der nationalen Qualifikation war Kanutin Franziska Weber maßlos enttäuscht. Bei der Europameisterschaft in Racice geht es ihr nun vor allem darum, wieder ein gutes Gefühl zu finden

Von Tobias Gutsche

Das Menü lässt für Spargelfreunde nichts zu wünschen übrig. Eine Variante des schmackhaften Gemüses wird nach der anderen serviert. Als Salat, als Suppe, klassisch gekocht mit brauner Butter oder mit Sauce hollandaise. „Das ist schon zur Tradition geworden und ein Termin, auf den ich mich jedes Mal freue“, sagt Franziska Weber. Die Olympiasiegerin sitzt im Restaurant des Klaistower Spargelhofs „Buschmann & Winkelmann“, dessen Betreiber engagierte Unterstützer des Kanu-Clubs Potsdam sind und die Top-Athleten seit einigen Jahren immer vor den ersten internationalen Regatten zum gemeinsamen Spargelessen auf den Hof einladen.

In diesem Jahr ist das erste Kräftemessen auf internationalen Gewässern untypischerweise gleich eine Meisterschaft. Von Freitag bis Sonntag finden im tschechischen Racice die europäischen Titelkämpfe statt. Aufgrund der Europaspiele, die erstmalig im Juni in Baku ausgetragen werden, wurde die Europameisterschaft zwangsläufig an den Beginn der Saison verdrängt. „So fit wie sonst bei einer EM ist man diesmal natürlich nicht“, ordnet Franziska Weber den Stand der Leistungsfähigkeit ein, der bei der Weltmeisterschaft im August in Mailand seinen Höhepunkt erreichen soll.

Vor allem hinsichtlich ihrer derzeitigen Form taten sich bei der nationalen Qualifikation vor eineinhalb Wochen einige Fragezeichen auf. Sie selbst grübelte am meisten, haderte und kapselte sich ab. Interviews gab sie zunächst keine. „Ich musste erst einmal mit mir ins Reine kommen“, erklärt die Kajakfahrerin ihren Rückzug ins Schneckenhäuschen.

Beim Sichtungsrennen in Duisburg wurde Franziska Weber Zweite, erfüllte die EM-Norm und war doch vollkommen unzufrieden mit ihrem Auftritt. „Für mich hatte sich das im ersten Moment wie ein Totalausfall angefühlt. Ich war maßlos von mir enttäuscht.“ Wie das Meer nach einem heftigen Sturm hat sich inzwischen aber auch die Gefühlslage der dreifachen Weltmeisterin wieder beruhigt. Mit ein bisschen Abstand zu den Geschehnissen kann sie sagen: „So schlecht war das Rennen nun auch nicht.“

Nicht zuletzt deshalb hat sich die Einer-Vizeeuropameisterin von 2014 dazu entschieden, bei der EM in Racice zu starten. „Ich kenne das bereits aus den vorigen Jahren. Da habe ich auch meine Warmlaufzeit gebraucht und Wettkämpfe benötigt, um reinzukommen“, erinnert sich die gebürtige Potsdamerin, die am Wochenende für den Start im Einer über die olympische 500-Meter-Distanz gemeldet ist. Die Erwartungshaltung dämpft sie allerdings, insbesondere ihre eigene. „Für mich geht es jetzt darum, wieder zu mir zu finden.“ Das Gefühl einer guten Fahrt, bei der man das Boot geschmeidig über das Wasser gleiten lässt, sei in der momentanen Phase wichtiger als die Platzierung.

Läuft es jedoch wieder nicht so wie gewünscht, wird vor allem Ralph Welke als Rückhalt gefordert sein. Der Cheftrainer des KC Potsdam war in den vergangenen Jahren fast ausschließlich für die Canadierfahrer am Luftschiffhafen zuständig, während Jochen Zühlke als Kajak-Bundestrainer der Frauen in Potsdam stationiert war. Zühlke machte Franziska Weber zu einer der besten Kanutinnen der Welt, wurde aber nach der Saison 2014 abgesetzt. Kay Vesely übernahm das Amt des Disziplinen-Nationalcoaches und Ralph Welke die Betreuung der Kajakfahrerinnen am Potsdamer Stützpunkt. „Er gibt sich superviel Mühe“, lobt die Sportlerin den Erfolgstrainer Welke, mit dem sie bereits zu Juniorenzeiten zusammenarbeitete. „Aber das Vertrauen, das ich zu Jochen hatte, müssen wir nun auch zueinader aufbauen. Das wird sich jedoch erst mit der Zeit entwickeln.“

Entwicklungspotenzial sieht sie natürlich auch reichlich bei ihrer sportlichen Leistung. Nach der Enttäuschung von Duisburg soll nun der Aufwärtstrend bei der Europameisterschaft in Racice beginnen. Vielleicht hat das Spargelessen in Klaistow ja bereits ein paar zusätzliche Kräfte freigesetzt. Tobias Gutsche

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